Entführtes Mädchen in Edenkoben

Zwölf Jahre Haft und Sicherungsverwahrung

Das Landgericht Landau verurteilte den 62-Jährigen nach der Entführung und Missbrauch einer Zehnjährigen in Edenkoben.

12.09.2023 UPDATE: 18.04.2024 19:15 Uhr 9 Minuten, 39 Sekunden
Landgericht
Ein Justiz-Fahrzeug biegt in die Einfahrt zum Landgericht in Landau ab. Foto: Uwe Anspach

Von Wolfgang Jung

Landau/Edenkoben. Wegen der Entführung und des sexuellen Missbrauchs einer Zehnjährigen in Edenkoben in der Pfalz hat das Landgericht Landau den Angeklagten zu zwölf Jahren Haft verurteilt.

Die Richter sprachen den Mann am Donnerstag unter anderem wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern und Vergewaltigung, Entziehung Minderjähriger sowie Körperverletzung schuldig. Das Gericht ordnete zudem Sicherungsverwahrung an.

Der mehrfach auch wegen Sexualstraftaten verurteilte Angeklagte soll das Mädchen am 11. September 2023 auf dem Schulweg in sein Auto gezerrt und in einem leer stehenden Gebäude missbraucht haben. Nach einer wilden Verfolgungsfahrt wurde der Mann festgenommen und das Kind befreit. Der 62-Jährige hatte die Tat zu Prozessbeginn eingeräumt.

Den Schuldspruch nahm der Angeklagte aus Neustadt an der Weinstraße ohne sichtbare Regung zur Kenntnis. Der untersetzte Mann mit Glatze und dünnem Oberlippenbart war in Handschellen in den Sitzungssaal 309 geführt worden. In eine dunkle Jacke gehüllt, verdeckte er sein Gesicht mit einer Papiermappe vor Fotografen.

Der Anklage zufolge hatte er mit seinem Fluchtwagen, in dem auch das Kind saß, ein anderes Fahrzeug gerammt, war auf einen Streifenwagen zugerast und zum Teil mit mehr als 100 Stundenkilometern unterwegs.

Im Prozess hatte er ein von Haftstrafen geprägtes Leben geschildert. Er sei als eines von 13 Kindern aufgewachsen und "irgendwann kriminell" geworden. In einer von seiner Verteidigerin vorgetragenen Erklärung hatte er betont, er bedauere die Tat.

Die Staatsanwaltschaft hatte in ihrem nicht öffentlichen Plädoyer nach eigenen Angaben eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren sowie die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung gefordert.

Die Verteidigung wollte den Inhalt ihrer Schlussrede hinter verschlossenen Türen nicht vor der Urteilsverkündung mitteilen. Bereits beim Verlesen der Anklage Anfang März hatten Publikum und Presse den Saal zeitweise verlassen müssen. Es gehe um "schutzwürdige Interessen", hieß es.

Die Tat hatte auch eine Diskussion über das zwangsweise Anlegen einer elektronischen Fußfessel ausgelöst. Der Mann war Mitte Juli vergangenen Jahres aus der Haft entlassen worden und wurde engmaschig von der Polizei überwacht. Unter anderem wurde ihm untersagt, Kontakt zu Kindern und Jugendlichen aufzunehmen und sich in der Nähe von Spielplätzen, Schulen, Schwimmbädern und Kindergärten aufzuhalten.

Ferner durfte er weder ein internetfähiges Handy noch einen Laptop besitzen, damit er keine Foto- oder Videoaufnahmen macht. Gegen diese Weisung hatte der Mann nach Angaben der Ermittler verstoßen.

Auch Therapieangebote nahm er demnach nicht an. Zuvor hatte sich der Beschuldigte den Angaben zufolge geweigert, eine elektronische Fußfessel zu tragen. Die Behörden verwiesen damals darauf, dass eine Fußfessel nicht unter Zwang angelegt werden könne.

Wenige Tage vor der Tat beantragte die Staatsanwaltschaft einen Haftbefehl, weil der Mann gegen Auflagen verstoßen hatte. Die Akten mit dem Haftbefehl seien wegen der Erkrankung einer Mitarbeiterin aber erst nach der Tat beim Amtsgericht angekommen, hatte der rheinland-pfälzische Justizminister Herbert Mertin (FDP) mitgeteilt.

Nach dem Fall hatte Landesinnenminister Michael Ebling angekündigt, Rheinland-Pfalz wolle in der Novellierung des Polizei- und Ordnungsgesetzes den Rechtsrahmen für das Tragen einer elektronischen Fußfessel verschärfen – auch bei Sexualstraftätern. Der SPD-Politiker rechnet mit der Verabschiedung der Novelle noch in diesem Jahr.

Update: Donnerstag, 18. April 2024, 19.15 Uhr


Anwesenheit in der Schule – Land will Konzepte

Mainz/Edenkoben. (lrs) Vor dem Hintergrund des Entführungs- und Missbrauchsfalls von Edenkoben haben die Schulaufsichtsbehörde und das Kultusministerium alle Schulen in Rheinland-Pfalz in einem Schreiben dazu aufgefordert, ein Konzept für die Anwesenheitskontrolle von Schülern zu entwickeln.

Anders als in anderen Bundesländern seien die Schulen in der Pfalz zur Kontrolle der Anwesenheit der Schüler sowie zur Information der Eltern unentschuldigt abwesender Minderjähriger rechtlich verpflichtet, teilte Ministerin Stefanie Hubig (SPD) auf eine parlamentarische Anfrage der CDU-Fraktion mit.

Dem Ministerium lägen aber keine Informationen darüber vor, wie viele Schulen schriftlich niedergelegte Konzepte und Ablaufpläne zur Anwesenheitskontrolle der Kinder und Jugendlichen besäßen. Es stehe jedoch außer Zweifel, dass die Anwesenheitskontrolle und die Erarbeitung entsprechender Konzepte in allen Schulen verlässlich gehandhabt werden müssten, betonte Hubig.

Deswegen sei das Schreiben als Erinnerung und Aufforderung verfasst worden. Aus Sicht des Ministeriums müssten die Konzepte schriftlich niedergelegt werden, betonte die SPD-Politikerin. Damit werde sichergestellt, dass die Vorgaben auch bei Personalwechseln in der Schulleitung, im Kollegium und im Sekretariat beachtet würden.

Nach bestätigten Angaben hatte ein 61 Jahre alter und einschlägig vorbestrafter Mann am Morgen des 11. September eine Zehnjährige auf dem Schulweg in Edenkoben in ein Auto gezerrt, entführt und missbraucht. Laut Polizei hatte der mutmaßliche Täter sein Opfer in ein leer stehendes Gebäude im Landkreis Bad Dürkheim gebracht.

Das Mädchen wurde gegen 9 Uhr von ihrem Vater bei der Polizei als vermisst gemeldet, weil es nicht in der Schule angekommen war. Kurz davor war einer Zeugin vor Ort ein Raser aufgefallen. Die Polizei hatte das Auto nach zwei Stunden entdeckt und den mutmaßlichen Täter auf seiner weiteren Flucht gestellt.

Die CDU-Fraktion hat nach dem Fall ein ganzes Bündel an Maßnahmen für mehr Kinderschutz vorgeschlagen. Unter anderem tritt sie für eine Verpflichtung für öffentliche und private Schulen zu Schutzkonzepten gegen sexuellen Missbrauch ein. Die Fraktion strebt einen gemeinsamen Antrag mit den Ampelfraktionen an.

Update: Montag, 6. November 2023, 17.30 Uhr


Was Eltern und Schulen vorbeugend tun können

Der Deutsche Kinderschutzbund rät Eltern, gerade auch den täglichen Schulweg mit den Kindern einzuüben. Foto: dpa

Von Mona Wenisch

Edenkoben. Ein Kind wird auf dem Schulweg von einem fremden Menschen mit bösen Absichten abgefangen: Was für Eltern ein Albtraum-Szenario ist, wurde im pfälzischen Edenkoben Realität. Die Entführung und der Missbrauch eines zehnjährigen Mädchens verunsichern viele Eltern und Kinder. Was können sie tun? Und wie wahrscheinlich ist so ein Fall überhaupt? Es gibt Vorsichtsmaßnahmen, aber keinen absoluten Schutz, sagen Experten. "Sexuelle Gewalt durch Fremde ist aber eher die Ausnahme", so Kerstin Claus, Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs.

> Die meisten Fälle im Umfeld oder im Internet: Die meisten Fälle sexualisierter Gewalt passierten im sozialen Umfeld des Kindes oder im Internet, erklärt Joachim Türk vom Landesverband des Deutschen Kinderschutzbunds. "20 bis 30 Prozent der Grundschulkinder werden von erwachsenen Männern im Internet angemacht." Sie würden etwa aufgefordert, Bilder zu schicken oder bekämen welche zugeschickt.

> Nein sagen lernen: Wie können Eltern ihre Kinder auf so etwas vorbereiten? "Egal, ob man auf der Straße angesprochen wird, es im sozialen Nahbereich passiert oder im Internet: Es ist wichtig, dass Kinder selbstbewusst sind", sagt Türk. Carina Kneip vom Leitungsstab Prävention beim rheinland-pfälzischen Landeskriminalamt, erklärt: "Kinder sehen Erwachsene als Autoritätspersonen an. Sie müssen darin bestärkt werden, dass sie Fremden keine Antwort geben müssen oder Nein sagen dürfen." Das sei wichtig, weil es in anderen Situationen als unhöflich angesehen werde.

> Selbstbewusste Kinder sind besser geschützt: Ein starkes Selbstbewusstsein ist die Grundlage für Prävention. "Die Erfahrung, die Statistik und die Forschung sagen: Kinder, die selbstbewusst auftreten, sind viel besser geschützt als Kinder, die sich klein machen", sagt Türk. Claus stellt klar, dass Kinder sich in den meisten Fällen aber nicht selbst schützen könnten. Die Verantwortung dafür liege bei den Erwachsenen aus ihrem Umfeld.

> Den Schulweg einüben: "Eltern haben eine Vorbildfunktion", unterstreicht Kneip. "Sie müssen in ihren Absprachen verlässlich und pünktlich sein, weil die Kinder das so lernen." Es sei wichtig, dass die Eltern den Schulweg mit den Kindern zum Start ablaufen. Dabei sollte fest abgesprochen werden, dass das Kind den Weg nicht verlassen soll. "Kinder lernen ja auch Fahrradfahren mit den Eltern. Und so muss man auch den Schulweg einüben", sagt Türk. "Da kommen die Autos, da ist der Hund – und es kann auch passieren, dass du von Erwachsenen angesprochen wirst." In Not-Situationen können laut Kneip sogenannte Sicherheitsinseln helfen. "Also etwa die Tankstelle oder ein Supermarkt, wo es erwachsene Menschen gibt und ein Telefon." Auch helfe es, wenn Kinder den Schulweg in Gruppen laufen.

> Kinder aufklären: Ein wichtiges Element von Prävention sei es, Kinder altersangemessen über sexualisierte Gewalt aufzuklären, sagt Claus. "Schon Kitakinder sollten lernen, dass sie Nein sagen dürfen." Dabei solle keine Angst aufgebaut werden, erklärt Türk. "Aber Eltern müssen sagen, dass es Menschen gibt, die zudringlich werden." Das könne online, auf der Straße oder in der Verwandtschaft passieren. Und die Kinder müssten wissen, dass sie immer zu den Eltern kommen können.

> Prävention in der Schule: Neben Eltern spielen auch Schulen eine wichtige Rolle bei der Prävention. Aufsichtspersonen etwa dürften Kinder nicht an fremde Menschen abgeben, sagt Kneip. Und sie sollten aufmerksam sein. "Manchmal hat man ja auch einfach ein ungutes Gefühl. Viele scheuen sich dann, die Polizei anzurufen", sagt sie. "Aber wenn man was beobachtet, was einem verdächtig vorkommt, dann bitte die Polizei anrufen." Möglichst genaue Notizen zur verdächtigen Person oder etwa einem Auto helfen der Polizei. Zudem müssen alle Schulen in Rheinland-Pfalz sogenannte Krisenteams bilden.

> Wenn es zum Notfall kommt: Kneip zufolge müsse dem Kind signalisiert werden: "Du darfst laut sein, du darfst laufen. Kinder sollen ruhig durch Schreien und Weglaufen auf sich aufmerksam machen und ganz aktiv nach Hilfe fragen." Kinder und Jugendliche müssten spüren, dass man zu ihnen stehe und sie ernst nehme, sagt Claus. "Dazu gehört, dass wir ihnen ganz deutlich vermitteln, dass niemals sie Schuld haben an der sexuellen Gewalt. Denn die Verantwortung liegt immer ganz allein beim Täter beziehungsweise der Täterin." 

Update: Montag, 18. September 2023, 19.18 Uhr


Ermittler sehen kein Versäumnis

Von Gerhard Bühler und Mona Wenisch

Ludwigshafen/Edenkoben. Die Staatsanwaltschaften Landau und Frankenthal sowie das Polizeipräsidium Rheinpfalz haben am Donnerstag in einer Pressekonferenz über Hintergründe des Sexualdelikts an einem zehnjährigen Mädchen in Edenkoben informiert und zu Vorwürfen gegen Stellung bezogen.

Ein Warnschild und ein Schild mit der Aufschrift „Schulweg“ stehen am Rand der Luitpoldstraße. In dieser Straße in Edenkoben soll ein verurteilter Sexualstraftäter eine Zehnjährige auf dem Schulweg in sein Auto gezerrt, entführt und mutmaßlich missbraucht haben. Foto: dpa

> Was geschehen ist. Andreas Sarter, seit Juni Vizepräsident des Polizeipräsidiums Rheinpfalz, gab einen Rückblick auf die dramatischen Ereignisse. Demnach ist die Zehnjährige am Montag, kurz vor acht Uhr, auf dem Schulweg in ein Auto gezogen worden. Nachdem die Schule den Eltern das Fehlen des Mädchens gemeldet hatte, habe der Vater gegen 9 Uhr Vermisstenanzeige erstattet. Eine Anruferin bei der Polizei habe in Edenkoben ein beschädigtes grünes Fahrzeug bemerkt, in das etwas hineingestoßen worden sei. Dank ihrer Vorkenntnisse sei es der Polizei gelungen, das Fahrzeug mit einem 61-jährigen Mann in Verbindung zu bringen.

Bei den sofort eingeleiteten Fahndungsmaßnahmen seien zivile Polizeikräfte kurze Zeit später in Maikammer auf das Auto des Tatverdächtigen gestoßen. Dieser sei daraufhin in hohem Tempo und in rücksichtsloser Weise geflüchtet und habe dabei drei Unfälle verursacht. Die wilde Verfolgungsjagd führte über die A 65 in Richtung Süden und endete auf der B9 im "Bienwald", wo der Tatverdächtige wohl wegen eines technischen Defekts das Tempo drosseln musste. Die Beamten hatten den Befehl, das Fluchtauto wegen des entführten Kindes nicht zu rammen, sagte Sarter. Bei der Festnahme um 10.05 Uhr aus dem Auto heraus sei körperlicher Zwang notwendig gewesen. Das Mädchen habe auf der Rückbank des Wagens gelegen.

Wie die Landauer Oberstaatsanwältin Angelika Möhlig berichtete, laufen die Ermittlungen aktuell auf Hochtouren. Weiterhin gingen viele Hinweise aus der Bevölkerung ein. Ein Handy, das der Mann bei der Flucht aus dem Auto geworfen hatte, sei gefunden worden und werde ausgewertet. Der Tatverdächtige habe das Mädchen nach der Entführung vermutlich in ein leer stehendes Gebäude bei Bad Dürkheim gebracht. Hier gibt es eine stillgelegte Papierfabrik. Man gehe davon aus, dass es dort zu einem Missbrauch gekommen sei, sagte Möhlig und betonte, dass der 61-Jährige jetzt in Untersuchungshaft sitze: "In den sozialen Medien kursierende Gerüchte, wonach er entlassen worden wäre, sind falsch."

> Kritik an den Behörden. Nach der Tat hat es laute Kritik an den Behörden gegeben. Der Festgenommene ist früher bereits wegen drei Sexualdelikten verurteilt worden – in den 1990ern und zuletzt im Jahr 2008. Jetzt wurde kritisiert, dass die Öffentlichkeit in Edenkoben und die Schulen nicht über die Anwesenheit eines vorbestraften Sexualstraftäters in der Gemeinde informiert worden seien. Dazu bezog Vize-Polizeipräsident Sarter Stellung. Weil der 61-Jährige die Auflagen der Führungsaufsicht nach der letzten Verurteilung wegen anderer Delikte nicht befolgte, sei er 2020 wieder in Haft gekommen und erst am 14. Juli entlassen worden. Anschließend sei er im Programm "Visier" der Polizei gewesen, so Sarter. Dieses soll entlassene Straftäter unterstützen, aber auch der Überwachung und Kontrolle dienen.

> Keine Hinweise auf eine Gefahr. Die zuständigen Behörden hätten das vom 61-Jährigen ausgehende Gefahrenpotenzial keineswegs unterschätzt. Er sei nach der Entlassung nahezu jeden Tag von Beamten für eine Gefährderansprache aufgesucht worden. "Deutlich mehr als im Gerichtsbeschluss vorgesehen", so Sarter. Es sei in diesem Rahmen aber keine Observation rund um die Uhr möglich gewesen. Auf eine Gefahr habe es keine Hinweise gegeben. Deshalb habe es auch keine Information gegeben, die etwa an Schulen zu noch größerer Verunsicherung geführt hätte. Der Mann habe ein Auto gehabt und sei sehr mobil gewesen. "Wo fangen Sie da an, wo hören Sie auf?", fragte Sarter. Zudem seien Meldungen über einen frei gelassenen Sexualstraftäter zuvor schon in den sozialen Medien kursiert.

> Kriminelle Vorgeschichte. In der kriminellen Vorgeschichte des 61-Jährigen stehe auch Kindesmissbrauch, der 2008 zur Verurteilung führte, informierte Oberstaatsanwalt Hubert Ströber von der Staatsanwaltschaft Frankenthal. Hier war der Mann zuletzt verurteilt worden. Die Staatsanwaltschaft Frankenthal habe eine elektronische Fußfessel zur Aufenthaltsbestimmung für den 61-Jährigen beantragt. Dies sei vom Landgericht im Juni aber abgelehnt worden. Eine Beschwerde dagegen liege nun beim Oberlandesgericht. Selbst wenn diese Erfolg haben sollte, sehe das Gesetz in Rheinland-Pfalz ein zwangsweises Anlegen der Fußfessel nicht vor, stellte Ströber klar. Zudem habe die Verteidigerin des Mannes dagegen Beschwerde beim Oberlandesgericht eingelegt. Eine Entscheidung sei noch nicht gefallen.

Um den Mann im Vorgriff auf eine neue Anklage an der Flucht zu hindern, habe seine Behörde am 8. September erneute Untersuchungshaft wegen des Verstoßes gegen Führungsauflagen beantragt, berichtete Ströber.

Die Verstöße seien der Besitz eines Mobiltelefons, das umstrittene Verweigern der Fußfessel und eine Übernachtung im Naturfreundehaus in der Nähe eines Kinderspielplatzes gewesen, berichtete er im Detail. "Es konnte dabei kein Kontakt zu Kindern festgestellt werden. Es gab kein Anzeichen, dass von ihm eine unmittelbare Gefahr ausgeht", erläuterte er, warum ein Haftbefehl nicht schneller ausgestellt werden konnte. Der Tatverdächtige wäre wenige Tage später ohnehin wieder in Untersuchungshaft gekommen. Der Haftbefehlsantrag der Staatsanwaltschaft Frankenthal an das Amtsgericht Neustadt war quasi bereits in der Post – aber beim Empfänger noch nicht eingegangen, also auch nicht bearbeitet worden. Das macht die Tat umso tragischer.

> Möglichkeiten ausgeschöpft. Auf die Nachfrage, wer denn die Verantwortung für die Ereignisse trage und wie das Ganze hätte verhindert werden können, zeigte sich Sarter überzeugt, dass alle beteiligten Behörden ihre gesetzlichen Möglichkeiten ausgeschöpft hätten. "Die im letzten Verfahren von der Frankenthaler Staatsanwaltschaft beantragte Sicherungsverwahrung hätte geholfen", betonte Ströber. Doch das Gericht habe den möglichen Strafrahmen damals nicht ausgeschöpft.

> Neustadt zieht Konsequenzen. Der Oberbürgermeister der Stadt Neustadt kündigte derweil Konsequenzen an: Die Stadt werde, auch wenn sie keine Strafverfolgungsbehörde sei, die Sicherheit an Schulen und Kitas wieder "fester in den Blick nehmen", so Marc Weigel. Der Tatverdächtige stammt aus Neustadt an der Weinstraße. "Dieser Fall führt uns an die Grenzen des Rechtsstaates, an die buchstäblichen Schmerzgrenzen", so Weigel. Politik und Strafverfolgungsbehörden müssten aus dieser Tat die richtigen Schlüsse ziehen. "Dem Anspruch der Gesellschaft auf Schutz vor solchen Straftätern muss ein höheres Gewicht beigemessen werden."

Update: Donnerstag, 14. September 2023, 20.25 Uhr

Bei der Pressekonferenz der Polizei in Ludwigshafen (v. l.): Alexander Welter von der Kriminalinspektion Landau, Leitende Staatsanwältin Angelika Möhlig (Staatsanwaltschaft Landau), der Vizepräsident des Polizeipräsidiums Rheinpfalz, Andreas Sarter, und Leitender Oberstaatsanwalt Hubert Ströber von der Staatsanwaltschaft Frankenthal. Foto: Bühler