Mannheim

Erwachsenwerden im Super-Mario-Modus

Blubbrig-buntes Spektakel: Beim B-Seite Festival in Mannheim fließen eine Woche lang Musik und visuelle Kunst ineinander über.

15.05.2025 UPDATE: 15.05.2025 04:00 Uhr 2 Minuten, 2 Sekunden

Foto: Staszkiewicz

Von Marco Partner

Es wirft den Blick auf eine Nische, ist selbst aber schon lange keine Randerscheinung mehr. Das B-Seite Festival, das mit Konzerten und Ausstellungen das Zusammenspiel von Klang, Bild, Raum und Bewegung in den Fokus rückt, feiert sein 18-jähriges Bestehen – und zieht dafür erstmalig in die Alte Feuerwache. Vom 17. bis 24. Mai wird sich das Kulturhaus am Neckar in ein Labor für ästhetische, technologische und gesellschaftliche Experimente verwandeln. Auch mit einem Handy-Kultspiel gibt es ein Wiedersehen.

Ein Festival für visuelle Kunst und Jetztkultur? Was sperrig klingt, leuchtet ein, wenn man vor Ort ist. Die Berliner Band KUF gibt einen kleinen Vorgeschmack: Beim Pressetermin unterhält das Trio mit einem Mix aus Jazz, House und Ambient. Ein basslastiger, blubbrig-quietschender Sound. Als wäre man mit Super-Mario im Sternemodus unterwegs. Sphärisch, treibend, progressiv – und visuell eindrucksvoll.

Denn die B-Seite-Performances sind immer auch ein optisches Erlebnis. Zu den Klängen tanzen im Hintergrund Farben und Formen. Dreidimensionale Origamimuster brechen aus der Leinwand heraus, animierte Manga-Explosionen sorgen für eine immersive Erfahrung. "Aber es sind keine willkürlichen Bilder. Musik- und Bildgestalter arbeiten eng zusammen", erklärt Benjamin Jantzen, Videokünstler und Hauptorganisator des Festivals, das vom Verein für visuelle Kunst und Jetztkultur inszeniert wird.

Live-Cinema ist der Oberbegriff für ein junges Genre innerhalb der Neuen Medien. Durch den Mix von Videoclips, audiovisuellen Samples, KI-Generatoren, Sensorik und Soundwelten können die Künstler experimentieren und improvisieren. Und die internationale Szene wächst. Zu den Performances der B-Seite werden Gäste aus Belgien, Frankreich, Serbien und Italien erwartet. Das Brüsseler Kollektiv ALEA(s) (Samstag, 20 Uhr) etwa setzt auf ein Erlebnis aus Live-Zeichnung, Videoanimation und Electro.

Paul Vivien aus Rennes bewegt sich mit "L’Harmonie De Notre" (Donnerstag, 21.30 Uhr) an der Schnittstelle von Kunst und Wissenschaft. Sein Thema ist die Vorstellung von irdischen Landschaften nach dem Ende menschlicher Aktivität. "Es ist ein Newcomer- und Entdecker-Festival. Manche unserer Gäste haben danach Karriere gemacht", sagt Jantzen, der selbst am Sonntag ab 20 Uhr performen wird.

Doch die B-Seite hat noch einen zweiten Teil: Digitale Kunst wird nicht nur musikalisch als kollektiver Erlebnisraum erfahrbar. So beziehen festivalbegleitende Ausstellungen das Publikum mit ein. Von interaktiven Videoinstallationen über KI-gestützte Interfaces bis hin zu spielerischen Großformaten werden Themen wie Umwelt, Robotik, KI, Sprache und Identität im wortwörtlichen Sinn beweglich gemacht. Mit "Snake" kehrt das ikonische Handyspiel der 00er-Jahre als körperlich erfahrbares Remake zurück. "Auf einer großen Fläche kann es von zwei bis vier Personen mit Pedalen gespielt werden", sagt Jantzen – und muss selbst an die digitalen Anfänge in den 2000ern denken. Als Gegenentwurf zum Internationalen Filmfestival Mannheim-Heidelberg (sozusagen der A-Seite) begann die B-Seite. "Durch den damaligen Umzug des IFFMH auf die Rheinterrassen konnten wir als ehemalige Mitarbeiter keine experimentellen Arbeiten mehr zeigen", erinnert sich Jantzen.

Also gab’s in der Umkleidekabine des Sportplatzes die erste Ausgabe – "ganz klein, mit nur einer Videoinstallation." Dann öffnete das Zeitraumexit die Türen für das Festival. Durch den Umzug in die Quadrate aber wurden die Räume zu klein. "Also haben wir bei der Alten Feuerwache angefragt und wurden mit offenen Armen empfangen", freut sich der Kurator nun auf die 16. Ausgabe und den 18. Geburtstag der B-Seite – "wir sind erwachsen geworden!"

Info: Ab Samstag, 17. Mai, in der Alten Feuerwache. Eintritt zu allen Veranstaltungen auf Spendenbasis. www.jetztkultur.de