Der Umgang mit den Einschränkungen ist unterschiedlich: Burkhard Stork lädt Freunde auf einen Kaffee ein. Fotos: Christiane Barth
Von Christiane Barth
Sinsheim. Isolation schlägt auf die Stimmung. Unter anderem die etwas Älteren sind momentan besonders betroffen vom Corona-Gebot der Stunde, Kontakte zu vermeiden. Wie schaffen es die "Best Ager", bei Laune zu bleiben? Die RNZ hörte sich bei den Menschen "im besten Alter" um.
Burkhard Stork, langjähriger RNZ-Fotograf, räumt unumwunden ein: "Ich fühle mich manchmal sehr einsam." Der Pflegedienst kommt zwar jeden Tag, hilft, unterstützt und schaut nach dem Rechten. Dem 72-Jährigen fehlen jedoch die üblichen, regelmäßigen Kontakte, die er unter anderem auch beim Café-Stammtisch immer gerne gepflegt hat. Hin und wieder besucht ihn ein Freund vom Stammtisch, bleibt aber auf Abstand. Dann gibt es "Café Roma in der Gartenstadt." Jedenfalls ein bisschen. "Jeder, der mich besucht, bekommt einen Espresso vorgesetzt", erzählt Stork, der bemüht ist, so ein wenig Normalität aufrecht zu erhalten und den Austausch im Café, der ihm guttut und ihn aufbaut, zumindest ein ganz klein wenig zu ersetzen. Womit er sich nun die Zeit vertreibt? "Ich schlafe viel, schaue oft fern und trinke viel Kaffee."
Die Erfahrung, dass Senioren zunehmend vereinsamen, macht auch Pflegedienstleiterin Tatjana Mayerhöffer. Sie berichtet: "Die Kinder und die Enkel kommen nicht, aus Angst, die Großeltern anzustecken." Eine Hilfe sei jedoch oft die Tagesstätte. Bei den alleinlebenden Senioren, die nicht mehr in die Tagesstätte kämen, stelle sie oft eine "völlige Vereinsamung" fest.
Joachim Beilharz aus Hoffenheim holt in der "Linde" gerade Mittagessen ab, für sich und seine Frau. Das macht er regelmäßig. "Ich habe kein Verständnis dafür, dass die normalen Gaststätten geschlossen haben", meint der 79-Jährige, nutzt den "Take away"-Service und hat keine Angst vor Quarantäne: "Wir haben es einfach, wir sind ja zu zweit." Auf seinem großen Grundstück finde er außerdem reichlich Beschäftigung, sodass ihm die Kontaktbeschränkungen nichts ausmachen.
Eugen Stoy schiebt einen Kinderwagen vor sich her. Sein Enkelkind ist der ganze Stolz der Familie, mit ihm verbringt der 63-Jährige viel Zeit. "Wir passen natürlich auf und halten alle Regeln ein", meint er und ergänzt: "So schlimm das alles ist, aber man darf den gesunden Menschenverstand nicht verlieren."
Der Umgang mit den Einschränkungen ist unterschiedlich: Irmgard Hagmaier hat mit 79 Jahren wieder das Stricken entdeckt. Fotos: Christiane BarthEine 89-Jährige, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, lebt alleine, fühlt sich aber nicht einsam. Sie zieht ihre Kraft aus der Natur und der Musik, setzt sich selbst ans Klavier, um Abstand zu gewinnen zum Corona-Geschehen: "Man darf sich nicht irre machen lassen", sagt die pensionierte Lehrerin. Sie sei naturverbunden und kann der Zeit auch Positives abgewinnen: "Die Füchse halten wieder Einzug in die Großstädte, die Waschbären sind wieder da."
Irmgard Hagmaier lebt ebenfalls alleine und hat ein neues Hobby entdeckt: Stricken. Die 79-Jährige nutzt außerdem die Zeit beim Einkaufen, um Bekannte zu treffen: "Dann reden wir eben auf der Straße miteinander. Wenn man raus geht, hat man doch immer Kontakt und kann sich mit Maske und Abstand darauf einstellen." Über den Nachrichtendienst "WhatsApp" ist sie mit ihrer Familie ständig in Verbindung, und per E-Mail pflegt sie Kontakte mit Freunden. Sie telefoniert oft und lange, das Reden ist ihr wichtig.
Mayerhöffer stellt bei den Senioren, die sie pflegt, jedoch oft fest, "dass sie deutlich weniger sprechen". Der Rückzug hat oft auch den inneren Rückzug zur Folge. "Die Gesellschaft fehlt einfach", ist die Pflegedienstleiterin sicher. Erschwerend komme hinzu: Auch der Seniorennachmittag beim Pflegedienst Mayerhöffer – für die Älteren ein herbeigesehnter Austausch – finde momentan nicht statt: "Die Leute sind sehr verunsichert und verängstigt." Um die Stimmungsschwankungen, die dadurch ausgelöst würden, zu regulieren, müssten oft die Psychopharmaka höher dosiert werden.
Der Umgang mit den Einschränkungen ist unterschiedlich: Eugen Stoy genießt die Zeit mit seinem Enkelkind. Fotos: Christiane BarthBesonders schwer fielen die Kontaktbeschränkungen und Hygienemaßnahmen bei Demenzkranken ins Gewicht: "Durch den Mundschutz können die Senioren unsere Mimik und Gestik nicht mehr lesen." Auch für die Pfleger sei all dies schwer auszuhalten. Wirklich Abhilfe schaffen könne man bei der täglichen Pflege jedoch kaum. "Dazu fehlt uns einfach die Zeit", gesteht Mayerhöffer.