Dr. Patrick Schottmüller (r.) war Notarzt beim Eberbacher Busunglück: "Jonas, Du stehst hier als Beispiel dafür, warum wir alle das überhaupt machen!". Foto: Michael Genzwürker
Buchen. (rnz) 371 notfallmedizinisch Interessierte trafen sich zum "Odenwälder First Responder Tag" (OFIRTA) in der Stadthalle. Rund um die Uhr sind "First Responder", also qualifizierte Ersthelfer oder "Helfer vor Ort" (HvO), in ihren Gemeinden einsatzbereit, um die Zeit bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes zu überbrücken und so ehrenamtlich teils lebensrettende Hilfe zu leisten. Für diese Helfer organisieren die Leitenden Notärzte mit dem Förderverein psychosoziale Notfallversorgung (PSNV) im Neckar-Odenwald-Kreis jährlich eine ganztägige Fortbildungsveranstaltung.
Zielsetzung ist es, durch gemeinsame Fortbildung verschiedener Fachdienste die Zusammenarbeit bei der Notfallversorgung weiter zu optimieren. Wichtiges Element war der Austausch der Teilnehmer untereinander. Im Rahmen einer Ausstellung unterstützender Firmen und des Fördervereins PSNV konnten zusätzliche Infos eingeholt werden.
Würdigung erfuhr das Engagement durch OFIRTA-Schirmherrn Dr. Achim Brötel, Bürgermeister Roland Burger als Präsident des DRK-Kreisverbandes Buchen sowie Bundestagsmitglied Alois Gerig. Sie betonten den unschätzbaren Wert der gelebten Nachbarschaftshilfe, mit der die Einsatzkräfte bei zeitkritischen Notfällen zur Verfügung stehen.
Begeistert von der wachsenden Teilnehmerzahl mit neuerlichem Rekordergebnis zeigte sich Priv.-Doz. Dr. Harald Genzwürker, Sprecher der Gruppe Leitender Notärzte und Organisator des OFIRTA. "Wir freuen uns, dass so viele Engagierte sich die Zeit nehmen, um sich weiterzubilden." Aus Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Rheinland-Pfalz, dem Saarland und sogar aus Thüringen reisten Teilnehmer an.
Einen Einblick in die Alarmierung von Helfern beim Kreislaufstillstand über Smartphone gab Stefan Prasse, Geschäftsführer von Mobile Retter aus Köln. Das seit Oktober im Neckar-Odenwald-Kreis als Pilotprojekt aktive System soll dazu beitragen, dass mehr Menschen wiederbelebt werden können. Unterschied zur Alarmierung über Funkmeldeempfänger ist, dass über das Smartphone der Aufenthaltsort des Helfers zur Verfügung steht und so die Retter mit der kürzesten Entfernung zum Patienten aktiviert werden können.
Nachdem 2018 die "Verordnung des Innenministeriums über die Mitwirkung von Helfer-vor-Ort-Systemen in Ergänzung zur Notfallrettung" veröffentlicht wurde, stellte Dominic Burger-Graseck, Kreisbereitschaftsleiter des DRK-Kreisverbandes Buchen, die Inhalte vor. Diese Rechtsverordnung soll die HvO-Systeme regeln, bietet aber Diskussionsbedarf.
Beeindruckend waren die Zahlen zum Umfang des freiwilligen Engagements: Im Gebiet des DRK-Landesverbandes Baden-Württemberg leisteten über 3500 Helfer in 767 HvO-Gruppen im Jahr 2017 etwa 59.000 Einsätze.
Einen Einblick in Einsätze im Gleisbereich gab Björn Wasenko von der Deutschen Bahn. Seine Tätigkeit als Notfallmanager bringt ihn in Kontakt mit Einsatzkräften aller Organisationen, ihm war es ein Anliegen, diese für die Gefahre im Schienenbereich zu sensibilisieren.
Über die ehrenamtliche Rettungshundearbeit informierte Friedrich Reichert, Leiter der Rettungshundestaffel der Feuerwehr Buchen. Mehrere Hundestaffeln verschiedener Hilfsorganisationen sind in der Region aktiv. Neben den Voraussetzungen für einen sinnvollen Einsatz der "Helfer auf vier Pfoten" bei Sucheinsätzen stellte Reichert dar, welche Grenzen für die Arbeit mit Hunden gesetzt sind. Wichtiges Element sei die Landesarbeitsgemeinschaft Rettungshunde, durch die Ausbildung und Alarmierung überregional koordiniert werden sollen.
Zum Umgang mit Suizidankündigungen referierte Tobias Link, Oberarzt am Psychiatrischen Zentrum Nordbaden in Wiesloch und Koordinator des Bündnisses gegen Depression im Neckar-Odenwald-Kreis. "Das ist kein seltenes Geschehen", wies er auf die jährlich fast 10.000 Selbstmorde in Deutschland hin, etwa die dreifache Zahl der Verkehrstoten. Wichtiges Anliegen war ihm, Ängste zu nehmen; durch Ansprechen von Selbstmordgedanken könne man diese genau so wenig auslösen wie Schmerzen - ohne Nachfrage könne man aber beides nicht behandeln.
Henning Waschitschek (PSNV) widmete sich der Problematik, wie Angehörigen und Einsatzkräften Hilfsangebote nach einer Suizidhandlung gemacht werden können. Worte zu finden, sei manchmal kaum möglich. Er riet, "Schweigen auszuhalten", sich Zeit zu nehmen und Unterstützung anzufordern. In erster Linie gehe es darum, in einer extremen Ausnahmesituation Zuwendung spürbar zu machen.
Ein emotionaler Moment war das Aufeinandertreffen des Leitenden Notarztes Dr. Patrick Schottmüller aus Eberbach mit dem 18-jährigen Jonas aus Hainstadt, der beim Busunfall am 16. Januar schwerstverletzt wurde und sich dank guter Versorgung erholen konnte, aber noch mit den Folgen kämpfen muss.
Der Notfallmediziner berichtete wie es gelang, die große Zahl von 44 Verletzten innerhalb von weniger als einer Stunde zu versorgen. Er brach eine Lanze für das ehrenamtliche Engagement, denn ohne diese Einsatzkräfte ließen sich solche Großeinsätze nicht bewältigen. Das gute Zusammenspiel des Rettungsdienstes aus dem Rhein-Neckar-Kreis und den Nachbarkreisen mit den Schnelleinsatzgruppen und Helfern vor Ort zeige, wie wichtig Investitionen in diesen Bereich seien. Auch Punkte, die nicht optimal gelaufen seien, thematisierte er und ermutigte zu gemeinsamen Übungen.
Abschließend ermunterte Genzwürker, die ehrenamtlichen Rettungskräfte, ihr Engagement fortzusetzen.
Info: Die nächste OFIRTA ist am 23. November 2019. Weitere Infos unter www.ofirta.de