Heidelberg. Am Samstag hat Peter Ruzickas Oper "Benjamin" im Theater der Stadt Heidelberg Premiere. Nach der Uraufführung in Hamburg handelt es sich um die zweite Inszenierung dieses Werkes, das sich thematisch dem Leben und Denken des Philosophen Walter Benjamin widmet. Redakteur Matthias Roth befragte den Komponisten zu seinem Stück.
Nach "Celan" und "Hölderlin" ist "Benjamin" Ihre dritte Oper über Leben und Werk eines bedeutenden Menschen deutscher Geschichte. Was reizt Sie an authentischen Biografien?
Nun, ich könnte sagen: Das sind drei sehr signifikante Persönlichkeiten, die mein persönliches Weltbild zusammengefügt haben. Nach der Begegnung mit Paul Celan, den ich in Paris noch kennengelernt habe kurz vor seinem Freitod, war klar, ich muss diese Erfahrung sublimieren, muss mich als Komponist dazu verhalten. "Hölderlin" war abgeleitet von "Celan": Am 20. April 1970, als Celan in die Seine ging, lag auf seinem Nachttisch die Biografie von Wilhelm Michel über Hölderlin, was dazu geführt hat, dass ich mich auch mit dieser Person auf der Bühne beschäftigen musste.
Walter Benjamin. Foto: Benjamin-Archiv
Wie kam es dann zu "Benjamin"?
Nachdem "Celan" oft gespielt worden war, hatte ich den Eindruck, dass da ein bestimmtes Element noch nicht ausgetragen ist, nämlich die Beschreibung des 20. Jahrhunderts mit all seinen Schrecknissen. Der "Engel der Geschichte" quasi, dem Walter Benjamin mehrere Schriften widmete, fehlte noch. Ich bin dann nach Portbou gefahren, dem Küstenort an der französisch-spanischen Grenze, an dem er sich 1940 das Leben nahm. Dort fühlte ich mich dem Thema sehr nah.
Der Künstler Dani Karavan errichtete dort den "Gedenkort: Passagen", benannt nach dem Hauptwerk des Philosophen.
Genau. Das ist sehr beeindruckend, obwohl dieser Friedhof ja auch eine Fiktion ist: Das ist nicht das Grab Walter Benjamins dort, wie man heute weiß. Dann kam der Auftrag für Hamburg, und es war klar: Ich muss noch einmal um diese Persönlichkeit kreisen.
Ihr Werk ist aber keine "tönende Biografie" geworden, oder doch?
Nein! Das kann auch eine Oper nicht leisten. Oper hat viele Talente, aber sie kann nicht die Literaturgeschichte ersetzen oder historisch definieren, sondern sie muss anderswo anders ansetzen. Auch die Emotionalisierung darf sie weit treiben. Das Stück bedeutet für mich eine große Empathie. Wenn man eineinhalb Jahre daran sitzt, dann identifiziert man sich damit und mit einer solchen Persönlichkeit ganz besonders. Das ist eine ungeheure Annäherung, aber auch wieder Entfernung: beides. Es gibt auch eine epische Distanz darin, und die jetzige Neuinszenierung von Ingo Kerkhof greift dies epische Distanz auf.
Die Uraufführung in Hamburg war von der Librettistin selbst, Yona Kim, inszeniert worden.
Ganz recht: Ich habe da auch selbst dirigiert und habe davon deshalb gar nicht viel mitbekommen: Man ist als Dirigent so beschäftigt, das musikalisch zusammenzubauen, dass man von der Aufführung selbst wenig hat! Insofern kann ich mich hier nun zum ersten Mal zurücklehnen und nur zuhören und zusehen!
Es treten weitere historische Figuren auf: Hannah Arendt und Bert Brecht etwa. Wie sind diese gezeichnet?
Also was die Oper nicht kann, ist, eine Lebensgeschichte historisch genau erzählen. Deshalb war von vornherein klar in den Gesprächen mit Yona Kim, die das Textbuch schrieb: Es kann nur um Stationen gehen, um wichtige, prägende Begegnungen, die Benjamin gehabt hat in seinem Leben. Zu den von Ihnen Genannten kommen noch Gershom Scholem, der einen jüdischen Mystizismus ins Spiel bringt, und die lettische Marxistin Asja Lacis. Das sind extreme Gegenpole im Leben Benjamins, die ich zu fokussieren versucht habe und jeweils mit einem Eigenklang versehen wollte. Diese Positionen stehen für Benjamins Lebensphilosophie, seinen Gang durch die Geschichte und den ganzen tragischen Aspekt des 20. Jahrhunderts.
Muss man Benjamins schriftstellerisches Werk kennen, um Ihr Stück zu verstehen?
Das kann nicht erwartet werden vom Publikum. Philosophische Theoreme lassen sich auf der Bühne auch nicht spiegeln. Deshalb dieser Umweg über Stationen seines Lebens.
Mir fiel auf, dass Brecht als Tenor besetzt ist. Warum das?
Das ist der einzige Streit, den ich mit Yona Kim hatte! Sie dachte auch, das müsse unbedingt ein Bariton sein. Aber Brecht hatte ja diese Fistelstimme, wie man von Tondokumenten weiß, beinah wie ein Countertenor. Ich wusste sofort: Er muss ein Tenor sein!
Info: Theater Heidelberg, Premiere am 9. Februar, 19.30 Uhr.