Ausgelassene Stimmung in Stuttgart

Nina Chuba hat viel mehr zu bieten als einen spritzigen Sommerhit

Die Bläser sind echt: Die vielseitige Deutsch-Rapperin bestimmt mehr und mehr die Trends ihrer Generation.

10.05.2024 UPDATE: 10.05.2024 04:00 Uhr 3 Minuten, 3 Sekunden
Stil- und Musikikone der Generation Z: Nina Chuba ist zurück auf der Bühne. Foto: dpa

Von Jesper Klein

Stuttgart. "Space Buns" wird der charakteristische Nina-Chuba-Doppeldutt – einer links, einer rechts – in der Frisurenfachsprache genannt. Denn nicht nur musikalisch, sondern auch mit ihren auffälligen Looks bestimmt die Deutschrapperin und Gen-Z-Ikone mehr und mehr die Trends ihrer Generation. Das bestätigt auch der Rundumblick auf die Hinterköpfe in der Stuttgarter Porsche-Arena – die Duttdichte ist bemerkenswert hoch!

Darin steckt bei aller Äußerlichkeit auch ein Geheimnis ihres Erfolgs. Denn: Jeder will Nina sein. Nina ist cool, sympathisch und auf eine paradoxe Art und Weise zugleich bodenständig und größenwahnsinnig.

Nina kann rappen und singen. Nina denkt an ihre Familie ("will ein Haus für meine Mama an der Küste von Catania") und irgendwie ist trotzdem immer klar, dass diese Nina eben auch eine Kunstfigur ist.

Dass die Rapperin und Sängerin wieder da ist, kündigen in Stuttgart fette Bläsersounds an. Ihre Rückkehr nach einer kleinen Verschnaufpause hat die 25-Jährige mit ihrem charmant um die eigenen Künstlerpersönlichkeit kreisenden Hit "Nina" zielsicher vorbereitet. Jetzt steht Nina Kaiser, wie sie mit bürgerlichem Namen heißt, wieder im Rampenlicht – und verrät dort, dass sie die freie Zeit sowohl zur Erholung als auch für das Schreiben neuer Songs genutzt hat. Vor allem letztere wollen ihre Fans hören.

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In der Porsche-Arena liefert die quirlige Durchstarterin einen Mix aus bereits bekannten Hits ihres ersten Albums ("Glas") und Ungehörtem. Aus der "Nina"-Zeile "Meine Beats sind maßgeschneidert, neue Kollektion im Schrank", die wie so viele ihrer Texte einfach perfekt sitzt, dürfen Fans berechtigte Hoffnungen auf ein neues Album ableiten. Als der Vorhang nach mehr und mehr und noch mehr gesteigerter Spannung dann endlich fällt und Nina mit "Hallo, hallo, ich bin hier ganz oben" in die ausverkaufte Arena hinabgrüßt – da sind alle natürlich bestens gelaunt! Hören wir hier den Titelsong einer neuen Ära? Schon möglich. Die gut eineinhalb Stunden machen in jedem Fall Lust auf mehr.

Überhaupt: Der Aufschwung der in Wedel bei Hamburg geborenen Sängerin scheint kaum mehr zu bremsen. "Wenn’s Viva noch geben würde, würd Nina bei Viva sein", singt sie herrlich selbstironisch. Das Musikfernsehen, mit dem sie groß rausgekommen ist, heißt TikTok. Bei Spotify erreicht sie mittlerweile vier Millionen Hörer monatlich. Tendenz steigend. Oder um es mit Ninas Worten zu sagen: "Backe ziemlich große Brötchen, hab mich bisher nie verbrannt."

Die selbstverordnete Pause nach dem ersten Hype scheint kein Zufall. Stichwort: Selfcare nach einem ereignisreichen Jahr. Auch in Stuttgart schwingt bei aller Ekstase, die Songtitel wie das neue und tanzbare "Randale" versprechen, immer auch ein bisschen Awareness mit. Das spiegelt sich in ihren Texten, in denen es eben auch um Dunkelheit, Einsamkeit und Depressionen geht. Mitten im Konzert gibt’s eine kleine Umarmungsaufgabe für das Publikum. Und beim Tanzen im Moshpit gilt: Passt mir bitte auf die Kinder auf.

Ja, die Kiddies. Und nein: Bei Nina Chuba wähnt man sich im Gegensatz zum lieben Poponkel Mark Forster zwar nicht unter Grundschülerinnen und Grundschülern (die RNZ berichtete), aber für einige ist Nina dann doch das allererste richtige Konzert. Das passt prima, denn hier gibt es (abgesehen vom frenetisch abgefeierten "Ich hass dich") nur positive Vibes. Der Großteil des Publikums ist allerdings zur Generation Z zu rechnen.

"Oh mein Gott, Stuttgart, ihr seid so viele", sagt Nina Chuba und gesteht damit, dass ein Auftritt in einer solch großen Halle für sie (noch) nicht zur Routine geworden ist. Das wird sich wohl spätestens mit der angekündigten Arena-Tour im kommenden Jahr ändern. Dann geht’s nebenan in die etwa doppelt so große Hanns-Martin-Schleyer-Halle. Schon am heutigen Freitag macht die "Glas"-Tour in Frankfurt Station. Tickets gibt es schon lange nicht mehr.

Auf der Bühne wird Nina Chuba von einer satten Bläsersektion supportet: Saxofon, Trompete und Posaune. Später greift die Sängerin sogar selbst zur Klarinette. Die Songs sind etwas anders arrangiert als auf dem Album, was zum Beispiel das friedvolle Bläsernachspiel von "Tinnitus" beweist. Die frühere Schauspielerin weiß, wie es ist, eine Rolle zu spielen. Sie moderiert ein bisschen, aber nicht zu viel, pudert sich zwischendrin schnell die Stirn – und nimmt’s locker, wenn mal ein Einsatz danebengeht. Ein bisschen Show gibt’s dazu (besonders schön beim Kirschblüten-Song "Sakura"), aber auch ruhige Momente auf der zweiten, kleinen Bühne inmitten ihrer Handyleuchten schwingenden Fans.

Für ihren bislang größten Hit müssen sie sich allerdings gedulden. Wenn Nina am Ende des Konzerts ihre persönlichen Wünsche aufzählt – eine Etage voller Trampoline, einen Otter oder zwei, eine Farm mit 200 Alpakas – wissen textsichere Duttträgerinnen natürlich schon ganz genau, wo das alles hinführt. Sie wollen als Zugabe dasselbe wie Nina: endlich ihren langersehnten "Wildberry Lillet". Wer danach zu aufgekratzt ist, um zu schlafen, macht’s am besten wie die Sängerin. Die schaut, wie sie in einem Interview verriet, zum Wegdämmern auch mal eine Tierdoku. Licht aus.

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