Das 3,5-Meter-Spiegelteleskop auf dem spanischen Berg Calar Alto. "Carmenes" ist an diesem Teleskop installiert und wird dieses Jahr damit beginnen, nach erdähnlichen Planeten bei anderen Sternen zu suchen. Foto: MPIA
upr. Ein neuartiges astronomisches Messgerät, mit dessen Hilfe erdähnliche Planeten aufgespürt werden sollen, ist erfolgreich im Praxiseinsatz getestet worden. Nach fünfjährigen Vorarbeiten kam Carmenes im November 2015 am 3,5-Meter-Spiegelteleskop des Calar Alto Observatoriums nahe Almería in Südspanien zum Einsatz. Das hochkomplexe Instrument wurde von einem internationalen Konsortium aus elf deutschen und spanischen Institutionen gebaut; auch Wissenschaftler des Zentrums für Astronomie der Universität Heidelberg (ZAH) sind beteiligt.
Das Messgerät besteht aus zwei Spektrographen, die das sichtbare und infrarote Licht von astronomischen Objekten analysieren können; sie wurden für die Entdeckung von Planeten naher Sterne optimiert. "Mit der Suche nach Planeten außerhalb unseres Sonnensystems wollen wir verstehen, wie und wo diese Himmelskörper entstanden sind und ob sie lebensfreundliche Bedingungen bieten. Inzwischen wurden schon etwa 2000 entdeckt. Allerdings sind die meisten von ihnen eher lebensfeindlich", erläutert der Leiter des Carmenes-Projekts, Prof. Andreas Quirrenbach, Direktor der Landessternwarte Königstuhl im ZAH. Vielversprechend sind dagegen Planeten, die um sogenannte M-Sterne kreisen. Dabei handelt es sich um kleinere und leuchtschwächere Sterne, die Planeten mit sternnahen Bahnen "angenehme" Temperaturen bieten.
Weil M-Sterne viel kühler sind als die Sonne, senden sie ihr Licht hauptsächlich im nah-infraroten Bereich des elektromagnetischen Spektrums aus. Deshalb konstruierten die Forscher einen Spektrographen, der für dieses Infrarotlicht empfindlich ist.
Stern und Planet umkreisen
sich wie Eiskunstläufer
Derzeit sei kein anderes Instrument dazu in der Lage, wie Prof. Quirrenbach betont. Auf Himmelsaufnahmen ist der direkte Nachweis von Planeten jedoch sehr schwierig, da sie von ihren Muttersternen überstrahlt werden, die eine Milliarde Mal heller sind und sich zudem ganz in der Nähe befinden. Um Planeten aufzuspüren, macht sich die Wissenschaft daher die Wirkung der Schwerkraft zunutze, die ein Planet auf seinen Stern ausübt. Stern und Planet umkreisen sich wie Eiskunstläufer, die sich gegenseitig die Hände reichen und umeinander rotieren. Ist aber einer der Läufer sehr klein und leicht, dann dreht sich der größere und schwerere fast genau um seine eigene Achse. Bei Sternen und Planeten ist der Massenunterschied so groß, dass sich der Stern nur mit einer Geschwindigkeit von wenigen Metern pro Sekunde bewegt.
Im Gegensatz dazu beträgt die Geschwindigkeit des Planeten viele Kilometer pro Sekunde. Es ist aber die langsame Bewegung des Sterns, die durch die sogenannte Doppler-Verschiebung von dunklen Linien im Sternspektrum die Existenz des Planeten verrät. Diese periodische Änderung der Spektralfarbe des Sterns wird durch die abwechselnde Bewegung des Sterns auf den Beobachter zu und wieder von ihm weg verursacht. "Durch seine ausgeklügelte Technologie kann Carmenes diese kleinen Bewegungen messen", so Dr. Walter Seifert, Astronom an der Landessternwarte Königstuhl und verantwortlich für die Konstruktion des visuellen Spektrographen.
Durch die Kombination der Daten beider Spektrographen erhalten die Wissenschaftler erheblich mehr Informationen als mit ähnlichen Vorgängerinstrumenten. Prof. Quirrenbach rechnet damit, dass Carmenes in den kommenden Jahren Dutzende Planeten außerhalb unseres Sonnensystems in der habitablen Zone entdecken wird.
Die Forscher erwarten, dass Carmenes noch im Januar 2016 mit den wissenschaftlichen Beobachtungen beginnen kann. Innerhalb von voraussichtlich fünf Jahre sollen alle notwendigen Daten gesammelt und ausgewertet sein. Carmenes wird finanziert von der Max-Planck-Gesellschaft, dem Consejo Superior de Investigaciones Científicas und den Mitgliedern des Carmenes-Konsortiums. Weitere Unterstützung kommt unter anderem vom spanischen Forschungsministerium, dem Land Baden-Württemberg, der Deutschen Forschungsgemeinschaft sowie der Klaus Tschira Stiftung.