Erst Entertainment, dann Emotionen pur

1899 Hoffenheim gewinnt in der Nachspielzeit mit 3:2 beim FSV Mainz 05

Lust und Frust lagen bei den Kontrahenten eng zusammen, auch weil viele Szenen Diskussionsstoff lieferten.

20.09.2017 UPDATE: 21.09.2017 06:00 Uhr 2 Minuten, 37 Sekunden
Maßarbeit eines Torjägers: Der ehemalie Mainzer Sandro Wagner (l.) blickt seinem Kopfball hinterher, der zum 2:2 in den FSV-Kasten segelt. Foto: APF

Von Joachim Klaehn

Mainz. Ein in der ersten Halbzeit spektakuläres Duell, das zuweilen an das torreiche 4:4 vom September 2016 erinnerte, fand diesmal einen Sieger. In der Nachspielzeit sicherte sich der Kraichgauklub durch den späten Treffer von Mark Uth (90.+3) den dritten Dreier in dieser Saison. Der FSV Mainz 05 hatte am Mittwochabend vor 23.477 Zuschauern in der Mainzer Opel Arena bärenstark begonnen und schon nach nur 16 Minuten mit 2:0 geführt, zog aber nach 95 Minuten beim 2:3 (2:2) den Kürzeren. TSG-Cheftrainer Julian Nagelsmann sollte mit seiner Prognose richtig liegen: "Das Spiel hat einen kleinen Derby-Charakter, das bringt Schärfe rein."

Nagelsmann hatte erneut die Rotationsmaschine angeworfen: Mit Felix Passlack, Nico Schulz, Eugen Polanski, Lukas Rupp und Mark Uth gab’s im Vergleich zur letzten Partie gegen Hertha BSC (1:1) am Sonntag fünf Veränderungen in der Anfangsformation. Vom Anpfiff weg pressten die Mainzer – erwartungsgemäß. Sie dominierten das Geschehen sofort.

Hoffenheims Versuche, Sachlichkeit in die Partie zu bringen, hielt allerdings nicht lange vor. Bereits der riskante Rückpass von Passlack (5.) war ein erstes Zeichen der Unsicherheit. Eine halbe Minute später fiel die FSV-Führung: Danny Latza (6.) nutzte einen TSG-Schnitzer, den Havard Nordtveit mit einer verunglückten Abwehrkopfball in die Mitte verursacht hatte, und hämmerte den Ball aus 20 Metern flach ins linke Eck. Die Nordbadener bekamen keinen Zugriff auf das Spiel, ließen Levin Öztunali (11.) rechts durchmarschieren, dann den japanischen Wirbelwind Yoshinori Muto von halblinks in den Sechzehner eindringen, der bei seinem Solo zum 2:0 (16.) nur sehr unzureichend gestört wurde.

Erst durch den überraschenden Anschlusstreffer von Nadiem Amiri (23.), der aus 18 Metern wild entschlossen abzog, stabilisierten sich die Blauen. Fast gelang Rupp nach einer Hübner-Flanke sogar der Ausgleich (30.), doch der ehemalige Nationaltorwart René Adler parierte mit einem starken Reflex. "Jetzt geht’s los!", brüllten die 500 mitgereisten TSG-Fans in der Gästekurve voller Zuversicht.

Die Nullfünfer hätten durch Öztunali (43.) und Fischer (44.) erhöhen können, aus ihrer Sicht erhöhen müssen. Nach diesen beiden liegen gelassenen Hochkarätern wurden die Hausherren gnadenlos bestraft. Den Eckball von Rupp vollendete Sandro Wagner (45.+1) unwiderstehlich per Kopf zum 2:2, was die Rheinland-Pfälzer vollends schockte.

Ein zweites Mal ließen sich die Nagelsmann-Schützlinge nicht überrumpeln. Hoffenheim wirkte etwas gefestigter, Nagelsmann hatte frühzeitig Kerem Demirbay und Andrej Kramaric eingewechselt, um dem eigenen Spielaufbau mehr Struktur und Ballsicherheit zu geben. Das Duell wurde insgesamt dennoch von beiden Seiten hektischer, nervöser, nickliger. Viele Fehlpässe und Fouls prägten die Szenerie. Der FSV brachte nicht mehr die Wucht der Anfangsphase auf den Platz, die TSG lauerte buchstäblich darauf, um den entscheidenden Punch zu setzen.

Der Unterhaltungswert ließ deshalb nach. Doch ein Handgemenge (83.) brachte die Zuschauer noch einmal richtig in Wallung und läutete eine turbulente Schlussphase ein. Am Ende hatte Hoffenheim das glücklichere Ende für sich, Mark Uth bewies einmal mehr seine Kaltschnäuzigkeit und netzte zum entscheidenden 3:2 ein.

Erst Entertainment, dann Emotionen pur. Lust und Frust lagen bei den Kontrahenten eng zusammen, auch weil viele Szenen Diskussionsstoff lieferten. "Hoffe" konnte dies unterdessen ziemlich egal sein.

Mainz 05: Adler – Balogun, Bell, Gbamin – Donati, Serdar, Latza, Brosinski – Öztunali (80. De Blasis), Fischer (67. Samperio) – Muto.

TSG 1899 Hoffenheim: Baumann - Nordtveit, Vogt, Hübner – Polanski (55. Kramaric) – Passlack (46. Demirbay), Rupp, Amiri (76. Geiger), Schulz – Uth, Wagner.

Schiedsrichter: Gräfe (Berlin); Tore: 1:0 Latza (6.), 2:0 Muto (16.), 2:1 Amiri (23.), 2:2 Wagner (45.+1), 2:3 Uth (90.+3); Zuschauer: 23.477.




Einzelkritik

Baumann: Streckte sich vergeblich beim ersten Mainzer Treffer und ließ beim zweiten einen Spalt in der kurzen Ecke offen. Rettete mehrmals.

Passlack: Erstmals in der Bundesliga für "Hoffe" von Beginn an dabei. Mit einigen Problemen.

Nordtveit: Schwach beim zweiten Gegentor. Ausgangspunkt beim Anschluss. Durchwachsen.

Vogt: Auch schwach beim 2:0, aber Siegtor-Vorbereiter. Deshalb ist manch weitere Unsicherheit verziehen.

Hübner: In der Anfangsphase auch nicht sattelfest. Steigerte sich.

Schulz: Nahm über links immer wieder Anlauf. Kämpferisch.

Polanski: Leitete den zweiten FSV-Streich mit ein. Bereitete Amiris Tor mit Köpfchen vor. Schneller wird der Ex-Mainzer nicht mehr.

Rupp: Nach Pause gegen Hertha wieder dabei. Riesen-Direktabnahme. Seine beste Szene.

Amiri: Hämmerte den Ball schmerzfrei rein. Zeigte einige Male, dass er ein Riesenfußballer ist. Bester Hoffenheimer.

Uth: Der Spielentscheider mit seinem vierten Saisontor. Alles "Uth".

Wagner: Provokateur nach seinem Ausgleich. Das gefällt dem Torjäger.

Demirbay: Kam nach der Pause für Passlack. Solide. Mehr nicht.

Kramaric: Löste Polanski ab. Ein toller Freistoß. Mehr aber nicht.

Geiger: Eine Viertelstunde dabei. awi

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