"Ich werde meine Enkel bitten, mir das Handy wegzunehmen"
Kraftklub veröffentlichen ihr neues Album "Sterben in Karl-Marx-Stadt". Im März kommt die Band nach Stuttgart.

Von Steffen Rüth
Im Interview beantworten Kraftklub-Sänger Felix Kummer und -Gitarrist Steffen Israel die Frage, was sie gegen Alterskonservatismus unternehmen, und welchen Beitrag sie im Kampf gegen Rechtsextremismus leisten.
Die fünf Chemnitzer haben nichts verlernt. Auch auf ihrem neuen Album "Sterben in Karl-Marx-Stadt" powerrocken Kraftklub, die seit 15 Jahren mit Hymnen wie "Songs für Liam", "Schüsse in die Luft" oder "Fahr mit mir" für die Verbindung von Spaß, Energie und Haltung stehen, leidenschaftlich vor sich hin. Es geht um Tod, Liebe und Alterskonservatismus. Darüber sprach die RNZ mit Sänger Felix Kummer (36) und Gitarrist Steffen Israel (40) in Berlin.
Felix, Steffen, wenn man euch live sieht, glaubt man kaum, dass es Kraftklub schon seit gut 15 Jahren gibt. Wie seid ihr so lange so frisch geblieben?
Felix Kummer: Dank unseres Publikums. Die Energie unserer Fans überträgt sich irgendwie auf uns. Manchmal fühlt sich alles rund um Kraftklub an, als befänden wir uns in einer Zeitblase. Jetzt, da es endlich wieder richtig losgeht, spüren wir, dass diese Euphorie vom Anfang direkt wieder da ist.
Was habt ihr während der Bandpause getrieben?
Kummer: Wir haben Freundschaften gepflegt und Zeit mit Menschen verbracht, die sonst zu kurz kommen. Wir haben einfach gelebt.
Wodurch habt ihr gespürt, dass ihr wieder Lust habt auf neue Musik?
Israel: Wir waren in Mexico City, haben zwei Konzerte als Vorband von Panteón Rococó gespielt und noch zwei eigene Clubshows drangehängt. Parallel feierte Mexiko den Día de los Muertos, und wir waren sehr beeindruckt, wie dort mit dem Tod umgegangen wird. Nämlich nicht auf so eine verschlossene Art wie bei uns. Sondern fast schon mit einer gewissen Fröhlichkeit. Der Tod gehört dort selbstverständlich zum Leben dazu.
Kummer: Der Tod beschäftigt mich schon lange, denn leider passiert es, dass er einem begegnet. Und das muss nicht einmal am Alter liegen, bei mir im Leben ist der Tod schon seit langem präsent. Nur hatte ich nie so richtig einen Weg gefunden, das Thema in der Musik aufzugreifen. Mexiko war in dieser Hinsicht ein echter Erweckungsmoment für uns.
"Wenn ich tot bin, fang ich wieder an" heißt eines eurer Lieder. Wie hängen Leben und Tod für euch zusammen?
Kummer: In "Wenn ich tot bin" beschreiben wir das Jenseits als großen Rave mit vielen Freunden – auch, um uns selbst ein bisschen die Angst zu nehmen. Als Atheist muss ich mir ja irgendwie eine alternative Vision für das Leben nach dem Tod schaffen, sonst ist der Ausblick schon sehr düster. Und so abgegriffen es klingt: Sich mit dem Tod zu beschäftigen, bedeutet, dass man anfängt, das Leben mehr wertzuschätzen. Und lernt, hinwegzusehen über die Misthaufen, in die man im Leben so tritt.
Der Tod ist das eine große Thema auf eurem Album, die Liebe das andere.
Kummer: Bewusst war das nicht, aber wir können der Idee viel abgewinnen, dass das Gegenteil vom Tod nicht das Leben ist. Sondern die Liebe. Okay, jetzt höre ich mich an wie ein Schlagersänger, aber wenn man sich mit dem Tod auseinandersetzt, setzt man sich auch mit dem Leben auseinander und kommt natürlich zu der Frage, was denn eigentlich die Essenz des Lebens ist, wonach man strebt und was man sucht. Und ein Gedanke ist: So lange man einander hat, kann einem nichts passieren. Vielleicht schafft es nicht einmal der Tod, so eine richtig innige Zweisamkeit zu beenden.
In eurem Song "So rechts" sagt ihr: Irgendwann ist man so alt, dass man gar nicht mehr anders kann, als konservativ zu werden.
Kummer: Wir werfen die Frage auf, ob das Entdecken der eigenen reaktionären Ader zwingend verbunden ist mit einer Midlife-Crisis. Oder ob man dagegen etwas tun kann. Es ist ja leicht, mit dem Finger auf Menschen zu zeigen, die sich im Alter verändern und plötzlich komisch äußern. Aber ereilt dieses Schicksal uns irgendwann selbst?
Welche Symptome einer neuen Konservativität stellt ihr an euch fest?
Kummer: Noch nicht allzu viele. Höchstens, dass ich öfter im Wald bin. Skeptisch werde ich bei dem Gedanken, dass früher vielleicht doch alles besser war. Irgendwann merkt man, dass man nicht mehr nach vorne schaut, weil dort weniger ist als hinten. Doch das Fiese ist natürlich, dass man zum Romantisieren neigt.
Wie kann man diese Entwicklung aufhalten?
Israel: Man sollte vielleicht öfters raus gehen und Teil einer Gesellschaft bleiben, anstatt in Telegram-Gruppen zu versinken.
Kummer: Ich hoffe, ich werde niemals sagen: "Ey, in den 2010er-Jahren, das war noch echte Musik. Danach kam nur noch Schrott" Wenn so eine Aussage jemals aus meinem Mund kommen sollte, dann werde ich meine Enkel bitten, mir das Handy wegzunehmen.
Ihr kämpft schon eure ganze Karriere gegen rechts. Was hat das gebracht?
Kummer: Das Gegenteil ist der Fall. Die Rechten kämpfen zeit unseres Lebens gegen uns. Dieser Kampf wurde uns aufgezwungen.
Wie stellt ihr euch dem aktuellen Rechtsruck entgegen?
Kummer: Natürlich stimmt es mich traurig zu sehen, wie viele Leute sich rechten Idioten an den Hals werfen. Dass #wirsindmehr nicht stimmt. Das Entscheidende jedoch ist, dass man nicht allein ist. Ich habe kein Rezept gegen Rechtspopulismus, aber ich weiß, dass das Gefühl der Gemeinschaft viel bewirken kann. Je provinzieller die Umgebung ist, umso essenzieller sind daher Rückzugsräume wie alternative Jugendzentren. Mit aller Kraft solche Orte zu unterstützten, zu spenden, dafür setzen wir uns ein. Weil das auch die Räume sind, in denen der Widerstand erwächst.
Israel: Wir sind keine Politiker, die in der Verantwortung stehen, gesellschaftliche Alternativen zu entwickeln. Aber wir sind verantwortlich für unsere Konzerte, mit denen wir einen Ort schaffen wollen, an dem sich Queere, trans Menschen und überhaupt alle, die irgendwie anders sind, sicher und wohl fühlen können.
Info: Die Doppel-CD für 19,99 Euro erhältlich. Am Dienstag, 17. März, tritt die Band in der Stuttgarter Schleyer-Halle auf. Tickets ab 64,90 Euro unter: www.shop.kraftklub.to



