England gehört in die Europäische Union - da sind sich Ursula Geier und Hans Happes einig. Wie die Abstimmung heute ausgeht, vermögen aber beide nicht zu sagen. Foto: C. Beck
Von Christian Beck
Mosbach/Lymington. Heute stimmen die Engländer über einen Verbleib in der Europäischen Union ab. Ob es dabei zum Austritt kommt, ist den Prognosen nach kaum vorherzusagen. Unklar ist darüber hinaus auch, welche Folgen ein solcher "Brexit" haben könnte. Vor diesem Hintergrund erkundigte sich die RNZ bei verschiedenen Mosbachern, die mit England in Verbindung stehen, was diese über das auf der Insel wie hier viel diskutierte Thema denken. Und auch bei einer Einwohnerin der Partnerstand Lymington fragten wir nach.
"Die Diskussion in England setzt vor allem auf Emotionen, weniger auf vernünftige Argumente", berichtet Hans Happes. Und ein eben solches Gefühl mancher Briten sei es momentan, dass Brüssel den Engländern alles vorschreiben wolle, erzählt der ehemalige Englischlehrer und Vorsitzende des Partnerschaftskomitees Mosbach-Lymington. "Ich würde einen Austritt sehr bedauern", betont Happes. Ob es tatsächlich dazu kommt, könne er nicht sagen.
Als "drittwichtigster Markt" der Firma KWM Weisshaar bezeichnet deren Geschäftsführer Jörg Weisshaar England. Immer wieder liefert das Mosbacher Unternehmen seine Produkte auf die Insel - vor ein paar Jahren waren es Seitenwände für Straßenbahnen in Blackpool, aktuell sind es Komponenten für Motoren der Londoner U-Bahnen. Für eben jenes Projekt gebe es vertraglich zugesicherte Aufträge bis ins Jahr 2018 - "diese Verträge bleiben natürlich bestehen, ganz egal, wie sich die Engländer entscheiden", bleibt Weisshaar gelassen. Mittelfristig hält es der KWM-Geschäftsführer aber für möglich, dass geschäftliche Projekte im Falle eines Brexits verschoben werden könnten.
In England selbst sieht man dies mitunter ähnlich: "Ich denke, dass ein Brexit wirtschaftliche Folgen hätte", vermutet Sheila Ward, Vorsitzende des Partnerschaftskomitees in Lymington. Die Diskussion in der rund 15 000 Einwohner zählenden Hafenstadt beschreibt sie als ruhig. "Nur sehr wenige Plakate hängen in den Fenstern", berichtet sie. Leute aus ihrem Bekanntenkreis seien auch eher verschlossen, was dieses Thema anbelangt - niemand wolle so recht damit herausrücken, ob er für einen Verbleib oder Austritt stimmen werde.
Grundsätzlich sei die Diskussion in England "aufgeheizt und übellaunig", berichtet Sheila Ward. Es werde vermittelt, dass die Folgen einer Entscheidung klar seien, aber die Zukunft könne schließlich niemand vorher sehen, betont Ward. Dementsprechend sei es auch schwierig, vorherzusehen, ob die Engländer mehrheitlich für einen EU-Austritt stimmen. Auf diese Frage antwortet Sheila Ward: "Ich denke und hoffe, dass wir bleiben. Aber es wird sehr knapp."
Auf einen Verbleib hofft auch Barry Dunning, seit Mai Bürgermeister von Lymington. "Es wird ein historischer Tag, die Welt schaut auf England", ist dieser sich der Tragweite der möglichen Entscheidung wohl bewusst. Und ergänzt: "Ich reiche die Hand nach Mosbach". Denn kurz zuvor hatte Oberbürgermeister Michael Jann seinem englischen Kollegen symbolisch die Hand gereicht - mit dem Wunsch, dass die nun seit 20 Jahren bestehende Städtepartnerschaft weiterhin mit viel Leben erfüllt werde. Hier könne ein Brexit einen symbolischen Schatten auf das gute Miteinander werfen, befürchtet Jann. Vor diesem Hintergrund wurde auch die britische Flagge vor dem Mosbacher Rathaus gehisst - auch die Stadt befürwortet einen Verbleib.
Auch Ursula Geier fände es sehr schade, wenn England für einen Austritt stimmt. Als Europakoordinatorin und Städtepartnerschaftsbeauftragte fürchtet sie, dass der Brexit einen Dominoeffekt auslöst. Ob dies eintritt, wird die Zukunft zeigen. Eines ist aber bereits jetzt klar: Auf die Städtepartnerschaft Mosbach-Lymington wird das Abstimmungsergebnis keinen Einfluss nehmen: "Egal wie es ausgeht, wir bleiben immer Freunde" - da sind sich Sheila Ward und Hans Happes einig.