Von Alexander Albrecht und Olivia Kaiser
Mannheim. Ist weniger mehr? Oder anders gefragt: Kann eine deutlich geringere Zahl von größeren Krankenhäusern die Patienten in Deutschland besser versorgen? Falls die Autoren der Bertelsmann-Studie Recht haben, dann müsste sich Prof. Hans-Jürgen Hennes eigentlich freuen. Doch der medizinische Geschäftsführer des Mannheimer Uniklinikums als Maximalversorger ist von Euphorie weit entfernt. "Solche Veränderungen gehen ja nicht von heute auf morgen", sagt er. "Es wäre naiv zu glauben, dass plötzlich Hunderte Patienten mehr vor unserer Tür stehen."
Bereits heute arbeite die Uniklinik mit zahlreichen kleineren Häusern eng zusammen. "Ohne Zeitverzug", so Hennes, würden Patienten in Mannheim behandelt, die hoch spezialisierte Leistungen brauchten. Das war in der Vergangenheit am Uniklinikum ein Problem. Es behandelte zu wenige schwerst kranke Menschen, die - so zynisch es klingen mag - deutlich mehr Geld einbringen.
Die Uniklinik rutschte nach der Hygieneaffäre im Herbst 2014 und den daraus resultierenden, notwendigen Investitionen tief in die roten Zahlen. Ebenso trübte die Beteiligung an drei hochdefizitären Krankenhäusern in Südhessen die Bilanzen. Zweimal musste die Stadt aushelfen. Im Mai 2016 beschloss der Gemeinderat, dass die Kommune zu 100 Prozent für Darlehen der Universitätsmedizin in Höhe von 65 Millionen Euro bürgt. Doch das reichte nicht. Ende 2017 brachte der Rat ein umfangreiches "Rettungspaket" auf den Weg, das insgesamt 58 Millionen Euro an zusätzlicher Hilfe vorsah. Hennes, der seit Anfang dieses Jahres gemeinsam mit dem Kaufmann Freddy Bergmann die neue Doppelspitze an der Uniklinik bildet, geht davon aus, dass das Krankenhaus in den kommenden zwei Jahren keine weitere Unterstützung seitens der Stadt benötigt.
Die Zahlen fallen inzwischen freundlicher aus. So hat sich die Zahl der Patienten - auch der schwerst kranken - gegenüber dem Vorjahr etwas erhöht. Auch erreicht die Klinik in mehreren Abteilungen die gewünschte Bettenauslastung von 80 Prozent. Einen "leichten Aufwuchs" gibt es Hennes zufolge auch beim Pflegepersonal, um welches das Krankenhaus massiv geworben hatte. Das kleinere Theresienkrankenhaus schließt sich der Einschätzung des Katholischen Krankenhausverbands Deutschland (KKVD) an. "Abgehoben und realitätsfremd", findet dessen stellvertretender Vorsitzender Ingo Morell die Studie. "Der notwendigen Diskussion über die Zukunft der Krankenhauslandschaft hilft diese plakative Darstellung nicht weiter."
Mit Patientenorientierung habe ein solcher Vorschlag nichts zu tun. "Theresienkrankenhaus und St. Hedwig-Klinik ergänzen die Gesundheitsversorgung in der Metropolregion in guter Art und Weise", betont Kliniksprecher Christian Klehr. Seit 1. Januar gehört die Krankenhaus GmbH Theresienkrankenhaus und St. Hedwig-Klinik zur Unternehmensgruppe Barmherzige Brüder Trier (BBT-Gruppe).
Der Grund: Die verbliebenen Ordensfrauen des vorherigen Gesellschafters, die Barmherzigen Schwestern vom Heiligen Vinzenz von Paul, haben mittlerweile ein Durchschnittsalter von über 80 Jahren erreicht. Hinzu kommt laut Klehr ein Konsolidierungsprozess auf dem Gesundheitsmarkt, der es kleineren Häusern ermögliche, Synergieeffekte zu generieren und sich damit eine bessere wirtschaftliche Ausgangsposition zu verschaffen. Ein Beispiel ist die St. Hedwig-Klinik, wo vorwiegend die Fachabteilung Gynäkologie und Geburtshilfe untergebracht ist. "Das Haus genießt seit 90 Jahren einen hervorragenden und vor allem familiären Ruf als Entbindungsklinik", sagt Christian Klehr.
Den Patienten als Trost für längere Wege eine bessere Behandlungsqualität zu versprechen, ist laut Ingo Morell "Augenwischerei". Wo es auf Spezialwissen ankomme, sei die Zentralisierung schon heute geübte Praxis, vor allem bei Herzinfarkten und Schlaganfällen. Wolfgang Walter, Geschäftsführer des Diakonissenkrankenhauses Mannheim, lässt sich durch die Bertelsmann-Studie nicht aus der Ruhe bringen: "Seit Jahren wird aufgrund gesetzlicher Vorgaben die Qualität der medizinischen Versorgung gemessen." Für manche medizinischen Eingriffe wie Transplantationen gebe es zudem schon jetzt Mindestmengenvorgaben. "Das Diakonissenkrankenhaus organisiert Teile der Behandlung in Form von abteilungsübergreifenden Zentren und strebt jeweils Zertifizierungen durch die Fachgesellschaften an."
Ab nächstem Jahr wird auch das Diakonissenkrankenhaus Teil der BBT-Gruppe. "Der Trend zur Zentrenbildung setzt natürlich eine entsprechende Betriebsgröße voraus. Die angestrebte Zusammenführung der Häuser würde weitere Zentrenbildungen und Spezialisierungen erleichtern", erklärte Walter. Auswirkungen befürchtet er aufgrund der Studie gegenwärtig nicht. "Eine deutschlandweite Umsetzung dieser Ideen würde wohl Investitionen in deutlich zweistelliger Milliardenhöhe nach sich ziehen. Hierzu haben die Autoren keinerlei Aussage gemacht."