Das Spiel in Mainz? Wie in einem schlechten Film

Nach der Aktion des stürmenden Torwarts Heinz Müller fühlt sich das 2:2 bei Mainz 05 für Hoffenheim wie eine Niederlage an

07.10.2013 UPDATE: 07.10.2013 06:00 Uhr 2 Minuten, 28 Sekunden
Ein Ende mit Schrecken: Der Mainzer Kapitän Noveski (M.) lässt sich nach dem späten Ausgleich feiern. Die beiden TSGler Vestergaard und Beck (r.) sind fassunglos. Foto: APF


Von Joachim Klaehn

Mainz. Die Gestik und Mimik der Hoffenheimer Spieler sprachen für sich. Kevin Volland ließ sich vor lauter Frust auf den Boden der Coface Arena fallen, David Abraham zog sich das Trikot über den Kopf und allesamt marschierten sie mit bleiernen Schritten in den Bauch des Stadions. Wortlos, grußlos, fassungslos. Was war passiert? Da hatte die Kraichgauelf den kriselnden FSV Mainz 05 über 75 Minuten lang klar im Griff, doch in der dramatischen Schlussphase leistete sich die TSG 1899 den zweifelhaften Luxus von Konzentrationsschwächen und Fehlerketten, so dass sich der Karnevalsverein wie in närrischen Fastnachtszeiten fühlen durfte. Aus einem 0:2-Rückstand machten die Nullfünfer mit einer Energie- und Willensleistung noch ein schmeichelhaftes 2:2, das für sie wie Balsam auf die Wunden der letzten Wochen wirkte.

Das Ende einer unterhaltsamen Partie vor 25 187 Augenzeugen hätte kaum kurioser ausfallen können. Da stürmte Torwart-Hüne Heinz Müller (35) in der Nachspielzeit in den gegnerischen Strafraum, warf sich in den Eckball von Johannes Geis und nach einem Pressschlag zwischen den beiden Kapitänen Andreas Beck und Nikolce Noveski zappelte das Bällchen zum 2:2 (90.+2) in den Hoffenheimer Maschen. "Ich bin einfach hochgesprungen und habe gebetet, dass er reingeht", sagte hinterher Heinz Müller grinsend, "ich wäre vor lauter Freude am liebsten aus dem Stadion gerannt."

"Hoffe" wähnte sich nach dieser Szene hingegen wie in einem schlechten Film, während die Mainzer nach dem Abpfiff von Fifa-Schiedsrichter Wolfgang Stark wahre Veitstänze auf dem Rasen vollführten. "Ich weiß nicht, was in uns gefahren ist", rätselte TSG-Mittelfeldakteur Sebastian Rudy in der Mixed Zone, "so etwas darf uns nicht passieren."

In der Tat: Bis auf die Schrecksekunde des elfmeterreifen Fouls von Abraham gegen Zimling (9.) waren die Nordbadener über weite Strecken Herr der Lage. Kevin Volland hatte Hoffenheim mit seinem Aufsetzer zum 0:1 (14.) in Front gebracht - und nachdem Roberto Firmino, nach physisch wie technisch beeindruckender Vorarbeit von Sven Schipplock, gar das 0:2 (22.) mit einem gefühlvollen Lupfer gelungen war, schien alles auf ein zweites Auswärtserfolgserlebnis hinzudeuten. Zumal der FSV umständlich und ideenlos agierte. Strenggenommen hatten die Rheinhessen nur eine hochkarätige Chance, als Torjäger Nicolai Müller (69.) frei vor Koen Casteels auftauchte und der Belgier geschickt den Winkel verkürzte.

Ansonsten ließ die TSG kaum etwas zu. FSV-Trainer Thomas Tuchel sprach davon, dass man "den Glauben gelebt" habe und auch "mal etwas erzwingen" müsse, was bezeichnend für die eher biedere Vorstellung seiner Truppe war. Nein, an der brechstangenmäßigen Art der Mittel und Wege konnte "Feingeist" und Taktik-Tüftler Tuchel gewiss keinen Gefallen finden.

Richtig angefressen sollte vor allem sein Amtskollege Markus Gisdol sein. Dem 1:2-Anschlusstreffer von Choupo-Moting (82.) war nämlich eine super Konterchance der Hoffenheimer vorausgegangen. Doch dann blieb das schlampige Genie Firmino nach einem Ballverlust vorne stehen, Tobias Strobl begleitete mit gebührendem Abstand den Gegenangriff und das Unheil nahm seinen Lauf. Gisdol grollte: "Durch das 1:2 weckst du den Gegner auf. Und auf einmal stehst du gefühlt mit leeren Händen da."

Mainz erwachte, sang und lachte schließlich - dank der groben Hoffenheimer Nachlässigkeiten. "Mit jeder Torchance haben sich die Mainzer noch mehr hochgepuscht und uns verunsichert", konstatierte Sven Schipplock. Auch TSG-Manager Alexander Rosen sprach deutlich die wacklige Endphase und das kollektive Fehlverhalten der Gisdol-Schützlinge an. "Ich will unserer Mannschaft kein Mentalitätsproblem unterstellen", so Rosen in seiner Erstdiagnose, "aber da ist plötzlich eine Gruppe verhalten, wird instabil und erfüllt ihre Aufgaben nicht mehr."

Ob sie in Hoffenheim personell doch noch nachlegen müssen? Rosen schloss dies am Samstag zumindest nicht aus.

Über die bisherigen unnötigen Punktverluste in der noch jungen Saison sagte Rosen: "Da reicht eine Hand nicht mehr." Und über das unbefriedigende, ja enttäuschende Remis in Mainz fiel das Urteil des TSG-Managers, der seinerseits eine schonungslose Analyse ankündigte, fast vernichtend aus: "So etwas darf uns nie im Leben passieren."

Gisdol kochte vor Wut, suchte und fand den schnellen Abgang aus der Pressekonferenz. Solch ein Spiel mit einem eklatanten Leistungsabfall ist erst mit einiger Distanz zu verdauen. Das Gesicht des Trainers sprach dabei Bände.

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