Heidelberg

Neuer Zoo-Kurator sezierte schon toten Pinguin aus dem Luisenpark

Tierarzt Eric Diener ist neuer Kurator für Vögel, Reptilien, Fische, Amphibien und Wirbellose - Er will den Zoo zu einer "Arche" machen

10.01.2020 UPDATE: 12.01.2020 06:00 Uhr 4 Minuten, 47 Sekunden
Eric Diener ist der neue Kurator für Vögel im Heidelberger Zoo. Die Hornvögel gehören zu den Tieren, die den studierten Tierarzt bei seiner Arbeit besonders faszinieren. Foto: Philipp Rothe

Von Timo Teufert

Heidelberg. Kleine spannende und vor allem bedrohte Tierarten, für die man nicht viel Platz braucht, will Eric Diener in den Heidelberger Tiergarten holen. Seit 1. Juni ist der Tierarzt Kurator für Vögel, Reptilien, Fische, Amphibien und Wirbellose und will mit einer gezielten Artenschutzarbeit den Zoo als "Arche" weiter ausbauen.

Im Vogelbereich hat sein Vorgänger Simon Bruslund damit bereits begonnen und bedrohte Inselarten wie die Socorrotauben und die Mitchell-Loris in den Zoo geholt. Diener will nun die bislang unterrepräsentierten Reptilien in den Fokus nehmen. So lebt seit Kurzem eine Zuchtgruppe von Strahlenschildkröten, die in freier Wildbahn auf Madagaskar vom Aussterben bedroht sind, im großen Affenhaus.

"Es gibt zahlreiche Schildkröten-Arten, die ausgestorben sind und von denen es nur noch wenige in Menschenhand gibt", berichtet Diener. An Nachzuchtprogrammen für solche Tiere möchte der 32-Jährige gerne mit dem Zoo teilnehmen. Als studierter Tierarzt ist er unter den Zookuratoren selbst ein Exot, denn die Stellen sind meist mit Biologen besetzt. "Vor dem Studium habe ich abgewägt, ob ich Biologie oder Tiermedizin studiere", sagt Diener. Er entschied sich für die Tiermedizin, denn dabei lerne man auch viel über die Biologie der Tiere, man könne sie aber gleichzeitig auch medizinisch versorgen: So kann er auch einen Waldrapp in Narkose legen, um ihm einen Chip zur Identifikation unter das Gefieder zu transplantieren.

Zum Tiermedizin-Studium zog es den gebürtigen Südpfälzer nach München, seit 2013 arbeitete er dort in der Exotenklinik der Uni München und schrieb parallel seine Doktorarbeit. 2015 wollte er mal etwas Neues machen und wechselte in die Pathologie des Chemischen und Veterinäruntersuchungsamtes nach Karlsruhe. Dort untersuchte er viele verendete Wildtiere und führte Untersuchungsreihen zu Tierseuchen wie der Vogelgrippe durch. "Das waren spannende zweieinhalb Jahre, denn man hat Einblicke in die Tiere bekommen", berichtet Diener. So sezierte er dort auch zahlreiche Zootiere, wie zum Beispiel eine Giraffe. "Da bekommt man erst einmal eine Vorstellung, wie groß manche Dinge sind." Denn das Herz einer Giraffe sei einen halben Meter groß.

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Diener war es auch, der in Karlsruhe den Humboldt-Pinguin "Nummer 53" untersuchte, der aus dem Mannheimer Luisenpark "entführt" worden war. Das kopflose Tier war nach einigen Tagen auf einem Parkplatz gefunden und dann für die weiteren Untersuchungen nach Karlsruhe gebracht worden. "Wir konnten feststellen, dass ein Raubtier den Kopf abgebissen hatte", erinnert sich Diener.

Auf Dauer wollte er aber nicht in der Pathologie bleiben, auch wenn ihm seine Zeit in Karlsruhe viel Wissen über die Zootierhaltung vermittelte: "Das war eine spannende Exkursion, die mir heute unheimlich bei der Prophylaxe von Haltungsfehlern hilft." 2017 kehrte er nach München zurück, heiratete seine Frau Eva und wurde Leiter der Exotenklinik. Dort hatte er es meist mit außergewöhnlichen Patienten zu tun. "Ich habe zum Beispiel den Gänsegeier ,Gundula’ aus Salzburg behandelt.

Sie lebte in einer frei fliegenden Kolonie und wurde auf der Straße vor dem Zoo angefahren und wir mussten mehrere Brüche behandeln." Doch nicht nur medizinisch sei "Gundula" ein interessanter Fall gewesen: Denn der Gänsegeier hatte auch seine eigene Seite im Internet und die behandelnden Ärzte mussten regelmäßig die Fangemeinde mit Neuigkeiten versorgen.

Schon von klein auf hatte Diener ein ausgeprägtes Interesse an Tierbeobachtungen und am Natur- und Artenschutz. "Nach dem Abitur war ich ein halbes Jahr auf einer kleinen Insel, die zu Honduras gehörte. Dort gibt es den Utila-Schwarzleguan, der nur auf dieser Insel vorkommt und der durch die Jagd, die auf ihn gemacht wird, vom Aussterben bedroht ist." Von der Feldforschung über den Fang von trächtigen Weibchen bis zur Umweltbildung reichten Dieners Aufgaben bei dem Projekt der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt.

"Das war eine wirklich interessante Erfahrung und wir haben es erfolgreich geschafft, die Inselbewohner davon zu überzeugen, dass sie die Art aus eigenem Antrieb erhalten." Dank des Projekts konnten die schlimmsten Auswirkungen der Jagd beseitigt und ein Hotelneubau verhindert werden, der in dem Schutzgebiet entstehen sollte, in dem die Leguane ihre Eier ablegen. Eine wichtige Erkenntnis hat Diener von diesem Einsatz mitgenommen: "Erfolgreicher Naturschutz ist nicht nur durch die Kenntnis der Biologie der Tiere möglich, sondern auch durch den Umgang mit Menschen."

Nach dem Zivildienst in einer Behindertenwerkstatt machte sich Diener zu einem Feldforschungsprojekt über Tapire fernab der Zivilisation nach Argentinien auf. "Das Ziel war dort, im subtropischen Regenwald die Grenzen für ein Schutzgebiet festzulegen", erinnert er sich. Dort gab es weder Strom noch Handyempfang, die nächste Rangerstation war zehn Kilometer von den kleinen, unbeheizten Hütten entfernt. "Bis zum nächsten Dorf war es noch mal eine komplette Tagesfahrt von der Rangerstation aus", schildert Diener die Situation. Passieren durfte deshalb möglichst nichts.

Doch die Gefahren lauerten überall: "Jeden Tag habe ich dort zwischen 20 und 25 Kilometer zu Fuß zurückgelegt, um Fotofallen zu kontrollieren." In einem Bereich, in dem es giftige Schlangen und Dornenpflanzen genauso gibt wie Vogelspinnen. "Einmal hatte sich über Nacht eine Vogelspinne in meinen Stiefel zurückgezogen. Ich habe das erst gar nicht bemerkt, erst zehn Minuten, nachdem ich den Stiefel angezogen hatte, pikste mich etwas am Fuß", erinnert sich Diener. Er habe dann mit der Hand in den Stiefel gefasst, ohne zu wissen, was sich darin befand. Passiert ist beim Herausholen zum Glück nichts: "Wenn die Spinne mich gebissen hätte, wäre das nicht gut ausgegangen."

Während seiner Studienzeit machte Diener zahlreiche Forschungspraktika, unter anderem 2009 im Heidelberger Zoo und in Indien. Dort arbeitete er in einer Nachzuchtstation, in der über 4000 Krokodile leben, die vom Aussterben bedroht sind. Es zog den leidenschaftlichen Wanderer und Kletterer, der in seiner Freizeit auch gerne bouldert und im Urlaub ausgedehnte Hüttentouren macht, aber auch nach Namibia und auf der Suche nach dem Nördlichen Huemul – einer Hirschart – auch auf einen 4200 Meter hohen, namenlosen Berg in den Anden. Auf der Insel Helgoland beobachtete er an der Vogelwarte die dort brütenden Watvögel.

"Mir ist es ein Anliegen, mich aktiv am Artenschutz zu beteiligen. Das ist eine Leidenschaft von mir, die ich gerne zum Beruf machen wollte", erklärt der Vater eines eineinhalb Jahre alten Sohnes seine Bewerbung für die Kuratoren-Stelle. Denn der Zoo sei überregional für seine Arbeit im Artenschutz bekannt, weil er sich – für seine Größe – überproportional für dieses Thema engagiere. Diener sah deshalb die Möglichkeit, hier etwas zu bewegen. "Der Zoo als Arbeitsplatz ist super schön. Man kann jeden Tag durch die Tierwelt spazieren", freut er sich über seine neue Arbeitsstelle, die ihn auch wieder näher an die alte Heimat brachte.

Als Kurator nimmt er übergeordnete Aufgaben wie die Planung neuer Gehege, Personalentscheidungen und die wissenschaftliche Betreuung der Tiere wahr. Auch für die Entwicklung des Tierbestandes in seinem Bereich – für die Säugetiere ist seine Kollegin Sandra Reichler zuständig – wie die Nachzucht und den Kontakt zu den Erhaltungszuchtprogrammen ist er verantwortlich. "Es ist so gut, wie ich es mir vorgestellt habe. Der Job ist sehr abwechslungsreich und schlägt die Brücke zwischen theoretisch-fachlichen und praktischen Aufgaben", so der 32-Jährige. Auch wenn er ihm für sein Hobby, die Naturfotografie, keine Zeit mehr lasse.

Zwei Tiergruppen faszinieren ihn dabei besonders: Die Schildkröten als unterschätzte Überlebenskünstler und am stärksten bedrohte Wirbeltiergruppe sowie die Hornvögel. "Die Hornvögel haben nicht nur ein imposantes Äußeres, auch ihr Brutverhalten ist besonders. Die Eltern opfern sich für die Jungtiere auf", erklärt Diener. Denn die weiblichen Vögel mauern sich mit einer Art Lehm in Bruthöhlen in alten, hohlen Baumstämmen ein, bis nur noch der Schnabel des Männchens reinpasst, das für die Futtersuche zuständig ist. "Das Weibchen ist zu 100 Prozent vom Männchen abhängig. Denn es mausert sich in der Bruthöhle und verliert auch seine Schwungfedern und kann deshalb nicht mehr fliegen", berichtet Diener. Auch deshalb binden sich die Vögel lebenslang aneinander.

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