Von Angela Portner
Neckarbischofsheim. Geballte Staatsmacht klingelte an der Haustür: Polizei, Naturschutzbehörde, Landratsamt. "Ich habe mich total bedrängt gefühlt", erzählt Stefanie Breitzke. Der unangekündigte Besuch galt dem Tierwohl. Den Behörden lag eine Anzeige wegen Haltung eines Wildtieres vor. Dieses Wildtier ist ein Eichhörnchen. Es lebt seit seiner Rettung vor zweieinhalb Jahren bei der jungen Frau, die es nicht nur liebevoll versorgt und aufgepäppelt hat, sondern auch versucht, der kleinen "Mausi" ein möglichst artgerechtes Zuhause zu bieten.
"Fast leblos" hat Breitzke das Tier bei einem Sommerspaziergang mit Temperaturen von über 30 Grad auf dem Waldboden gefunden. Nachdem sie sicher war, dass die Mutter des Babys, das damals gerade ihre Hand ausfüllte, nicht mehr auftauchen würde, hob sie es vorsichtig in ihr T-Shirt und trug das entkräftete Tierchen nach Hause. Fortan bestimmte seine Versorgung ihren Tagesablauf. Mit Kondensmilch und Babybrei päppelte sie es auf. Alle drei Stunden versuchte sie, ihr mit Hilfe einer Spritze Nahrung zuzuführen. Heizkissen, Handtücher und viele Streicheleinheiten gaben dem kleinen Eichhörnchen Geborgenheit, und auch das verletzte Auge heilte langsam.
Viele Wochen später eroberte der Nager Stück für Stück die Wohnung und knabberte mit Leidenschaft an Körnern, Beeren, Nüssen oder Tannenzapfen, die seine Ziehmutter im Wald zusammensuchte. Stefanie Breitzke baute einen riesigen dreistöckigen Käfig mit Kletterstämmen und Versteckmöglichkeiten, den "Sciurus vulgaris" - so der zoologische Name des Eichhörnchens - als neues Zuhause akzeptierte.
Dass sich Breitzke mit ihrer gut gemeinten Fürsorge strafbar machte, war ihr damals nicht bewusst: Laut Bundesartenschutzverordnung dürfen die Tiere nicht gejagt, gefangen und getötet werden. Und auch ihre private Haltung ist untersagt, wenn das Tier aus der freien Natur stammt. Bei Verstoß droht ein Bußgeld von bis zu 50.000 Euro. Als die junge Frau dies mitbekam, war es schon zu spät: "Mausi" gehörte schon fest zum Lebensumfeld der jungen Frau.
Doch ein Eichhörnchen ist bekanntlich kein Kuscheltier. Was sie der Natur genommen habe, müsse sie ihr auch wieder zurückgeben, soll der Polizeibeamte, der extra aus Mannheim angereist war, bei seinem Besuch gesagt haben. Die Veterinärmedizinerin vom Landratsamt in Heidelberg drohte mit einer "saftigen Strafe", ihre Kollegin fotografierte mit dem Handy den im Schlafzimmer stehenden Käfig und das inzwischen durch den Menschenauflauf völlig verstörte Tier. Mit Vorwürfen und Belehrungen sparte auch die Mitarbeiterin der zuständigen Naturschutzbehörde nicht, so berichtet Stefanie Breitzke.
Das Tier mitzunehmen, war nicht verboten. Doch spätestens, als das Eichhörnchen wieder fit war, hätte Breitzke es in die Freiheit entlassen müssen. Die Zahl der Fressfeinde besonders von Raubvögeln ist allerdings groß und die Chance, dass das inzwischen ausgewachsene Eichhörnchen in der natürlichen Umgebung mit dem Leben davonkäme, eher als gering einzuschätzen. "Hier muss dringend eine sachverständige Auswilderung erfolgen", erklärte eine Mitarbeiterin des Eichhörnchennotrufs auf RNZ-Anfrage. Die beteiligten Behörden wollten zu dem Vorfall in Neckarbischofsheim keine Stellung beziehen.
Stefanie Breitzke steht jetzt vor einer schwierigen Herausforderung, denn da ist zum einen die bevorstehende Anhörung und ein voraussichtlich auf sie zukommendes Bußgeld wegen des Verstoßes gegen das Artenschutzgesetz, zum anderen die Frage: Wohin mit "Mausi"? Eine schwierige Entscheidung für Stefanie Breitzke: "Ich will nur, dass es ihr gut geht." Mehrere zoologische Gärten haben allerdings nach telefonischer Anfrage eine Aufnahme abgelehnt und sie selbst hat wegen eines fehlenden Gartens keine Möglichkeit, das vollkommen auf sie fixierte Eichhörnchen langsam wieder an die Natur zu gewöhnen. "Wir sind sicher, dass wir in Zusammenarbeit mit dem Veterinäramt hier eine gute Lösung finden werden", meint Silke Hartmann vom Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis.
Info: Wer ein Eichhörnchenbaby in der Natur findet, kann sich an den bundesweiten Eichhörnchennotruf wenden, der Aufnahmestationen vermittelt. Telefon 0700 / 20020012, täglich von 10-12 und 17-19 Uhr.