Deutsche China-Politik

Franziska Brantner sieht keinen Scholz-Kniefall vor Xi Jinping

"China ist ein Systemrivale geworden": Die grüne Bundestagsabgeordnete plädiert für einen besseren Schutz der kritischen Infrastruktur.

09.11.2022 UPDATE: 09.11.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 6 Sekunden
China-Besuch
Der deutsche Kanzler Olaf Scholz hat sich in Peking mit dem chinesischen Staatschef Xi Jingping getroffen. Foto:dpa
Interview
Interview
Franziska Brantner
(43, Grüne) Heidelberger Bundestagsabgeordnete und Staatssekretärin

Von Alexander Rechner

Heidelberg. Grünen-Politikerin Franziska Brantner (43) ist Heidelberger Bundestagsabgeordnete und Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz.

Frau Brantner, war die China-Reise des Kanzlers ein Kniefall von Olaf Scholz vor Staats- und Parteichef Xi Jinping?

Nein. Es ist gut, dass wir über den Besuch eine breite öffentliche Diskussion hatten. Der Bundeskanzler hat die Bedeutung von Menschenrechten, Taiwan und den Krieg in der Ukraine angesprochen. Er hat auch verdeutlicht, dass die Diversifizierung und die Abkehr von großen Abhängigkeiten zentrale Aufgabe ist. Diese Richtschnur teilen wir gemeinsam in der Ampel-Koalition.

Ihre Co-Parteichefin Ricarda Lang forderte, die Abhängigkeit von China zu verringern. Ist es ein Fehler, dass der chinesische Staatskonzern Cosco beim Hamburger Hafen einsteigen darf?

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Wir hätten uns ein strengeres Vorgehen vorstellen können, das ist bekannt, aber es ist wichtig, dass wir mit der Teiluntersagung vor allem auch Kontrollrechte verhindert haben. Letztlich zeigt es, wir brauchen einen europäisch abgestimmten Umgang mit chinesischen Investitionen in europäische Häfen.

Nun muss die Bundesregierung über einen weiteren China-Deal entscheiden. Diesmal geht es um die Chip-Fertigung des Dortmunder Unternehmens Elmos. Gibt es ein Veto?

Das Bundeskabinett wird am heutigen Mittwoch eine Entscheidung darüber treffen. In Europa wollen wir richtigerweise Milliardenbeträge investieren, um eine Halbleiterproduktion in europäischer Hand aufzubauen. Und nun soll ein deutscher Spezialist an chinesische Investoren verkauft werden, das müssen wir als Bundesregierung gründlich prüfen.

China verfolgt eine Strategie. Wie sieht die deutsche und europäische aus?

Im Koalitionsvertrag haben wir vereinbart, eine gemeinsame China-Strategie zu entwickeln, aufbauend auf der nationalen Sicherheitsstrategie. Daran arbeiten wir gerade, eingebettet in eine gemeinsame europäische Antwort. Die Europäische Kommission hat den Dreiklang im Umgang mit China als Kooperationspartner etwa beim Klimaschutz, als wirtschaftlicher Konkurrent und als Systemrivale gut beschrieben.

Inwiefern?

Globaler Klimaschutz wird ohne China nicht möglich sein, wir müssen hier zusammenarbeiten. Andererseits müssen wir bei wirtschaftlichen Beziehungen auf mehr Gegenseitigkeit pochen. Wo chinesische Unternehmen Zugang zum europäischen Markt haben wollen, muss das so auch für deutsche und europäische Unternehmen in China gelten. Dass China ein Systemrivale geworden ist, bedeutet, wir müssen unsere Demokratie und unsere Freiheit verteidigen und ihre Attraktivität beweisen. Wir müssen kritische Infrastruktur besser schützen und unabhängiger werden. Unsere Volkswirtschaft müssen wir widerstandsfähig machen, das hat Bundespräsident Steinmeier richtigerweise betont.

Die Spannungen zwischen den USA und China könnten nach Einschätzung des ehemaligen US-Außenministers Henry Kissinger zur "größten Herausforderung der Menschheit" heranwachsen. Teilen Sie dies?

Die größte Herausforderung der Menschheit ist die Klimakrise. Deren Konsequenzen spüren wir überall auf der Welt. Gleichwohl dürfen die Spannungen zwischen den USA und China nicht eskalieren.

Die Geopolitik des Superkontinents Eurasiens wird wohl in den nächsten Jahrzehnten die politische Arena bestimmen. Nimmt Europa bei der Bewältigung dieser Herausforderung am Katzentisch Platz?

Nein. Denn wir Europäer haben einiges beizutragen. Wir müssen und wollen unter Beweis stellen, dass Demokratie, Wohlstand und Nachhaltigkeit gemeinsam erfolgreich sind und aufzeigen, dass es sich lohnt, zusammen mit uns die grünen Wertschöpfungsketten der Zukunft aufzubauen.

Braucht Europa in der China-Politik einen deutsch-französischen Motor?

Eine enge deutsch-französische Zusammenarbeit benötigen wir bei jedem Thema. Im Umgang mit China ist der europäische Motor wichtig. Gleichzeitig ist Deutschland eines der exponiertesten Länder und mit unserer Wirtschaft haben wir größere Verantwortung und müssen auch unsere eigenen Hausaufgaben erledigen.