Matthias Hoffmann. Foto: Gerold
Mannheim. (alb) Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat den Haftbefehl gegen den ehemaligen Konzertveranstalter nach einer Beschwerde seiner Verteidigerin Denise Gerull außer Vollzug gesetzt. Hoffmann war am 26. Januar vom Mannheimer Landgericht wegen Bankrottdelikten und Insolvenzverschleppung in Zusammenhang mit den "Afrika! Afrika!"-Shows zu einer Freiheitsstrafe von viereinhalb Jahren verurteilt worden. Er soll als faktischer Geschäftsführer der Trägergesellschaft immer wieder hohe Beträge entnommen haben, um damit seine Verbindlichkeiten zu begleichen.
Unmittelbar nach der Urteilsverkündung ordnete die Große Wirtschaftsstrafkammer Untersuchungshaft an – wegen Fluchtgefahr, wie der Vorsitzende Richter Ulrich Bunk argumentierte. Hoffmann kam direkt in die Justizvollzugsanstalt Mannheim. Noch im Gerichtssaal legte Anwältin Gerull Beschwerde ein, die Begründung reichte sie einen Tag später nach. "Die damalige Entscheidung war völlig überzogen und unverhältnismäßig", sagte die Verteidigerin der RNZ. Ihr Mandant habe trotz gleichzeitiger Herz-Reha an sämtlichen Verhandlungstagen teilgenommen.
Das Urteil hat Gerull ebenfalls angefochten. Ihren Revisionsantrag will sie begründen, wenn ihr die schriftliche Fassung des Richterspruchs vorliegt. Nach wie vor ist die Anwältin überzeugt, dass vor einer Verurteilung des fast 70-Jährigen die in den Büchern eingetragene Geschäftsführerin – Hoffmanns Frau Faiza – hätte angehört werden müssen. Sie befindet sich nach Angaben ihres Mannes in Kenia und ist schwer erkrankt. In Deutschland liegt gegen sie ein Haftbefehl vor, dem ähnliche Vorwürfe wie gegen Matthias Hoffmann zugrundeliegen.
Update: Montag, 15. Februar 2021, 20.45 Uhr
Matthias Hoffmann soll für fast fünf Jahre hinter Gitter
Staatsanwalt fordert Haftstrafe, der Verteidiger einen Freispruch - Kritik wegen abgelehnter Vernehmung der Ehefrau
Von Alexander Albrecht
Mannheim.Für Staatsanwalt Alexander Oberdiek ist der Fall klar: Fast alle Anklagepunkte gegen Matthias Hoffmann hätten sich im Prozess vor dem Mannheimer Landgericht bestätigt. Deshalb beantragt er am Donnerstag, den ehemaligen Konzertveranstalter für vier Jahre und zehn Monate ins Gefängnis zu schicken. Oberdiek hält Hoffmann 35 Bankrottdelikte und Insolvenzverschleppung vor. Hauptvorwurf: Der einst gefeierte Impresario soll als faktischer Geschäftsführer der "Afrika! Zirkus & Veranstaltungs GmbH & Co. KG" insgesamt rund 1,4 Millionen Euro für firmenfremde Zwecke abgezweigt und damit das Unternehmen in die Pleite getrieben haben.
Weitere circa 360.000 Euro hat er nach Überzeugung des Staatsanwalts entnommen, als der Insolvenztatbestand bereits erfüllt war. Gläubiger und Mitarbeiter schauten in die Röhre. Hoffmann hat eingeräumt, mit 1,2 Millionen Euro Umsatzsteuerschulden beim Finanzamt Heidelberg beglichen zu haben – aber mit dem Einverständnis der im Handelsregister eingetragenen Geschäftsführerin. Das war seine Ehefrau Faiza. Oberdiek plädiert dafür, die 1,2 Millionen Euro bei Hoffmann einziehen zu lassen, zum Beispiel durch Pfändungen.
Insolvenzverwalter, Produktionsleiter, Buchhalter, PR-Manager: Der Staatsanwalt zählt eine ganze Reihe von vernommenen Zeugen auf, denen zufolge der 69-Jährige in der "Afrika!"-Gesellschaft den Ton angab. Wenig Glauben schenkt er der schriftlichen Erklärung von Faiza Hoffmann, die ihren Mann entlastet und die Verantwortung für das unternehmerische Handeln übernommen hatte.
Oberdiek beruft sich unter anderem auf E-Mails. Darin habe sich Matthias Hoffmann mit Mitarbeitern wegen ausbleibender Gehaltszahlungen auseinandergesetzt, Hotels für die Künstler gebucht oder Vertragsverhandlungen mit Medienpartnern geführt. Der Angeklagte beteuert, sich lediglich um das Marketing gekümmert zu haben. Dagegen glaubt der Staatsanwalt, dass er bei der Tournee 2013/2014 auch die Fäden bei der Produktion, Technik und der Personalpolitik zog. Hoffmann habe sogar entschieden, welche Musik bei den Auftritten der Artisten eingespielt wird und sogar bei der Kostümwahl mitgesprochen.
Für eine Überraschung sorgt der Kölner Strafverteidiger Ulrich Sommer. Er hatte sein Mandat zwischenzeitlich niedergelegt und folgt den Ausführungen Oberdieks auf einem Zuschauerplatz – um sich anschließend die Robe überzuwerfen. Er habe das Mandat wieder übernommen und werde statt Anwältin Denise Gerull den Schlussvortrag halten. In einem pointierten, energischen Plädoyer macht er der Staatsanwaltschaft und der Großen Wirtschaftskammer unter dem Vorsitz von Ulrich Bunk schwere Vorhaltungen. "Ich bin der festen Überzeugung, dass dieses Verfahren unfair ist", legt der impulsive Jurist los.
Das Ergebnis stehe seit Prozessbeginn fest. Sommer hat sogar den Verdacht, dass die Kammer willkürlich agiert. Es gehe dem Gericht nur darum, das gewünschte Urteil "mit schönen Worten zu bekleistern" und den Fall "schnell wegzukriegen". Insbesondere kritisiert Sommer den "mangelnden Aufklärungswillen" und die von Bunk abgelehnte Befragung Faiza Hoffmanns. Sie hält sich in Kenia auf und ist nach eigenen Angaben schwer erkrankt. Selbstverständlich sei Faiza Hoffmann nicht nur auf dem Papier die Geschäftsführerin gewesen, so Sommer.
Doch entspreche es der Lebenswirklichkeit, dass sich die Eventmanagerin privat mit ihrem Mann über "Afrika! Afrika!" ausgetauscht habe. Zumal dieser die erste Tournee zehn Jahre zuvor organisiert hatte. Wer gemeinsam getroffene Entscheidungen verkündet hat, ist aus Sicht Sommers unerheblich. Und: Nicht die Entnahmen von Matthias Hoffmann hätten den Bankrott verursacht, sondern der stark zurückgehende Zuschauerzuspruch, vor allem zur Weihnachtszeit 2013. "Deshalb ist mein Mandant freizusprechen – nichts anderes." Das Urteil soll nächsten Dienstag verkündet werden.