Laut einer neuen Studie ist die Menschheit eher schlecht vorbereitet - Forscher warnen vor erhöhten Risiken durch Wohlstandskrankheiten und Klimawandel
Von Patrick Galey
Paris. Millionen von Menschen starben Anfang des vergangenen Jahrhunderts an der Spanischen Grippe, insgesamt rund ein Drittel der Weltbevölkerung erkrankte an dem Virus. Seitdem sind hundert Jahre vergangen und aus der Epidemie wurden einige Lehren gezogen.
Dennoch ist die Menschheit laut einer neuen Studie auf eine nächste große Grippe-Epidemie schlecht vorbereitet. Die Autoren warnen, der demografische Wandel, Antibiotika-Resistenzen und der Klimawandel könnten die Bekämpfung der Krankheit erschweren, so dass bis zu 150 Millionen Menschen sterben könnten.
"Wir stehen nun Herausforderungen gegenüber wie einer alternden Bevölkerung, Menschen mit Grunderkrankungen wie Fettleibigkeit und Diabetes", sagt Carolien van de Sandt vom Peter-Doherty-Institut für Infektionen und Immunität an der Universität von Melbourne.
Patienten, die an der Spanischen Grippe erkrankt sind, liegen 1918 in Betten eines Notfallkrankenhauses im Camp Funston der Militärbasis Fort Riley in Kansas (USA). Foto: dpa
Sie und ihre Kollegen haben für die Studie, die am Montag im Fachblatt "Frontiers in Cellular and Infection Microbiology" veröffentlicht wurde, einige große Grippe-Epidemien analysiert: die sogenannte Asiatische Grippe von 1957, die "Hongkong-Grippe" 1968 und die Schweinegrippe 2009. Außerdem werteten sie riesige Datenmengen über die Spanische Grippe aus, die sich 1918 am Ende des Ersten Weltkriegs auf dem ganzen Erdball verbreitete.
Entgegen der damaligen Vermutungen erkrankten nicht Spanier, sondern US-Soldaten als erste an der sogenannten Spanischen Grippe. Weltweit starben etwa 50 Millionen Menschen und damit 2,5 Prozent der damals Erkrankten. Bei den Opfern damals handelte es sich besonders häufig um junge Menschen. Das Virus war auch deshalb so tödlich, weil Unterernährung infolge des Krieges besonders verbreitet war.
Die Wissenschaft geht davon aus, dass die nächste große Grippe-Epidemie anders verlaufen und besonders ältere und chronisch kranke Menschen in den Industrieländern treffen wird. Schließlich gibt es hier besonders viele Übergewichtige und Diabetiker. Kirsty Short von der University of Queensland sagt, diese Menschen seien besonders häufig schwer an der Schweinegrippe 2009 erkrankt.
Short, van de Sandt und ihre Kollegen sprechen von einer "doppelten Bürde": Die Ausbreitung eines Grippevirus werde durch weit verbreitete Unterernährung in den Entwicklungsländern sowie durch die Überernährung in reicheren Ländern gefördert.
Und auch der fortschreitende Klimawandel könnte sich auf kommende Grippewellen auswirken. Van de Sandt weist darauf hin, dass viele Grippeviren-Stämme sich zuerst in Vögeln entwickeln.
Der Klimawandel könne die Flugrouten von Vögeln verändern und damit "potenziell pandemische Viren in neue Orte bringen und potenziell eine größere Bandbreite an Vogelarten" befallen. Nicht außer Acht gelassen werden darf auch das Risiko, das grippegeschwächte Patienten leichter an bakteriellen Infektionen erkranken. Diese können anders als das Grippe-Virus mit Antibiotika behandelt werden.
Allerdings werden wegen des massenhaften Einsatzes von Antibiotika in der Medizin und der Tierzucht immer mehr Bakterien resistent. Damit steige das Risiko, dass Menschen bei der nächsten Epidemie an bakteriellen Folge-Infektionen sterben, sagt Katherine Kedzierska vom Doherty-Institut.
Es gibt mittlerweile sieben Milliarden Menschen auf der Erde, zahlreiche dicht besiedelte Mega-Städte und einen regen erd᠆überspannenden Flugverkehr. Das erleichtert die Verbreitung von Grippeviren. Van de Sandt und ihre Kollegen heben jedoch hervor, dass moderne Entwicklungen bei der Eindämmung künftiger Epidemien helfen könnten, wie etwa die schnelle Kommunikation via Internet.
Schließlich laute eine der Lektionen aus der Spanischen Grippe, "dass eine gut vorbereitete Reaktion der Öffentlichkeit viele Leben retten kann".