Durch unkompliziertere Visa-Erteilungen und die Anerkennung von Abschlüssen soll der Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt erleichtert werden. Symbolbild: dpa
Von Gernot Heller, RNZ Berlin
Berlin. Deutschland braucht immer dringender Fachkräfte. Daher suchten Kanzlerin Angela Merkel und ihre zuständigen Minister gestern mit Vertretern von Wirtschaft, Gewerkschaften und Arbeitsagentur bei einem "Fachkräfteeinwanderungsgipfel" nach neuen Wegen, um mehr qualifizierte Menschen auch von außerhalb der EU ins Land zu locken. Hintergründe:
Das Großproblem
In den deutschen Unternehmen ist der Mangel an Fachkräften seit Langem die Wachstumsbremse Nummer eins. Als größtes Geschäftsrisiko sehen das in der letzten DIHK-Umfrage 56 Prozent der Befragten. "Damit verschenkt Deutschland mittelfristig rund ein Prozent seines jährlichen Bruttoinlandsprodukts", sagt IW-Chef Hüther zur aktuellen Lücke von rund einer halben Millionen qualifizierter Arbeitnehmer. Nach einer Prognos-Studie werden bis 2025 rund 2,9 Millionen Fachkräfte fehlen – vor allem Menschen mit Hochschul- oder qualifiziertem Berufsabschluss.
Ansätze
Um den steigenden Bedarf an speziellen Fachkräften zu decken, gibt es viele Ansatzpunkte: Die Mobilisierung von mehr Frauen für den Beruf, geringere Zahlen von Berufs- und Schulabbrechern und die Forcierung bei Aus- und Weiterbildung. Ohne zusätzliche Anwerbung von Kräften aus Ländern über den EU-Raum hinaus wird es trotzdem kaum gehen. Deutschland wird "immer stärker auf die Gewinnung von Fachkräften aus dem Ausland angewiesen sein", heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der Bundesminister.
Das Fachkräftegesetz
Ab 1. März nächsten Jahres gilt das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Es setzt den Rahmen für eine gezielte und gesteigerte Zuwanderung von qualifiziertem Personal. "Ziel ist, dass diejenigen Fachkräfte zu uns kommen können, die unsere Unternehmen vor dem Hintergrund des großen Personalbedarfs auf leeren Bewerbermärkten dringend brauchen", erklärt die Regierung. Eine wichtige Rolle sollen Deutsch-Kenntnisse der Bewerber spielen.
Der Gipfel
Gemeinsam wollen alle Beteiligten im Kanzleramt das Gesetz mit Inhalten füllen. Qualifizierte Menschen aus dem Ausland sollen schnell ihren Weg in die Betriebe finden. "Wir werden die entsprechenden bürokratischen Hürden weghauen", kündigte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Dabei werde es um die einfachere Anerkennung von Abschlüssen und eine erleichterte Visa-Erteilung gehen.
Im Vordergrund
Große Hindernisse beim Anwerben bilden Bürokratie und schwierige Anerkennungsverfahren. Hier peilt die Politik Vereinfachungen und eine bessere Ausstattung von Visastellen an. Effektiver soll es auch werden durch die Digitalisierung von Antragsverfahren. Zudem sollen die ausländischen Fachkräfte bei der Integration in den Betrieben zusätzlich unterstützt werden.
Woher sollen die Fachkräfte kommen?
Wirtschaftsminister Peter Altmaier spricht von Pilotprojekten in bestimmten Ländern (siehe Interview unten). Schon auf Werbetour war Gesundheitsminister Jens Spahn in Mexiko und im Kosovo. Allein im Pflegebereich gibt es nach Schätzungen bis zu 100.000 unbesetzte Stellen.
Harter Wettbewerb
IW-Chef Hüther verweist auf den OECD-Index zur deutschen Attraktivität für Talente aus dem Ausland. Dort liegt das Land nur auf Platz 12. "Warum sollte eine Fachkraft zu uns kommen, wenn sie etwa in der Schweiz wesentlich bessere Bedingungen vorfindet?" fragte Hüther. Heil räumt ein: "Unser Problem ist im Moment eher, dass uns nicht die Bude eingerannt wird."