Von Jutta Biener-Drews
Hirschhorn. Viele Wildbienenarten könnten bald für immer verschwinden. Zu wenig Nistplätze, zu wenig Nahrungsquellen. Die Gründe dafür werden Jahr für Jahr in den Medien benannt - in Verbindung mit Forderungen von Naturschutzverbänden und aus der Politik, Grünflächen im öffentlichen Raum doch "naturnäher" zu gestalten. Denn hier lassen sich wichtige Lebensräume selbst auf kleinstem Raum schon dadurch schaffen, dass man Grünflächen nicht zu früh mäht und Wildblumen blühen lässt, die für Bienen überlebenswichtige Pollen und Nektar produzieren. "Je früher und je häufiger Schnittmaßnahmen durchgeführt werden, desto weniger Pflanzen kommen zur Blüte und die Artenvielfalt nimmt ab", wird die Bundesregierung im Deutschen Bienen-Journal zitiert. Doch damit ist es so eine Sache. Denn dass natürliche Belange im städtischen Raum mit menschlichen Interessen kollidieren, ist kaum zu vermeiden. Und dass sich Bürger, die nach gepflegtem, kurz geschorenem Grün verlangen, in aller Regel eher Gehör verschaffen, ist allenthalben zu beobachten. Auch in Hirschhorn. Anrufe von Leuten, die sich an hohem Gras und Wildblumen mehr stören als weiden, gehen immer ein im Rathaus bei Bürgermeister Oliver Berthold. Wenn das Gras geschnitten ist, rühre sich dagegen keiner, um sich darüber zu beschweren, hat der Bürgermeister festgestellt.
Verkehrt wäre das sicher nicht. Zumal dies ja nicht nur im Sinne von Bienen und Insekten geschähe, sondern auch der Schutzschirmkommune Hirschhorn entgegen käme. Schließlich entlastet es auch die Stadtkasse, wenn der Pflegeaufwand auf öffentlichen Grünflächen zurückgeschraubt wird.
Aber viele Bürger stellen sich quer. "Städtisches Grün muss in den Augen der meisten Leute topp gepflegt und sauber sein", hat auch Bienenzüchter Heinz Hess erfahren. Hess wohnt in Ersheim oberhalb des Kinderspielplatzes an der Neckarschleife. Der Bauhof, sagt der Imker, "mäht hier immer zu früh. Da können noch nicht einmal Löwenzahn und Gänseblümchen ausblühen". Dass dies aus Ordnungsgründen geschieht, leuchtet Hess zwar ein. Aber er würde sich doch etwas mehr Zeit für die Natur wünschen. "Auf dem Wiesenstück darunter, das zur Schleuse gehört, dürfen Blumen und Gräser länger bleiben". Das Grundstück wurde erst jetzt, Anfang Juni, gemäht.
Auch auf der Wiese jenseits der Bahngleise hin zum Michelberg-Hang hat die Stadt schon früh und gründlich mit schwerem Gerät radikal "aufgeräumt". Die Reifenspuren des Radladers durchfurchen die Grünfläche noch heute; was an Gräslein und Hälmchen nachwächst, ist mehr als kümmerlich. Oliver Berthold verteidigt den massiven Maschineneinsatz: "Man kann auf solchen Flächen nicht mit der Harke vorgehen. Und entsorgen müssen wir den Grünschnitt, weil sich sonst Unkräuter einbringen".
Berthold ist auch der Ansicht, dass es Städte gibt, zugepflasterte Städte, die wesentlich mehr Handlungsbedarf in Sachen Naturgrün hätten als Hirschhorn.
Unabhängig davon haben hier Umweltbeauftragter Werner Hildwein und Stadtgärtnerin Lisa Langer großen Einfluss auf die Gestaltung der städtischen Grünflächen, so Berthold. Hildwein, zuständig auch für Neckarsteinach, gelinge es mit seinen Naturschutzprojekten auch immer wieder, "irgendwelche Töpfe dafür aufzutun", wenn es der Stadt an allen Ecken und Enden mangelt, freut sich der Bürgermeister.
Wenn Hirschhorn auf eine Anlage wirklich hält, dann ist es der "Familienpark" Wolfenacker. An prominenter Stelle zwischen Lachsbach und Jahn-straße gelegen, bietet das Vorzeige-Grün außer dem einladenden Anblick die Vereinigung all dessen, was man sich im städtischen Raum wünschen kann: kurzen gepflegten Rasen zum Ausruhen oder Austoben, Ruhebänke in Heckennischen, stattliche Bäume, schöne Aussicht, eine "Insel", auf der Pfefferminze gedeiht und einen zirka 60 auf 1,70 Meter großen Blühstreifen mit heimischen Blumen. Hier finden nicht nur Menschenaugen reiche Nahrung, hier holen sich auch Wildbienen und andere Insekten, was sie zum Leben brauchen. Und machen, mit Gebrumm von Blüte zu Blüte fliegend, von dem Angebot auch fleißig Gebrauch. "Dieser Streifen", erklärt der Bürgermeister, "wird von uns richtig gepflegt". Naturblumen sollen hier richtig schön wachsen und gedeihen.
Was den Umgang mit kleineren Flächen wie dem sogenannten Straßenbegleitgrün angeht, fehlt laut Berthold noch ein Konzept, "das kann noch ein, zwei Jahre dauern". Die betreffenden Grünflächen seien zum Teil nur "winzige Zipfelchen" und alles andere als pflegeleicht. "Aber die Nachbarn mögen es nicht, wenn’s nicht gepflegt ist". Ein Landtausch, so eine Art Flurbereinigung, könnte es vielleicht richten, oder ein Partnerschaftsvertrag mit der Stadt.
Eine Lösung fällt dem Bürgermeister auch für den Mangel an Nistplätzen für Wildbienen ein: in den Ortsteilen könnte man ja vielleicht Holzkästen aufstellen.