VW-Dieselaffäre

Dieselprozess gegen Winterkorn vorerst gestoppt

Martin Winterkorn war VW-Chef als der Dieselskandal aufflog. Lange Zeit blieb unklar, ob sich der Topmanager vor Gericht verantworten muss. Jetzt steht dahinter ein dickes Fragezeichen.

01.07.2025 UPDATE: 01.07.2025 14:21 Uhr 2 Minuten, 10 Sekunden
Ex-Volkswagenchef Winterkorn
Der Prozess gegen Ex-Volkswagenchef Winterkorn ist vorläufig gestoppt. (Archivbild)

Braunschweig (dpa) - Der einstige "Mr. Volkswagen" ist langfristig erkrankt und verhandlungsunfähig: Angesichts des schlechten Gesundheitszustands von Ex-Konzernchef Martin Winterkorn ist das Strafverfahren zur Dieselaffäre deswegen vorläufig eingestellt. Die zuständige Wirtschaftsstrafkammer sehe in der andauernden Erkrankung ein vorübergehendes Verfahrenshindernis, teilte das Landgericht Braunschweig mit. 

Der mittlerweile 78-jährige Winterkorn gilt laut Gericht weiter als verhandlungsunfähig. Es ist damit völlig offen, ob das Verfahren gegen den früheren Topmanager überhaupt beendet werden kann. Mit dem aktuellen Beschluss wird aber eher ein juristischer Schritt der Strafprozessordnung dokumentiert. Weder der Gesundheitszustand Winterkorns noch die Perspektive für den Strafprozess muss sich dadurch geändert haben. 

Winterkorn als Schlüsselfigur? 

Winterkorn war VW-Konzernboss, als im September 2015 der Skandal um Manipulationen bei Abgastests von Dieselautos durch die US-Umweltbehörde EPA bekannt wurde. Kurz zuvor hatte VW in den USA falsche Testergebnisse eingeräumt. Winterkorn trat wenige Tage später zurück und der Autobauer schlitterte in eine der größten Krisen der Unternehmensgeschichte. Seitdem gilt Winterkorn als Schlüsselfigur des Dieselskandals. 

Der Ex-Vorstand betonte aber stets, dass er mit seinem Rücktritt zwar die politische Verantwortung übernehme, strafrechtlich relevantes Verhalten aber zurückweise. In dem Verfahren vor der Wirtschaftsstrafkammer in Braunschweig werden ihm gewerbsmäßiger Betrug, Marktmanipulation und uneidliche Falschaussage vorgeworfen. Bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung gilt die Unschuldsvermutung. 

Prozessflut längst nicht abgearbeitet 

Die Dieselaffäre hat den Autobauer nach eigenen Angaben etwa 33 Milliarden Euro gekostet und eine riesige Prozessflut ausgelöst, die längst nicht vollständig abgearbeitet ist. Allein der Versuch, die Rolle Winterkorns zu juristisch zu bewerten, zieht sich seit mehreren Jahren. Zum aktuellen Beschluss des Landgerichts wollten sich auf Anfrage weder die Staatsanwaltschaft Braunschweig noch die Verteidigung äußern.

Ursprünglich sollte der einst bestbezahlte Manager Deutschlands ab September 2021 mit vier weiteren früheren VW-Führungskräften auf der Anklagebank in Braunschweig sitzen. Aber schon vor dem Beginn des Prozesses wurde klar, dass Winterkorn fehlen würde. Sein Komplex war aus gesundheitlichen Gründen abgetrennt worden. 

Haftstrafen für Mitangeklagte 

Nach fast vier Jahren Verfahren mit 175 Verhandlungstagen wurden die vier anderen Manager und Ingenieure wegen ihrer Rolle im Abgasskandal vor wenigen Wochen schuldig gesprochen. Zwei Angeklagte müssen mehrjährige Haftstrafen antreten, zwei Ex-Mitarbeiter erhielten Bewährung. Die Verteidigung kündigte aber direkt im Anschluss an, gegen das "falsche Urteil" Revision einzulegen. 

Nach mehreren Verzögerungen startete im September 2024 dann der Einzelprozess gegen Winterkorn. Von mehreren Operationen sichtbar gezeichnet, betonte der frühere Vorstandschef kurz vor dem Auftakt mit Lächeln seine Zuversicht für das Verfahren. In seiner ersten Einlassung als Angeklagter wies er die Vorwürfe erneut zurück und sah seine erfolgreiche Karriere durch die Dieselaffäre beschädigt.

Winterkorn vor Gericht: Funktion weder gefordert noch gefördert 

Die Anklage spiegele nicht die Haltung wider, die er in fast 15 Jahren als Vorstandsvorsitzender an der Spitze von Audi und Volkswagen eingenommen habe. "Das entspricht auch nicht meinem Verständnis, wie man in dieser Funktion seine Pflichten erfüllt", sagte Winterkorn damals. "Ich habe diese Funktion damals weder gefordert noch gefördert oder ihren Einsatz auch nur geduldet". 

Die Staatsanwaltschaft wirft ihm aber vor, VW-Kunden über die Beschaffenheit der Autos getäuscht haben. In den entscheidenden Septembertagen 2015 soll er rund um die Veröffentlichung den Kapitalmarkt vorsätzlich nicht rechtzeitig über Risiken durch Strafzahlungen informiert haben. 2017 soll er zudem vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestags uneidlich falsch dazu ausgesagt haben. 

Ein Unfall Winterkorns im häuslichen Umfeld unterbrach den Prozess nach nur wenigen Tagen. Seitdem ist offen, ob und wann dieses langjährige Verfahren fortgesetzt werden kann.

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