Symbolbild: picture alliance / dpa | Horacio Villalobos
Von Martin Oversohl und Carsten Blaue
Heidelberg. Mit einem Nachtzug lässt sich eine Distanz von 1000 Kilometern bequem im Schlaf zurücklegen. Europäische Großstädte wachsen buchstäblich über Nacht und über die Schiene zusammen. Auch Frankfurt, Karlsruhe und Barcelona sollten so verbunden werden, fordert ein Verein.
In Frankfurt, Heidelberg oder Karlsruhe in den Zug einsteigen, einschlafen und in Barcelona wieder aufwachen, wenn der Frühstückskaffee duftet, das wäre was. "Das kann auch gut was werden", sagt nun eine französische Initiative. Sie rührt mächtig die Werbetrommel für ihren Traum von einer Verbindung zwischen Rhein-Main und Katalonien.
Nach einer neuen Machbarkeitsstudie zur Nachtzugstrecke könnte es tatsächlich Interesse geben an der Passagier- und Güterzugstrecke – nicht nur von Unternehmen, sondern auch von Urlaubern. Denn die Coronakrise hat das Reiseverhalten der Menschen verändert. Und die Debatte über den Klimawandel beschleunigt die Renaissance des Bahnfahrens zusätzlich.
Der französische Nachtzug-Verein "Association Objectif Train de Nuit", 2019 aus einer Bürgerinitiative hervorgegangen, rechnet mit rund 164 000 Reisenden im Jahr zwischen Spanien und der Main-Metropole. Außerdem soll eine Kombination aus Personen- und Güterwaggons mit dem stauintensiven Lkw-Verkehr auf der langen Strecke zwischen Spanien und Deutschland konkurrieren. Die Trasse der Verbindung von und nach Katalonien könnte nach den Vorstellungen des Vereins von Barcelona über Montpellier, Avignon, Lyon, Straßburg, Karlsruhe, Heidelberg und Mannheim nach Frankfurt führen. "Das wäre das zentrale Puzzlestück für das Nachtzugnetz zwischen den Metropolen Europas", sagte der Grünen-Politiker Cem Özdemir aus Stuttgart.
Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) bezeichnete Nachtzüge als "gute Botschaft für Bahnreisende, für Europa und fürs Klima". Nachtzüge könnten ein Trend gerade auch bei jungen Leuten werden, die gerne international unterwegs seien, aber aus Klimaschutzgründen nicht fliegen wollten.
Die Kosten sind das Problem
Das Problem sind die Kosten. Denn die Finanzierungsfrage für die Strecke zwischen Barcelona und Frankfurt ist noch nicht beantwortet. "Ein reiner Passagierzug würde sich derzeit wirtschaftlich nicht lohnen", sagt Eric Boisseau, der Vorsitzende der Nachtzug-Initiatoren. "Aber er wäre lohnend, wenn sich ein kombiniertes Modell umsetzen lässt." Der Vorteil: die Kombination mit Güterzügen reduziere die Kosten pro Kilometer. So werde eine Bewirtschaftung der Strecke rentabel. Außerdem könnten Güter-Kunden vom regelmäßigen Takt, von der Pünktlichkeit und der Schnelligkeit profitieren. Und Passagiere sparten sich durch die Anreise eine teure Nacht im Hotel am Urlaubsort.
Reine Passagierzüge könnten sich nach Ansicht des Vereins schon bald auf den Weg machen. Das habe die von zwei französischen Regionen (Grand Est und Okzitanien), der französischen Bahngesellschaft SNCF Réseau und der katalanischen Bahngesellschaft FGC finanzierte Studie gezeigt. Zeitgleich müsse aber untersucht werden, wie Güter und Reisende in Zügen am besten kombiniert werden könnten. "Es gibt derzeit noch keine Güterzüge, die die nötige Geschwindigkeit von 160 km/h auf der Schiene erreichen", räumt Jean-Luc Gibelin ein, der Vizepräsident der Region Okzitanien. Und das ist nicht alles. Denn Defizite in der Anfangsphase durch die reinen Passagierzüge müssten die Bahnunternehmen und die Regionen tragen. Ausgeschlossen ist das aber nicht. Vor allem die Franzosen wollen nicht zuletzt wegen ihrer guten geografischen Lage das Potenzial von Nachtzügen stärker nutzen. Der Vorteil: Die Investitionen sind vergleichsweise gering, da Schienen und Logistik oft bereits vorhanden sind. Derweil setzen auch die Schweiz und Österreich auf Nachtzüge. Die Bahnunternehmen der Alpenländer betreiben bereits ein dichtes Netz.
So wird die Schweiz zum Beispiel über Nacht mit knapp einem Dutzend europäischer Metropolen verbunden. Die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) haben die bisherige Lücke in Deutschland gefüllt und bieten Nachtzugverbindungen auch nach Italien, in die Schweiz, die Niederlande oder nach Osteuropa an. In Deutschland betreiben die ÖBB den "Nightjet" unter anderem auf den Strecken von Hamburg nach München und Zürich sowie von Berlin nach Zürich. Die Deutsche Bahn (DB) ist Vertriebspartner und will sich künftig wieder stärker am Geschäft mit den Nachtzügen beteiligen.
Gemeinsam mit der ÖBB, der Schweizerischen Bundesbahn (SBB) sowie der SNCF will die Bahn in den nächsten Jahren die Nachtzugverbindungen in Europa ausbauen. Schon im kommenden Dezember soll es möglich sein, per Nachtzug von Zürich über Köln nach Amsterdam zu fahren sowie von Wien über München nach Paris. Wiederum ein Jahr später soll von Zürich aus ein Nachtzug bis nach Rom fahren. Für Dezember 2023 sieht der Plan die Wiedereinrichtung der Verbindung von Wien über Berlin bis nach Paris vor. Schon in diesen Plänen spielt Mannheim als Halt eine wichtige Rolle.
Und auch Barcelona wird in Zukunft laut des gemeinsamen Konzepts angesteuert – wenn auch auf anderem Weg als es sich die "Association Objectif Train de Nuit" vorstellt. Wie eine Bahn-Sprecherin auf RNZ-Anfrage bestätigte, werde ab 2024 ein "Nightjet" von Zürich aus nach Katalonien fahren. Dieser Nachtzug werde für Kunden aus Deutschland mit Zubringerzügen bestens erreichbar sein.
Update: Mittwoch, 17. Februar 2021, 20 Uhr