Dieser frühlingsfrische Kimono macht Laune. Foto: vpst
Von Ingeborg Salomon
Heidelberg. Gummistiefel, wenn’s draußen gießt, Bikini für Sonnenstunden und niemals, wirklich niemals und nicht einmal im Homeoffice, eine Jogginghose. Denn Karl Lagerfeld, Modeschöpfer, Fotograf und Designer, hatte völlig recht und natürlich nie die Kontrolle über sein Leben verloren. Wie denn auch, mit Vatermörderkragen, Zopf, Sonnenbrille und Handschuhen? "Kleider machen Leute" titelte auch schon Gottfried Keller. Und die Ausstellung "Dresscode – Kleidung, Stil, Identität", die jetzt im Heidelberger Völkerkundemuseum der von Portheim-Stiftung zu sehen ist, beweist das für viele Kulturkreise einmal mehr sehr ansprechend.
Ob ägyptische Galabiya, japanischer Kimono, indonesischer Wickelrock, Gras- und Blattröcke aus Polynesien, Kanga und Kitenge (für Frauen) und Kikoy (Wickelröcke für Männer) aus Ostafrika – alle Exponate stammen aus den eigenen Beständen des Völkerkunde-Museums, und alle erzählen ihre ganz eigene Geschichte. "In der Ausstellung geht es uns vor allem darum, mit den ausgewählten Objekten große Weltregionen aufzuzeigen, in denen bestimmte Stile dominieren", erläuterte Kurator Robert Bitsch. Das betreffe vor allem Schnitt, Farbcodes und Muster der Kleidung, die Rückschlüsse auf Alter, Familienstand und ethnische Zugehörigkeit zulassen.
Am Beispiel des japanischen Kimonos lässt sich das besonders schön verfolgen. Obwohl sich seit der Öffnung Japans im ausgehenden 19. Jahrhundert der europäische Kleidungsstil durchsetzte – die 1920 eingeführten Schuluniformen orientierten sich für Mädchen am Matrosenstil und bei Jungen an preußischen Uniformen – verdrängten sie die traditionelle Kleidung nie. Kimonos werden auch heute noch ohne besonderen Anlass in Japan getragen, beispielsweise der kleinteilige und meist regelmäßig gemusterte komon-Kimono. Er ist ebenso alltagstauglich wie die yukata, ein aus dünner Baumwolle gefertigter Sommerkimono.
Dass ein Kirschblüten-Motiv im Frühling und Chrysanthemen im Herbst die Stoffe schmücken, verstehen auch Europäer als Botschaft. Aber was bedeutet es, wenn die Ärmel eines Kimonos bis zu einem Meter lang sind? Sie demonstrieren das gleiche wie eine links geknotete Dirndlschürze: Die Trägerin ist ledig und heiratswillig. Allerdings ist so ein Knoten schneller geschürzt als ein Obi. Dieses mehrere Meter lange Stoffstück wird um die Taille gewickelt und der Kimono damit auf dem Rücken kunstvoll verschnürt. Von edelstem Brokat über feinste Seide bis zu schlichter Baumwolle sind der Variationsbreite ebenso wenig Grenzen gesetzt wie dem Dekor.
Fast vollständig aus dem Alltag verschwunden ist traditionelle Kleidung in Ozeanien. Im Alltag trägt frau dort heute Rock und Bluse und man T-Shirt und Shorts – der Einfluss der USA lässt grüßen. Nur zu festlichen Anlässen wie Hochzeit oder Beerdigung kommt ein Teil des kulturellen Erbes wieder zum Vorschein – sofern es überhaupt noch vorhanden ist. Doch die Unterschiede liegen im Detail: Viele Inseln haben ihren eigenen Dresscode, wie die Ausstellung zeigt.
"Dresscode fungiert als eine Art Sprache, denn Kleidung ist nicht nur Darstellung, sondern auch ein Akt der Kommunikation", erläutert Robert Bitsch. In einem vertrauten Kulturkreis verstehen wir Kleiderbotschaften ohne Worte: Roter Rock und bunte Bluse deuten auf ein fröhliches Gartenfest hin, Smoking und Lackschuhe eher nicht. Es geht aber auch schlichter: Kleidung ist ein Schutz vor der Witterung – in heißen Feuchtgebieten ebenso wie am Polarkreis. Das aber ist Pragmatismus pur und vernachlässigt völlig, dass jedes Outfit uns etwas sagen will, dass es Ausdruck ist von Ästhetik und Identität wie eine zweite soziale Haut.
Besonders in Zeiten, wo Fernreisen in sehr weite Ferne gerückt sind, ist ein Bummel durch das Völkerkundemuseum eine schöne Gelegenheit, der trüben C-Zeit zu entkommen. Viele Besucher werden hier unbekanntes Terrain betreten und für sich erobern, einige werden sich erinnern an den Duft der großen weiten Welt, der gerade völlig verflogen ist.
Info: "Dresscode" ist zu sehen bis 21. November im Völkerkundemuseum, Hauptstraße 235. Geöffnet ist Samstag von 14 bis 18 Uhr, Sonntag und Montag von 11 bis 18 Uhr, Anmeldung unter 06221/22067. Aktuelles unter www.vkm-vpst.de