Das letzte Maifeld-Derby

Große Namen und spannende Neuentdeckungen - so war Tag 1 (plus Fotogalerien)

Bei bestem Wetter startete Mannheims liebstes Indie-Festival zum letzten Mal. Und Kraftklub sind nunmal Kraftklub.

31.05.2025 UPDATE: 31.05.2025 14:46 Uhr 4 Minuten, 18 Sekunden
Foto: Gerold

Von Hannes Huß

Mannheim. Also, auf in den Schlussgalopp. Nur: Wie geht man das an? Eigentlich müsste man für das Maifeld Derby zwei Körper haben: Einen, der sich bei all den Lieblingsbands und "Must-Sees" in die erste Reihe stellt und jeden Akkord, jede Zeile aufsaugt. Und einen, der über das Festival schlendert, sich von den großen Namen nicht blenden lässt und zwischen den Bühnen hin- und herschlendert. Die Ohren offen für Bands und Genres, von denen sie zuvor noch nie gehört hatten.

Der Autor hat versucht beides zu sein und ist, wie eigentlich jedes Jahr beim Maifeld Derby, kläglich daran gescheitert. Da halfen all die Erfahrungen aus den letzten Jahren auch nicht weiter, auch beim letzten Maifeld Derby blieb auf dem Heimweg ein bitterer Beigeschmack, ob man denn nicht noch mehr, noch bessere, noch spannendere Konzerte hätte sehen können. 

Freitag, 16 Uhr: So sollte Festivalwetter sein und nicht anders. Die Sonne brennt auf die Besucher hinab, die sich nach und nach einfinden, um sich ein letztes Mal Derby Dollar zu holen, während in der Arena2, gleich neben der Wechselstube, die Mannheimer von Die Glücksritter die erste kleine Überraschung des Festival-Wochenendes bieten. Das Trio schrammelt herrlich, sieht aus, wie frisch aus den 90ern entführt und stimmen auf das ein, was das Nachmittagsprogramm des Maifeld Derbys immer besonders gut macht: Lokale Bands präsentieren. Also: Raus aus der Hitze, hin zur kühleren Parcours d’Amour-Bühne, die nicht nur Schatten spendet, sondern auf der Kalkyl (ebenso Mannheimer) als Duo auf ihren Gitarren Psycadelica, Folk, Soul, Indie, Pop, ach, die ganze Palette, verschmelzen lassen. 

So ließe sich das eigentlich aushalten, kontempliert der Autor: Hier, im Schatten, bei Kalkyl, die sich ansonsten auch mal für autofreie Innenstädte und generell mehr Entschleunigung einsetzen und nach ihrem Konzert einfach auf der Tribüne weiterspielen. Aber nein, es geht ja weiter, weiter, immer weiter.

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Zurück in die Sonne, an all den kleinen Ständen vorbei, mit den Second Hand-Klamotten und den Schallplatten und den Postern und gen Open Air-Bühne. Da springt Antony Szmierek aus Manchester auf der Bühne und selten klang Great Britian so fun. Offensichtlich hat sich der Mann, der erst vor zwei Jahren begann, Musik zu veröffentlichen, oft genug vor dem Altar von The Streets bekreuzigt. Ganz in Schwarz gekleidet, lässt er Spoken Word auf House-Beats prallen, tanzt bestens gelaunt über die Bühne, bittet um "a couple Aperol Spritzes", die ihm prompt geliefert werden und schleimt sich in die Mannheimer Herzen: "This is the most fun I’ve had in ages."

Während die Briten sich höflich von der Bühne verabschieden, schlendern die Besucher weiter: Im Palastzelt hat es mal wieder 40 Grad (grobe Schätzung des Autoren), aber das Versprechen, dass Pearl & The Oysters hier gleich auf der Bühne stehen werden, ist dann doch zu verlockend. Dafür nimmt man gerne einen Schweißausbruch auf sich, denn was Juliette "Juju" Pearl Davis und Joachim "Jojo" Polack im Gepäck haben, kann man sich nicht entgehen lassen.

"Das klingt wie die bestgelaunte Fahrstuhlmusik, die ich je gehört habe", flachst ein Kulturhipster ob der Melange aus Easy Listening, Jazz und Pop des französisch-amerikanischen Duos. Songs wie "Side Quest" oder "Pacific Ave" klingen im Palastzelt unendlich verheißungsvoll, wie ein Wachtraum der Sanft- und Lockerheit. Im Hintergrund flackern grobkörnige Videoschnipsel, während Davis von endlosen Fahrten mit Meerblick singt und zum Abschluss in "Vitamin D" die vielleicht schönste Liebeserklärung des ersten Festivaltages haucht: "And I find out pretty soon, that I’m your sun and you’re my moon, oh baby!"

Noch ganz verliebt, und noch mehr verschwitzt, stolpert der Autor aus dem Palastzelt. Jetzt wäre eigentlich Zeit für eine kleine Pause, denkt er sich, und verwirft den Gedanken, bei Nand zu deutscher New Wave zu tanzen und setzt sich lieber wieder beim Parcours d’ Amour zu Kate Bellinger. Aus dem kühlen Plastiksessel bekommt ihn danach auch so schnell nichts mehr raus: Nicht Zimmer90, nicht die Rotterdammer von Library Card. Denn auch das ist Maifeld Derby: Kräfte haushalten. Am Abend steht noch so einiges auf dem Programm…

Freitag, 20.15 Uhr: So langsam beginnt der Abend. Die Hitze drückt weniger, Donny Benét ist aus Australien zu Gast, der Autor etwas zu spät vor der Open Air-Bühne und direkt wieder verliebt. Benét singt von Santorini und dem Negroni Summer. Es wird getanzt und dem Mann mit Halbglatze und Schnauzer zu Füßen gelegen, bevor im Palastzelt die andere Seite der romantischen Medaille auf dem Programm steht: Warhaus aus Belgien. Mit seiner anderen Band, den europäischen Indie-Superstars Balthazar, war Sänger Maarten Devoldere 2019 auf dem Maifeld Derby zu Gast, 2025 nun mit seinem Soloprojekt. Und setzt damit das erste richtig richtig große Ausrufezeichen. Es gleicht mehr einem Exorzismus denn einem Konzert, was der schlacksige Belgier auf der Bühne aufführt. Seine düsteren Neochansons verschmelzen förmlich, werden eines, ein Meisterwerk an finster-glitzernder Romantik.

Zeit zum Reflektieren dieses Ausnahmekonzerts bleibt danach kaum. Der "Secret Headliner" steht an und verlangt dem Publikum nochmal alles ab. Die Chemnitzer Indie-Heroen von Kraftklub stehen ganz in Weiß auf der Bühne, spielen ihren Indie-Poprock, der seit inzwischen anderthalb Jahrzehnten aus der deutschen Festivallandschaft nicht mehr wegzudenken ist und sind eigentlich ein bisschen zu "Mainstream" für ein Festival wie das Maifeld Derby. Aber, und dieses aber ist groß genug: Das ist den allermeisten egal. Die Niederländerin Effie de Vrisser mag mit ihrem Avantgarde-Pop ein ordentliches Alternativangebot stemmen, aber Kraftklub sind nunmal Kraftklub und sagen genau das richtige: "Unterstützt kleine Festivals wie das hier", skandiert Frontmann Felix Brummer. 

Während in den Ohren noch "Songs für Liam" und "Schüsse in die Luft" wummern, lockt schon wieder das Palastzelt. "Ich bin mir sicher, dass sie zum globalen Superstar avancieren wird", hatte Maifeld-Chef Timo Kumpf sie angekündigt, auf der Bühne kann die Französin Zaho de Sagazan diese Lorbeeren nur teilweise rechtfertigen. Sie ist sichtlich nervös, es ist die erste Festivalshow für sie und ihre vierköpfige Band dieses Jahr und vor allem der Spagat zwischen ihren introvertiert-melancholischen Stücken sowie den Techno-inspirierten Tanznummern will ihr nicht so ganz gelingen.

Sei’s drum, dann doch nochmal zur Arena2, in der mit dem spanischen DJ Kid Simius ein alter Bekannter zu Gast ist. 2018 hatte er schon begeistert, 2025 legt er in der Silent Disco auf. Das Publikum hat bunt leuchtende Kopfhörer auf, von der Bühne ist nur leise Musik zu hören. Und während Zaho de Sagazan die Bühne räumt und sich mit DJ Koze eine Ikone der deutschen Electro-Bewegung anschickt, bis tief in die Nacht zu feiern, macht sich der Autor langsam auf den Heimweg.

Denn für Samstag und Sonntag haben sich mit Franz Ferdinand, Nilüfer Yanya, Saló, Ugly oder Bilderbuch mal wieder so einige Lieblingsbands angekündigt, die es zu sehen gilt und ein paar Namen, die vielleicht bald zu Lieblingsbands werden…

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