Von Jutta Biener-Drews
Eberbach. Ruhig ist es geworden um den Bürger- und Heimatverein. Diesem Verein, der Eberbach einmal mit Oster- und Kreativmarkt zu lukrativen Großveranstaltungen mit Breitenwirkung, zu originellen Einrichtungen wie dem Zinnfigurenkabinett im Haspelturm oder zu den Skulpturen alten Eberbacher Gewerbes in der Neckaranlage verholfen hat. Der sich darauf verstanden hat, Althergebrachtes neu erlebbar zu machen. Inzwischen fehlt es dem BHV an allem: An Mitgliedern, an verlässlichen Helfern, an Nachwuchs, an Geld in der Kasse – und, so hat es zumindest den Anschein, an Ideen. Hat sich der BHV an der Schwelle zum 150-jährigen Jubiläum überlebt? Ist von ihm, dem es um "Brauchtums- und Erinnerungspflege" geht, noch mehr zu erwarten als der Martins- und Sommertagszug? Oder kreist er nur noch um sich selbst? Einen wie Jens Müller lassen solche Fragen natürlich nicht kalt. Aber als amtierender Vorsitzender lässt er sie sich gefallen. Denn er ist überzeugt: Die Existenzberechtigung des BHV ist unstrittig!
Dabei war es Müller selbst, der mit seinem ernüchternden Bericht in der letzten Hauptversammlung eine Art Endzeitstimmung heraufbeschwor mit seinem gezielten Seitenhieb gegen die Mitglieder: "Der Bürger- und Heimatverein ist kein Projekt der Familie Müller!" Tatsächlich stützt sich der BHV mittlerweile hauptsächlich auf das Engagement der eigenen Angehörigen, erklärt der 43-Jährige: Bruder, Schwester, Ehefrau und inzwischen schon zwei der drei Kinder, Schwägerin und Schwager, Neffe, Nichte und der eigne Vater bringen sich kräftig ein. Während es von außen, ärgert sich Jens Müller, "gerade für die Umzüge zwar immer viel Zuspruch gibt, auch Verbesserungsvorschläge, aber zum Mitmachen keiner bereit ist".
An Jens Müller prallt derlei nicht einfach ab. Müller ist Eberbacher mit Leib und Seele und bei allem, was den BHV betrifft, mit dem Herzen dabei: "Eberbach ist meine Stadt! Wenn jemand was Schlechtes über Eberbach sagt, tut mir das weh!" Schon in Schülertagen konnte der 43-Jährige nie nachvollziehen, wenn Klassenkameraden nach dem Abschluss so schnell wie möglich das Weite suchen wollten, erzählt er. Auch ist dem bekennenden "Vereinsmeier" Müller, der für die SPD im Gemeinderat sitzt, ehrenamtliches Engagement besonders wichtig. Fanfarenzug, Handballgesellschaft, KG Kuckuck, Urmel, SG Rockenau, Depot, Schützenverein können auf ihn zählen.
BHV-Vorsitz führt er seit 2011 als Nachfolger des zwischenzeitlichen Ehrenvorsitzenden Günter Lipski. Der hat als Ideengeber, Netzwerker, Macher und begnadeter Selbstdarsteller große Fußstapfen hinterlassen. "Wir setzen auch weiter auf seine tatkräftige Mithilfe, nicht nur als Projektleiter der Brunnenpaten, die er ja ins Leben gerufen hat", ist Müller voll des Lobes. Doch als Lipski den Vorsitz vor neuen Jahren abgab, stand der BHV kurz vor der Auflösung. Laut Müller glaubten damals alle, "in einem Jahr wird es den Verein nicht mehr geben!" Müller, damals Vizevorsitzender, wollte den Spitzenposten gar nicht übernehmen. "Aber wenn’s die Umzüge nicht mehr gegeben hätte, das wäre für mich ein Drama gewesen!" Jens Müller übernahm das Amt unter der Voraussetzung, dass die Vereinsarbeit nicht mehr so hochtourig lief: Es wurde "abgespeckt".
Den großen Märkten in der Stadthalle war der BHV da personell längst nicht mehr gewachsen. Der Lionsclub trat die Nachfolge an. Auch das Zinnfigurenkabinett musste aufgegeben werden. "Das wurde zum Schluss auch nicht mehr angenommen", sagt der Vorsitzende. Der nicht barrierefreie Haspelturm und die überwiegend älteren Besucher: Das wollte nicht mehr zusammenpassen. Hinzu kamen die hohen Kosten für den BHV.
Seither bäckt der Verein also kleinere Brötchen. Herzstück der Arbeit sind die zwei Umzüge. Die Brunnenputzer arbeiten weiter unter seiner Regie, man organisiert Ausflüge in die Region mit heimatlichem Bezug. Als Veranstaltung neu hinzu kam bei Fastnachter Müller die Geldbeutelwäsche am Aschermittwoch. Darüber hinaus pflegt der BHV die Erinnerung an verdienstvolle frühere Vorsitzende durch das Aufstellen von Sitzbänken plus Gedenkstein an schönen Plätzen in der Eberbacher Natur. Joachim-Viebig-Ruhe und Fritz-Heuß-Ruhe kamen zuletzt dazu. Dies, so der 43-Jährige, habe beim BHV Tradition, und verweist auf Freiherr-von-Stetten-Rampe, Theodor-Frey-Ruhe, Lipski-Stein und Ernst-Hohn-Pavillion. "Das sind Persönlichkeiten, die viel für die Stadt getan haben. Die Gedenksteine haben sie sich verdient!".
Anno 1871, zeitgleich mit dem Deutschen Reich, wurde der BHV als "Verschönerungsverein" gegründet. Wie er sich zum 150-jährigen Jubiläum im nächsten Jahr präsentieren wird, damit will Jens Müller erst im Oktober bei der Mitgliederversammlung herausrücken. Nur soviel: Es soll nicht ein großes, sondern übers Jahr verteilte kleinere Projekte geben. Etwas von "bleibendem Wert" sei auch darunter, verspricht Müller. Man wird sehen. Dass der Verein vor allem sich selbst und die Seinen feiert, ist aber nicht zu gewärtigen. Denn, wie Jens Müller an anderer Stelle betonte: "Das ist nicht unser Stil".