Mombasa

Kenias Chancen und Hürden

Umwelt- und Sozialprojekte von der Küste bis in die Savanne

10.02.2024 UPDATE: 10.02.2024 06:00 Uhr 4 Minuten, 56 Sekunden
Der Mond scheint durch die Palmenwipfel am Strand bei Mombasa. Alle Fotos: Robin Höltzcke

Von Robin Höltzcke

Es hat 30 Grad und trotzdem fühlt es sich kühl an. Der Mond scheint auf das Wasser – nachts am Strand im Norden Mombasas. Menschenleer ist es hier, wo noch vor wenigen Stunden Kenianer eifrig Souvenirs verkauften. Lediglich die Silhouette einer Person ist in der Ferne zu sehen. Zielgerichtet und doch zögerlich kommt der Schatten immer näher.

"Hallo, ich bin Maria", sagt eine junge Frau, als sie gehüllt in dünne Tücher vor mir steht. "Ich rate dir, nicht weiter zu laufen als das Licht den Strand beleuchtet. Es kann dort gefährlich sein." Sie spricht Deutsch, wie nur wenige, die versuchen, am Tourismus mitzuverdienen. Verkaufen möchte Maria mir jedoch nichts. "Ich bin auf der Suche nach Arbeit", erzählt sie. Früher war sie Putzfrau, doch ihre Arbeitgeber missbrauchten sie. Nun hat sie zwei Kinder und passt zusätzlich auf ihre viel jüngere Schwester auf. Deutsch lernte die 35-Jährige durch den Kontakt zu Touristen.

Hintergrund

Info:

Anreise: Direktflüge von Frankfurt nach Mombasa dauern rund neun Stunden. Direkte Hin- und Rückflüge variieren zwischen 400 und 800 Euro.

Visum: Seit dem 5. Januar 2024 gibt es keine Visumspflicht mehr für

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Info:

Anreise: Direktflüge von Frankfurt nach Mombasa dauern rund neun Stunden. Direkte Hin- und Rückflüge variieren zwischen 400 und 800 Euro.

Visum: Seit dem 5. Januar 2024 gibt es keine Visumspflicht mehr für Touristen. Lediglich die "Electronic Travel Authorization" muss online beantragt werden unter: www.etakenya.go.ke/en

Unterkunft: Wer an der Küste nördlich von Mombasa unterkommen möchte, kann etwa die Severin Sea Lodge besuchen www.severinsealodge.com/de
Eine Nacht kostet pro Person ab 78 Euro inklusive Frühstück.
Als Safariunterkunft eignet sich die luxuriöse Salt Lick Lodge im Naturschutzgebiet nahe der Siedlung Voi – ein idealer Ort, um Wildtiere zu beobachten. Die Nacht pro DZ inklusive Vollpension kostet ab 230 Euro.

Safari: Anbieter wie Pollman’s bieten eine Vielzahl mehrtägiger Safariprogramme an: www.pollmans.com

Währung: Zahlungsmittel in Kenia ist der Kenia-Schilling. Ein Euro entspricht etwa 175 Kenia-Schilling, stand Februar 2024.

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"Mir ist kalt, ich bin hungrig und sehr durstig. Hast du vielleicht ein paar Münzen für mich?" Um ihr aus dem Hotel Wasser und Essen zu holen, lasse ich sie am Strand zurück – denn die Nachtwächter der Hotelanlage verweigern ihr den Zugang.

Maria erzählt, dass sie vom Land in die Stadt zog, weil sie auf der Suche nach einer Perspektive war. Obwohl die Regierung ehrgeizige Ziele für soziale Stabilität und die lokale Wirtschaft anstrebt, lebt sie, wie viele Kenianer, am Existenzminimum. Die Arbeitslosenquote in Mombasa – der zweitgrößten Stadt des Landes – liegt bei rund 44 Prozent; der Großteil ist jünger als 35.

Ich frage die Einheimische, ob sie die Ausbildungsstelle beim Hotel Severin kennt. "Nein, und außerdem kostet eine Ausbildung hier viel Geld", antwortet sie. In diesem Fall ist es jedoch anders. Ab dem zweiten Ausbildungsjahr erhalten die Azubis dort 400 Schilling pro Tag, sprich: 2,30 Euro. Im dritten Jahr gibt es dann 600 Schilling. "Echt?", fragt Maria verwundert. "Da werde ich mich morgen direkt erkundigen."

Die Berufe Klempner, Elektriker, Tischler, Maurer oder Metallarbeiter kann man hier lernen. Die Ausbildungsstätte nennt sich Tui Academy Kenya und ist durch eine Kooperation des Severin Craftsman Training Centre und der Tui Care Foundation entstanden. Vor allem Jugendliche zwischen 19 und 26 Jahren sollen so einen Zugang zu einer Ausbildung erhalten, die nach Abschluss einer Prüfung auch von der Deutschen Auslandshandelskammer anerkannt wird.

Die Nachfrage ist groß. 300 Bewerber kommen auf 30 Plätze pro Jahr. Die 28-jährige Peninah, die seit vier Monaten ausgelernte Elektrikerin ist, berichtet: "Es mangelt an Arbeitsplätzen und dafür benötigt es mehr Selbstständige." Auch die Nachwehen der Pandemie schwächen weiterhin den Arbeitsmarkt. Nicht nur Hotels, sondern auch das traditionelle Kunsthandwerk ist stark betroffen. Viele bleiben auf ihren Gemälden, Holzfiguren, Masken oder Schmuckgegenständen sitzen.

In Bombolulu – einem Kulturzentrum in Mombasa – führte das zu einem starken Rückgang der Verkäufe. Rund 190 Familien leben auf dem Gelände – darunter 30 Menschen mit körperlichen Einschränkungen, die hier einen Arbeitsplatz haben. Die Angestellten produzieren unter anderem Ketten, Ohrringe, Lederwaren und Skulpturen aus Holz. Der Ort wird aber auch für Veranstaltungen genutzt und ist ebenso für Touristen zugänglich. Gäste können hier die Architektur verschiedener Stämme aus Kenia kennenlernen sowie traditionell essen.

Ronald Jimbi arbeitet seit den 80er-Jahren in Bombulu. Bei einem Rundgang über das Gelände zeigt er mit seiner verbliebenen Hand auf eine Palme und sagt: "Von der bin ich vor vielen Jahren gestürzt und habe dabei meinen Arm verloren." Doch das hält ihn nicht davon ab, positiv zu denken. Stolz präsentiert er die Fahrradproduktion vor Ort. "Die Dreiräder lassen sich mit nur einer Hand bedienen." Er schwingt sich aufs Rad und macht es vor. Bombolulu gilt in Mombasa als Vorzeigeprojekt für soziale Integration und wird von den Einwohnern sehr geschätzt. Doch der Bedarf an sozialen Einrichtungen ist weitaus höher als das Angebot.

Zebras im Tsavo-West-Nationalpark überqueren unbeirrt die vom Regen ausgespülte Safari-Straße.

Der Wunsch nach einem besseren Leben hat viele Menschen dazu gebracht, vom Land in große Städte zu ziehen. Und obwohl die Versorgungslage in Mombasa prekär ist, wächst die Einwohnerzahl dort weiter. Die leicht hügelige Küstenstadt mit ihren vielen Bauruinen hat den größten Hafen Kenias und ist die wirtschaftliche Hauptschlagader des Landes. Fährt man durch die Straßen der Millionenmetropole, wird schnell klar, dass nur ein geringer Prozentsatz der Bevölkerung vom internationalen Handel profitiert. Viele Wohnviertel sind aufgrund von Abwässern sowie mangelnder Müllentsorgung und dem Qualm der Autos gesundheitsschädigend.

Es wird aber auch investiert. Geld für Großprojekte wie den Schienenverkehr kommt aus China. Zwölf Stunden dauerte früher die Fahrt mit dem Zug von Mombasa zur Hauptstadt Nairobi – mit der neuen Strecke benötigt man weniger als fünf. Auch die Sanierung vieler Straßen wird unter anderem von chinesischen Unternehmen finanziert. Die nötige Infrastruktur für ausreichend Hygiene ist aber nur denen vorbehalten, die es sich leisten können.

Ronald Jimbi vom Kulturzentrum Bombolulu zeigt, wie man Fahrrad mit einem Arm fährt.

Um über die Runden zu kommen, ist für viele die Straße die einzige Möglichkeit, Geld zu verdienen. Vor allem auf der Route, die ins Landesinnere führt. Tag ein, Tag aus fahren hier Lkw von weit her vorbei, denn es ist die direkte Verbindung nach Uganda, Ruanda und Nairobi. Sobald der Verkehr langsamer wird, rennen Jugendliche auf die zweispurige Straße und bieten den Lastwagenfahrern Wasser und Snacks durch das Fenster an. Der Gegenverkehr rauscht dabei hautnah an ihnen vorbei.

Zugang zu sauberem Wasser ist aber nicht nur in der Stadt problematisch. Auch im Inland stellt sich die Wasserversorgung als schwierig dar. Vor allem, weil es die letzten drei Jahre viel zu wenig geregnet hat. Erst im Oktober und November 2023 kam endlich wieder ausreichend Wasser vom Himmel.

Bei der Siedlung Voi – knapp drei Autostunden von Mombasa entfernt – erzählen Bewohner, dass sie ihren Augen kaum trauen können. "So grün habe ich die Savanne schon lange nicht mehr gesehen", berichtet Jacob Njaramba Ngatia, ein Biologe, der sich für den Erhalt der Savannen einsetzt. Die Region Taita Taveta ist landwirtschaftlich geprägt, aber auch touristisch erschlossen und zählt als Geheimtipp für Safaris. Bereits auf dem Weg zum Hotel lassen sich Elefanten, Zebras, Strauße, Marabus, Adler, Paviane und Löwen beobachten.

Die Schäden der langen Trockenheit sind trotz des üppigen Wachstums weiterhin sichtbar. Akazien stehen wie Gerippe entlang eines Flusslaufs und das braune Wasser sowie die steilen Abrisskanten an den Flussläufen zeigen, wie stark der Regen den Boden ausspült. "Das muss sich ändern, denn Erosion nimmt den Landwirten die Sicherheit, Lebensmittel zu produzieren", ist der Biologe überzeugt.

Damit die Einwohner extreme Trockenperioden wie in den letzten Jahren besser überstehen, hat man hier in Kooperation mit der Tui Care Foundation einen Brunnen gebaut. So will man zukünftig in der Region von Taita Taveta die Wasserversorgung mehrerer Tausend Einwohner sichern.

Es brauche aber nicht nur Brunnen, sondern auch intakte Erdböden. Denn der Regen müsse vom Boden aufgenommen werden, berichtet die Ökologin Naomi Wanja bei einer Baumpflanzaktion nahe der abgestorbenen Akazien. "Wir arbeiten mit einer Ranch zusammen, um mit Rindern den Boden gezielt zu verbessern. Dafür stellen wir beispielsweise die Viehherde für vier Nächte auf die gleiche Fläche, bevor sie ein anderes Nachtquartier bekommen." Der Boden werde durch die Hufe aufgebrochen und gleichzeitig gedüngt. "Nach nur etwas Regen beginnen die Gräser zu sprießen, während nebenan kaum etwas wächst", berichtet die 25-Jährige.

Nutztiere als Werkzeug für mehr Pflanzenwachstum einzusetzen, ist hier relativ neu. Naomi Wanja und Jacob Njaramba Ngatia glauben, dass so die Gemeinden eine Chance haben, ihre Lebensmittelversorgung eigenständig zu verbessern. Schließlich sind die Familien auf ihr Vieh angewiesen. Und die Tiere lassen sich mit dem richtigen Management auch gut im Ackerbau einsetzen. Das schaffe Perspektiven und reduziere auf lange Sicht die Landflucht.

Vielleicht könnten sich so auch Chancen für Maria vom Strand in Mombasa bieten, wieder aufs Land ziehen. Schließlich verließ sie nur ungern ihre Familie, um in der Stadt Arbeit zu finden.

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