CDU Baden-Württemberg

Die neue Harmonie zwischen Eisenmann und Strobl

CDU-Landesparteitag wählt Eisenmann zur Spitzenkandidatin - Zeit der Machtkämpfe vorbei?

28.07.2019 UPDATE: 29.07.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 51 Sekunden

Harmonisch ging es in der Heilbronner Harmonie zu: Thomas Strobl beglückwünscht Susanne Eisenmann zu ihrer Wahl. Foto: dpa

Von Michael Abschlag

Heilbronn. Ganz am Ende, als sie schon alles gesagt hat und im Saal Applaus aufbrandet, greift Susanne Eisenmann zu einer symbolträchtigen Geste. Die Frau, die in wenigen Minuten zur Spitzenkandidatin der Südwest-CDU gewählt werden wird, holt Thomas Strobl nach vorne. Monatelang hatte ihr Machtkampf die Partei beschäftigt, bis Eisenmann Strobl schließlich als Kretschmann-Herausvorderer verdrängt hatte. Nun greift sie nach seiner Hand. Beide umarmen sich herzlich, die Delegierten sind begeistert. Das Signal ist klar: Die Zeit der Rivalität ist vorbei, jetzt gilt es, die Gräben zu überwinden, Geschlossenheit zu zeigen und sich mit ganzer Energie auf den kommenden Wahlkampf vorzubereiten.

Geschlossenheit: Das ist die wichtigste Botschaft auf dem Sonderparteitag der CDU in Heilbronn. Fast beschwörend wird sie immer wieder betont. "Nicht Selbstbeschäftigung, sondern Einheit und Geschlossenheit muss unsere Linie sein", verkündet Strobl und fordert damit auch ganz offen zur Unterstützung seiner einstigen Rivalin auf. Vor allem aber der Fraktionsvorsitzende Wolfgang Reinhart hebt immer wieder die Notwendigkeit zur Einigkeit hervor. "Lasst uns geschlossen sein, haken wir uns unter", ruft er den Delegierten zu. "Wir müssen alle zusammen mit vereinten Kräften kämpfen." Und, schließlich, John F. Kennedy zitierend: "Es gibt wenig, was wir erreichen können, wenn wir uneinig sind; aber es gibt wenig, was wir nicht erreichen können, wenn wir einig sind." Auf den Tischen liegt das Mitgliedermagazin der Südwest-CDU, auch dort heißt es: "Geschlossen in Richtung Landtagswahl." Nicht scheint man so sehr zu fürchten wie eine Fortführung des Streits, wie Zwist und Uneinigkeit in der Partei.

So bläst man zur Attacke auf den politischen Gegner. Die SPD habe im Land ihrerseits "die Schullandschaft zu einem Experimentierfeld" gemacht und so "an den Rand des Abgrunds" geführt, wettert Generalsekretär Manuel Hagel. Im Bund strebe die SPD daran "mit der Linken die Mauerschützen zurück in die Regierung zu bringen". Der FDP spricht er jede Wirtschaftskompetenz ab und nennt ihren Landeschef Hans-Joachim Rülke einen "Marktschreier". Die AfD nennt er "geistige Brandstifter, mit denen es keine Zusammenarbeit geben wird". Da stimmt ihm Strobl ausdrücklich zu: "Das ist die neue NPD, mit solchen Leuten trinkt man nicht mal einen Kaffee!" Das ist wohl auch eine Botschaft an CDU-Politiker im Osten, die zuletzt über mögliche schwarz-blaue Koalitionen nachdachten - und in deren Ländern bald gewählt wird.

Der gefährlichste Gegner aber, das weiß man in der CDU, wird der Noch-Koalitionspartner werden. "Es geht darum, die Villa Reitzenstein nach zehn Jahren Kretschmann wieder einnehmen. Ab heute läuft der Countdown 2021", gibt Reinhardt die Devise vor. Die Grünen seien "keine bürgerliche Partei, sondern außen grün und innen tiefrot", ruft Hagel. "Die Schonzeit für Winfried Kretsch᠆mann ist vorbei." Die Vorbereitung auf den Wahlkampf hat begonnen.

Auch interessant
Neue Spitzenkandidatin: Südwest-CDU geht mit Eisenmann in nächste Landtagswahl
CDU-Spitzenkandidatin: Ein Abendessen mit Folgen für Eisenmann und Strobl
CDU-Spitzenkandidatin im RNZ-Interview: Kultusministerin Eisenmann über Koalition, Parteitag und Wahlchancen
Stuttgart: Strobl verzichtet auf Spitzenkandidatur und lässt Eisenmann Vortritt

Eisenmann selbst hält sich mit Kritik am politischen Rivalen allerdings erstaunlich zurück - vielleicht auch, weil sie, wie sie später Journalisten sagt, einen "fairen Wahlkampf" führen will. Zwar wirft sie den Grünen vor, "Angst vor der Klimakatastrophe" zu schüren, konzentriert sich ansonsten aber auf die Fehler und Versäumnisse ihrer eigenen Partei.

"Wer sich im Internet vorführen lassen muss, ist nicht auf der Höhe der Zeit", kritisiert sie mit Blick auf die Bundespartei und ergänzt: "Die Reaktion der Bundes-CDU auf das Rezo-Video grenzt für mich an Arbeitsverweigerung." Aber auch die Landespartei schont sie nicht. "2011 war eine tiefe Zäsur", gibt sie zu. "Wir haben uns nach fast 60 Jahren an der Macht eingebildet, alles besser zu wissen als der Wähler", so Eisenmann. "Das Land hatte sich verändert, wir aber nicht." Man kann das als Kritik an den Konservativen in der Partei sehen, die einst gegen sie waren, oder als Versuch einer Katharsis. Denn auf die Analyse der Vergangenheit folgt eine zumindest in groben Linien gezeichnete Zukunftsvision.

Stadt und Land sollten sich gemeinsam entwickeln, es brauche "Handynetz und Highspeed-Internet" auch in der Provinz. "Die besten Autos sollen auch in Zukunft aus Baden-Württemberg kommen, mit Elektrobatterien und Brennstoffzellen", erklärt sie. Die CDU sei heute "jünger, städtischer und weiblich, es gibt mehr Mitglieder mit Migrationshintergrund", verkündet sie stolz. Und ruft schließlich den Abgeordneten zu: "Lasst und die Fenster aufmachen, durchlüften und durchstarten." Die Südwest-CDU soll, kurzum, moderner werden.

Am Ende wird Eisenmann mit 288 von 302 gültigen Stimmen und damit mit deutlichen 95,4 Prozent zur Spitzenkandidatin gewählt. Eisenmann steht vorne, einen Blumenstrauß in den Händen, und genießt den Applaus. In diesem Augenblick ist die Partei tatsächlich geschlossen. Ob der Applaus anhalten wird, wenn sie tatsächlich ans Durchlüften geht, ist vorerst noch ungewiss.