Tierschützer demonstrierten an der gesperrten Landesstraße unter anderem mit einer Mahnwache. Foto: Gerold
Von Wolf H. Goldschmitt
Lampertheim/Viernheim. Am Waldrand steht am Samstag ein Schild mit der Aufschrift "Nehmt Rücksicht aufs Wild". Das klingt makaber. Denn der letzte Schuss fällt kurz vor 15 Uhr. Dann ist die revierübergreifende Treibjagd entlang der gesperrten Landesstraße L3111 zwischen Viernheim und Hüttenfeld beendet. 75 Jäger und 20 Treiber mit Hunden bringen insgesamt 122 Waldtiere zur Strecke. Gut ein Drittel weniger als vor zwei Jahren, vermuten die Teilnehmer im Anschluss bei einem Hochprozentigen am Lagerfeuer.
Revierleiter Ralf Schepp spricht von einem "großen Jagderfolg", zumal auch insgesamt 16 Rehe geschossen werden. Weil aber bei Weitem nicht alle Waidfrauen und -männer gleich gute Schützen sind, werden üblicherweise manche Wildschweine nur verletzt. Die spätere "Nachsuche" erlöst jene Verwundeten, die man noch finden kann, mit einer Kugel oder dem Messer.
Kritik an der Treibjagd kommt an dem verregneten Samstagmorgen von mehr als 60 Demonstranten. Roger Miller ist einer davon. Er steht bereits ab 7 Uhr mit einem Megafon vor dem Lampertheimer Forstamt. Und schimpft auf die "feine Lodengesellschaft". "Bei dieser feigsten Form des Jagens hat das aufgescheuchte Wild keine Chance gegen die High-Tech-Präzisionsgewehre", beklagt er.
Die Polizei behält den Demonstranten immer im Auge. Über 60 andere Jagdgegner um Michael Ehlers stehen an einem Verkehrskreisel in Viernheim. Sie demonstrieren bei einer stillen Mahnwache mit Plakaten zwei Stunden lang gegen "die Quälerei" und das "sinnlose Abschlachten". Aktivisten aus dem Schwäbischen gehen andere, nicht ungefährliche Wege. Sie stören dort, wo es den Jäger wehtut.
Mit orangenen Sicherheitswesten streifen sie durch den Forst und versuchen - allein mit ihrer Anwesenheit - die Abschusszahl zu beeinflussen. "Wenn die Jäger wissen, dass wir fotografieren könnten, ballern sie nicht mehr wild darauf los. Wir haben auf diese Art vielleicht manchem gehetzten Jungtier das Leben gerettet", glaubt eine Sprecherin der Tierrechtsgruppe.
Die Jäger bliesen zum Halali. Foto: GeroldWährend Schlachter die angekarrten Jagdtrophäen aus Hygienegründen zeitnah zerlegen, sind die Schützen selbst beim Halali obenauf. Besonders eine Truppe aus Holland, die seit Jahren nach Lampertheim kommt, jubelt. Einer hat gleich sieben Wildschweine erlegt. "Der wird immer unser Schützenkönig", sagt sein Kollege freudig. Er selbst habe "leider nur eine halbe Sau" vorzuweisen.
Auf jeden Fall werde der niederländische Tross beim nächsten Mal wiederkommen. Dass das Töten von Tieren auch Spaß machen könnte, weist der Jägersmann jedoch stets zurück. Aber letztlich ganz abwegig scheint der Gedanke nicht zu sein, wenn man der fröhlichen Runde so zuhört. Die Entscheidung, selbst über Leben oder Tod eines Wildschweins zu entscheiden, habe ihren Reiz, gibt ein Teilnehmer zu.
Ob es tatsächlich auf absehbare Zeit eine nächste Treibjagd in dieser Region geben kann, davon sind die Tierschützer nicht mehr überzeugt. Das weitere Dezimieren der Population sei angesichts der rückläufigen Abschusszahlen gar nicht mehr zu verantworten, sagt Roger Miller. Den Hauptgrund für die Genehmigung der Gesellschaftsjagd, den Förster Ralf Schepp vorbringt, lässt der Aktivist nicht gelten: die Unfallhäufigkeit mit Wildtieren auf der L3111 sei inzwischen deutlich zurückgegangen.
Und über das Argument, mit Treibjagden die Afrikanische Schweinepest zu bekämpfen, kann er nur schmunzeln. Diese Fälle seien Hunderte von Kilometern weit weg festgestellt worden. Da sollten sich die Käufer des frisch zerlegten Wildschweinfleischs lieber Sorgen um die viel näherliegende Strahlenbelastung machen.