Tobago

Idyllisch, tropisch, gefährdet

Tobago vor der Küste Venezuelas ist ein Paradies für Naturliebhaber. Doch mehr Tourismus könnte der Insel ihren Charme nehmen.

18.04.2025 UPDATE: 19.04.2025 04:00 Uhr 3 Minuten, 31 Sekunden
Die entlegenen Buchten Tobagos lassen sich am besten mit dem Mietwagen erkunden. Fotos: Robin Höltzcke

Von Robin Höltzcke

Bei Sonnenaufgang mit Kolibris zu frühstücken und den karibischen Klängen der Stahlpfanne zu lauschen, lässt jegliches Gefühl von Zeit verschwinden. Tobago ist einfach wie gemacht für Gäste, die sich an einer ursprünglichen Natur erfreuen und den Massen entfliehen wollen.

Das Herzstück der rund 42 Kilometer langen Insel vor der Küste Venezuelas ist der Regenwald. Die steilen und üppig bewachsenen Berghänge im Norden erstrecken sich bis zur Küste, im Süden dagegen flacht die Insel ein wenig ab.

Das Tobago Main Ridge Forest Reserve ist das älteste gesetzlich geschützte Waldreservat der westlichen Hemisphäre. Der britische Gouverneur Sir William Young I. stellte im 18. Jahrhundert fest, dass die Rodung des Waldes zu Bodenerosion führt und die Insel ihren Wasserspeicher verliert. Dank dieser Erkenntnis beschloss man bereits im Jahr 1776, rund 4000 Hektar Wald unter Naturschutz zu stellen – das entspricht etwa 13 Prozent der Fläche Tobagos. Ein Hotspot der Artenvielfalt.

Mit dem Ornithologen und ehemaligen Bodybuilder Thomas Kelton geht es nach dem Frühstück mit den smaragdgrün schillernden Kolibris für eine Erkundungstour in den geschützten Wald. "Mehr als 200 Vogelarten kommen hier vor, darunter auch der seltene Weißschwanz-Degenflügel-Kolibri", erklärt der 55-Jährige. Zwölf der rund 2000 bekannten Pflanzenarten sollen sogar ausschließlich auf Tobago vorkommen.

Thomas leitet auf der Insel unter anderem eine Auffangstation für Raubvögel. Sein fundiertes Wissen über die Natur teilt er gerne mit Gästen. An einem Bachlauf hält er an. "Seht ihr diese Fische? Die Eisvögel jagen nach ihnen, doch bis heute birgt dieses Jäger-Beute-Verhältnis immer noch Rätsel." Thomas erklärt, dass bei der Jagd auf Fische immer wieder Algen am Schnabel der Räuber hängen bleiben. An diesen Algen haften aber auch Fischeier. Und wenn der Vogel seinen Schnabel über einer Wasserstelle abstreift, können die Fische neue Reviere erreichen. "Bis heute konnten Wissenschaftler nicht herausfinden, ob die Ausbreitung der Fische durch die Algen reiner Zufall ist, oder ob der Eisvogel gezielt seine zukünftige Nahrung in den Gewässern Tobagos verteilt."

Ein paar Meter weiter steht ein fast verrotteter Baum, der als Unterschlupf für Fledermäuse dient. Im Dickicht sieht Thomas plötzlich eine bräunliche, dünne Schlange. "Eine Gelbschwanz-Cribón! Erst vor Kurzem habe ich einem Schlangenforscher davon berichtet, und der war völlig aus dem Häuschen, als er die Videoaufnahmen gesehen hat." Bis dato habe man nicht gewusst, dass diese Art hier vorkommt.

Viele der Pfade im Wald gibt es schon seit langer Zeit, denn sie waren die damaligen Ost-West-Verbindungen der Ureinwohner Arawak und Kalinago. Archäologische Funde zeigen, dass die Insel seit mehr als 5000 Jahren bewohnt ist. Doch nur wenig ist über diese Bevölkerungsgruppen bekannt, denn die britischen Kolonialherren hielten nicht viel von den Naturvölkern. Zwangsumsiedlung, Assimilation und Sklaverei ließen diese alten Kulturen verblassen.

Hintergrund

Infos: 

Anreise: Von Frankfurt fliegt Condor direkt nach Tobago. Flüge nach Tobago kosten ab 600 Euro.

Einreise: Das Einreisedokument für Trinidad und Tobago muss vor Ort ausgefüllt

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Infos: 

Anreise: Von Frankfurt fliegt Condor direkt nach Tobago. Flüge nach Tobago kosten ab 600 Euro.

Einreise: Das Einreisedokument für Trinidad und Tobago muss vor Ort ausgefüllt werden.

Unterkunft: Mit das bekannteste Hotel auf der Insel ist das Coco Reef Resort im Südwesten der Insel, 
www.cocoreeftobago.com/hotel-booking
Tobago hat aber auch eine große Auswahl an kleineren und familiären Hotels – sowohl an der Küste als auch im Inland.

Ausflugstipps: Es gibt zahlreiche Touranbieter, mit denen man die Insel erkunden kann. Wer sich zutraut auf den engen Straßen und bei Linksverkehr selbst zu fahren, kann mit einem Mietwagen die traumhaften Buchten besuchen. Auch die Kolibrigärten sind einen Besuch wert.

Essen & Trinken: Empfehlenswert sind die Restaurants "Jemma’s Treehouse Last Stop" und "Bird Watchers Restaurant and Bar" im Norden der Insel in Speyside.

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Scarborough, die Hauptstadt Tobagos, war einst der Umschlagort der Briten für Waren wie Tabak, Zucker, Baumwolle, Kakao und Indigo. Im 17. und 18. Jahrhundert verschifften sie Tausende afroamerikanischer Sklaven dorthin. Unmenschlich und hart war diese Zeit.

Die Überbleibsel der ehemaligen Tabak-, Zuckerrohr- und Kokosnussplantagen sind bis heute noch zu sehen. Ihre Ruinen vereinnahmt der Dschungel allmählich. Auch der Name der Insel erinnert an die damalige Tabakproduktion. "Es gibt ein Museum, da kann man nachempfinden, wie es war, an die Wand gekettet zu sein", erzählt Thomas. Denn so haben damals viele Afroamerikaner schlafen müssen. Auch wenn die Sklaven in der Überzahl waren, konnten sie die systematische Unterdrückung nicht brechen. Selbst der Slavery Abolition Act im Jahr 1833 führte zu keinem finalen Ende der Ausbeutung. Koloniale Machtstrukturen und Rassismus blieben weiter bestehen.

Heute leben etwa 60.000 Menschen auf Tobago, die letzte Hochzählung war im Jahr 2011. Thomas zufolge hegen die Bewohner Tobagos keinen Groll auf die Briten aufgrund der damaligen Geschehnisse. "Damals ist damals und heute ist heute. Das einzige, was zählt, ist, dass wir aus der Vergangenheit lernen."

Nach der Dschungeltour geht es mit dem Auto weiter entlang der pittoresken Küstenstraße, die rings um die Insel führt. Die karibische Seite im Nordwesten unterscheidet sich dabei stark von der Atlantikseite im Süd-Osten. Während die Atlantikseite rauer und schroffer ist, findet man idyllische Strände mit gelbem Sand und hellblauem Wasser auf der karibischen Seite.

Auch für Taucher ist Tobago ein spannendes Revier. Unter anderem gibt es hier Hammerhaie und Mantarochen. "Sogar die vom Aussterben bedrohte Lederschildkröte kommt für die Eiablage an die Strände der karibischen Seite", erklärt Tauchguide Derek Chung. Doch der Unterwasserreichtum schwinde mit der Zeit, teilt er mit. "Wissenschaftliche Beobachtungen haben ergeben, dass mittlerweile 80 Prozent der Korallen abgestorben sind." Die Korallenbleiche stagnierte die letzten Jahre und die noch lebenden Korallen sind die letzten Rückzugsorte für viele Unterwasserbewohner. Auch die Fischer vor Ort sollten ihre Fanggewohnheiten anpassen und die Erholung bestimmter Fischbestände ermöglichen, findet Tauchlehrer Derek. Doch davon sei man noch weit entfernt.

Bei einem Tauchgang vor der Südwestküste können wir uns glücklich schätzen: Sieben Langusten, die sich unter einem Stein verstecken, lassen sich unbeirrt beobachten. Ammenhaie zeigen sich von ihrer ruhigen Seite. Im Strömungsschatten der Gesteinsformationen erholen sich die nachtaktiven Tiere.

Wie lange Tobago noch einen überschaubaren und eher sanften Tourismus beibehalten kann, ist ungewiss. Das neue Terminal am Flughafen, das von einem chinesischen Unternehmen gebaut wurde, soll drei Millionen Touristen jährlich die Einreise ermöglichen. Dabei sind laut der ansässigen Tourismusbehörde 100.000 Gäste das Ziel für 2024 gewesen.

Inwiefern die Pläne der Regierung mit so vielen Touristen umgesetzt werden, ist unklar. Außerdem lässt die aktuelle Bettensituation nicht wesentlich mehr Besucher zu und die Folgen des Overtourism könnten der Insel ihren Charme nehmen.

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