Immer mehr Unmut bei Vereinen über das Mitteilungsblatt
Von Micha Hörnle
Schriesheim. Die Stadt hat ihr Sommerlochthema gefunden: Bei Vereinen, Parteien und Einrichtungen geht es momentan fast nur um das eine: die neuen Richtlinien für das Mitteilungsblatt. Denn seit gut drei Wochen werden immer mehr Beiträge zurückgewiesen. Der Umfang des "Blättchens" (ohne den Anzeigenteil) verringerte sich von 44 Seiten (4. August) auf seither 33. Auch in der Kommunalpolitik herrscht Unmut: Das Thema soll bei der nächsten Gemeinderatssitzung am 22. September behandelt werden.
Immer mehr Vereine melden sich nun bei der RNZ, weil sie außer knapp-sachlichen Ankündigungen und Nachberichten nichts mehr unterbekommen. Wie beispielsweise Bernhard Wachter, der Schriftführer der Jagdhornbläser: Der hatte einen launigen Artikel mit der Überschrift "4,7 % – 40 % – 100 %" eingereicht, eine recht vergnügliche (und auch falsche) Statistik über die Proben. Der wurde vom Hauptamt mit der Begründung zurückgewiesen, dieser Bericht sei nicht "sachlich und kurz", und so wurde nur ein kleiner Hinweis auf die Übungsstunde samt Foto veröffentlicht. Wachter, der für seine gelegentlich saloppen Artikel im Mitteilungsblatt bekannt ist, nimmt das "aber ganz sportlich". Er "überlege schon, was ich dann kommende Woche ,kurz über Veranstaltungen’ berichten kann, wenn ich durch die Zensur komme".
Ähnliches kann Monika Stärker-Weineck berichten: Sie bietet bereits seit 2002 Führungen über den jüdischen Friedhof an – wie jedes Jahr zum "Tag des offenen Denkmals". Stärker-Weineck und Maren Fahmi, die am Sonntag, 12. September, um 11 Uhr vor Ort über den Friedhof berichten wollen, tun das als Mitglieder des Arbeitskreises Schriesheimer Senioren (ASS), aber der eigentliche Veranstalter ist die Volkshochschule (VHS). In einem Artikel fürs Mitteilungsblatt hatte Erika Neuser vom ASS noch einige Fakten über den Friedhof untergebracht, aber das war offenbar nicht statthaft: "Der von Ihnen eingestellte Artikel bezog sich zum einen auf eine Veranstaltung der VHS und nicht des ASS und enthielt zum anderen einige Ausführungen über den jüdischen Friedhof, die über einen kurzen, sachlichen Veranstaltungshinweis hinausgehen", hieß es aus dem Hauptamt.
Das empörte Stärker-Weineck derart, dass sie sich erst an Bürgermeister Hansjörg Höfer wandte und dann an die RNZ: "Das geht zu weit!", findet sie. Sie verstehe ja, wenn es bei besonders "meinungsstarken" Beiträgen eine Debatte gibt, ob man die wirklich abdrucken müsse: Das war so vor zehn Jahren, als Ingo Kuntermann (FDP) nach der Fukushima-Katastrophe zu verharmlosende Worte zur Kernkraft fand, wie manche meinten; oder eben erst neulich, als der neue AfD-nahe "Verein für Kultur und Demokratie" mit Artikeln provozierte. Aber Stärker-Weineck findet: "Wir können doch alle selber denken." Sie erkennt zudem schwere Defizite in der Kommunikation des Rathauses: "Diese neuen Richtlinien kann man doch nicht nur den Vereinsvorsitzenden schicken!"
Wenn jetzt das "Blättchen" schon nichts mehr zu einer Friedhofsführung abdrucke, dann sei das Maß überschritten – und es stelle sich die Frage, wer es noch lesen will: "Ich jedenfalls habe es nicht abonniert, um Gemeinderatsprotokolle zu lesen."