Einige „stumme Pfeifen“ liegen gestern Nachmittag bereits auf der Stadthallenbühne bereit für den Abtransport. Zwei Wochen wird der Orgelausbau dauern. Foto: Philipp Rothe
Von Holger Buchwald
Heidelberg. Wenn Karl Göckel über die Stadthallen-Orgel spricht, bekommt er leuchtende Augen: "Sie hat einen so wunderbaren romantischen Klang." 2013 hat er diesen Klang zum ersten Mal live gehört, auf einem gefeierten Konzert des jungen Organisten Cameron Carpenter im Rahmen des Klassikfestivals "Heidelberger Frühling". Die Voit-Orgel sei wie geschaffen, um darauf Werke von Max Reger oder der französischen Symphonik zu spielen, so Göckel.
Mehr als sieben Jahre später hilft der Orgelbaumeister mit seinen acht Mitarbeitern nach Kräften mit, dass dieses in seinen Augen ganz besondere Instrument der Nachwelt erhalten bleibt. Seit gestern wird die Orgel, die wie die Stadthalle selbst 117 Jahre alt ist, Pfeife für Pfeife und Teil für Teil abgebaut. Die bevorstehende Sanierung des Konzerthauses macht das notwendig.
Über zwei Stockwerke erstreckt sich die elf Meter breite und fünf Meter tiefe Orgel. Über ein Gerüst lassen Göckels Mitarbeiter am Montagnachmittag die 61 großen "stummen Pfeifen" auf die Bühne hinab. Es sind die einzigen, die das Publikum normalerweise sieht und die das eigentliche Instrument dahinter verdecken. Jede einzelne der insgesamt 3766 Pfeifen wird sorgfältig eingepackt und dann später in Epfenbach und Ziegelhausen eingelagert, wo Göckel seine Werkstatt hat. "Die großen Pfeifen müssen wir stellen, wenn wir sie hinlegen, könnte es sein, dass sie sich mit der Zeit verformen", klärt der Orgelbaumeister auf.
Die größten Pfeifen sind sechs Meter lang, die kleinste ist zehn Millimeter kurz. Sie sind aus unterschiedlichsten Materialien hergestellt: Holz, Zinn-Blei-Legierungen, Zink. Auch Filz und Leder sind in der Orgel verbaut. Bei der Einlagerung muss Göckel daher darauf achten, dass die Luftfeuchtigkeit sich immer zwischen 40 und 60 Prozent bewegt und die Temperatur nicht unter null Grad sinkt. Doch das ist für Göckel das geringste Problem. Er betreibt seine Firma seit 1983, hat schon viele Voit-Orgeln restauriert und selbst 80 eigene Orgeln gebaut, die größte in der Kirche St. Peter in Düsseldorf hat mehr als 60 Register.
Die Heidelberger Stadthallen-Orgel ist mit 56 Registern ebenfalls recht groß. Ob Göckel das Instrument aber auch selbst restaurieren darf, ist noch offen. Die Fragen der Auftragsvergabe und der Finanzierung sind nämlich noch ungeklärt. Nach den bisherigen Berechnungen wird die Sanierung des Konzerthauses 32 Millionen Euro kosten. Sie wird über Spenden finanziert, die Orgelrestaurierung ist darin aber noch nicht enthalten. "Heidelberg Marketing"-Chef Mathias Schiemer versichert, dass das Instrument auf jeden Fall wieder eingebaut wird. Derzeit schaue man, ob man auch Zuschüsse des Bundes aus einem Fördertopf von Orgeln mit besonderer Bedeutung bekommen könne.
Bis sie den warmen Klang ihrer Voit-Orgel wieder hören können, müssen sich unterdessen die Heidelberger auf jeden Fall noch gedulden. Nach kleineren Umplanungen – zum Beispiel wegen einer fehlenden eigenen Wasserleitung für die Anlegestelle der Weißen Flotte – rechnet Schiemer jetzt erst mit einem Wiedereinbau der Orgel im dritten oder vierten Quartal 2022. Von der Vorstellung, dass zuvor der "Heidelberger Frühling" in jenem Jahr wieder die Stadthalle nutzen könne, habe man sich verabschiedet.
Karl Göckel. Foto: Rothe