Fotobiennale Heidelberg, Mannheim, Ludwigshafen

Es ist hip, die Medien zu mixen

"Farewell Photography" zeigt viel Bekanntes und so manche Schwächen künstlerischer Strategien

10.09.2017 UPDATE: 11.09.2017 06:00 Uhr 2 Minuten, 48 Sekunden

Hoher Anspruch an die erste Fotobiennale: Kunstministerin Theresia Bauer (rechts) und Mannheims OB Peter Kurz flankieren Christin Müller und Fabian Knierim vom Kuratoren-Kollektiv. Foto: H. Raab

Von Harald Raab

"Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne": Das Fotofestival der Städte Mannheim, Ludwigshafen und Heidelberg ist nach zwölf Jahren tot. Es lebe die "Biennale der aktuellen Fotografie". Sie hat am Wochenende im Mannheimer Port25 mit einer Provokation begonnen. Die steckt aber nur im Titel des Events: "Farewell Photography". Bis zum 5. November findet der lange Abschied statt, der ein Neubeginn sein soll, zumindest aber eine Bestandsaufnahme. In sieben Häusern mit 90 Fotokünstlern und -künstlerinnen, acht Ausstellungen, Aktionen und Künstlergesprächen in den teilnehmenden drei Städten.

Was geboten wird, kann unterschiedlich interpretiert werden. Eine Lesart wäre: Da spielt eine junge Generation von Künstlerinnen und Künstlern, Kuratorinnen und Kuratoren das altbekannte Spiel: Wir meucheln die Altvorderen und bieten etwas ganz Neues. Das stellt sich bei näherem Hinsehen meist doch wieder nur als die Sammlung alter Hüte heraus. Das historische Gedächtnis junger Leute im überhitzten Biotop der Kunst mit ihrem Hang zur Nabelschau ist kurz. Erst mit dem Erwachen des eigenen Bewusstseins beginnt für viele die Zeitrechnung. Ein Stück Egomanie gehört halt zum Kunstbetrieb. Vergessen wird, dass alle nur groß herauskommen können, weil sie auf den Schultern von Riesen stehen. So ziemlich jede der gezeigten Positionen ist seit den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts schon einmal ausprobiert worden. Wie oft wurde die klassische Fotografie nicht schon totgesagt. Zuletzt in den 1990er-Jahren, als der Siegeszug der digitalen Fotografie begann.

Eine andere, positive Herangehensweise wäre: Das sechsköpfige Kuratoren-Kollektiv unter Führung Florian Ebners (Centre Pompidou, Paris) und Christin Müllers (Leipzig) mit Kerstin Meincke (Universität Duisburg-Essen), Fabian Knierim (Fotomuseum WestLicht, Wien), Boaz Levin (Research Center for Proxy Politics, Berlin) und Kathrin Schönegg (Berlinische Galerie) unternehmen den anspruchsvollen Versuch, sich an der immer weiter anschwellenden Flut der Bilder abzuarbeiten. Man ist auf Spurensuche nach der Bildkultur von heute, die vieles Tradierte infrage stellt: die alte Autorenschaft etwa, weil viele Künstlerinnen und Künstler mit vorgefundenen Bildmaterial experimentieren. Neu freilich ist das auch nicht gerade.

Welche Formen kann die neue Fotografie annehmen, fragt Christin Müller und gibt die Antwort: "Längst haben die Künstler den klassischen Papierabzug beiseitegelegt oder anders darüber nachgedacht. Es gibt nicht mehr das klassisch gerahmte Bild an der Wand. Künstler mischen, sampeln Fotografie und Video. Es gibt installative Momente, die begreifen den Raum als Teil der Inszenierung." Florian Ebners konzeptueller Ansatz ist, zu zeigen, "was sich im Feld der fotografischen Bilder verändert". Und wie hat sich auch unser Blick gewandelt?

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Was nicht ausgesprochen wird: So eine Bestandsaufnahme schließt auch die Grenzen der aktuellen Verwendung des fotografischen Bildes in der Kunst ein. Das Kryptische so mancher Fotogeschichte mit hehrem soziopolitischen Anspruch erschließt sich auch dem gutwilligen Betrachter nicht. Ästhetisches wird allzu oft zu einer zu vernachlässigenden Größe. Und außerdem: Keine Fotoausstellung kommt mehr ohne Video aus. Es ist hip, die Medien zu mixen, bis vom Charakteristischen der einzelnen Disziplinen nichts mehr übrig bleibt.

Baden-Württembergs Kunstministerin Theresia Bauer, die zur Eröffnung sprach, nimmt die neue Mixed-Media-Fotokunst gar in die Pflicht, am digitalen Erziehungsprozess mitzuwirken: "Wer über Digitalisierung redet, darf über Kunst und Kultur nicht schweigen." Die Biennale leiste in ihrer Befragung der digitalen Bildkultur einen wichtigen Beitrag dazu. Sie baue Brücken und zeige auf, wie zeitgenössische Bildproduktion und gleichzeitig historische Bilder sowie Bildsammlungen verschränkt werden können.

Die Besucherinnen und Besucher der Ausstellungen im Mannheimer Wasserturm, im Port25, im Zephyr-Raum für Fotografie im Reiss-Engelhorn-Museum, im Heidelberger Kunstverein, in der Sammlung Prinzhorn, im Ludwigshafener Wilhelm-Hack-Museum und im dortigen Kunstverein zahlen erst nach ihrem Rundgang ihr Eintrittsgeld - und zwar nach eigener Einschätzung, ob es gefallen hat oder eben nicht.

Insgesamt hat man mit dem Anspruch, Biennale zu sein, die Latte hoch gehängt. Sabine Schirra vom Vorstand der Trägerorganisation gibt die Marschrichtung vor: "Wir wollen internationaler werden. Wir wollen aber nicht nur die Internationalität, sondern auch die Verbindung zur Region." Ein erfahrungsgemäß schwieriger Spagat.

Von Geld wurde beim Eröffnungsakt nicht gesprochen. Wer aber Biennale will, muss sich im klaren sein, dass das in Zukunft die drei Städten mehr kosten wird. Ohne das Sponsoring der BASF und dem Zuschuss der Kulturstiftung des Bundes sowie dem des Landes-Baden-Württemberg hätte es diese erste Biennale gar nicht gegeben. Mit dem Geld von der Bundesstiftung kann aber nicht so schnell wieder gerechnet werden. Rheinland-Pfalz drückt sich bisher. Es wird noch ein dornenreicher Weg bis zur endgültigen Etablierung einer Fotobiennale im Rhein-Neckar-Raum. Auch für Biennalen gilt: Ohne Moos nix los.

Info: https://biennalefotografie.de

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