Parteienforscher Falter

"Für die Ampel wird es nicht leichter"

FDP wird sich nach Verlusten stärker profilieren - Grüne klarer Gewinner - Ukraine-Krieg dominant

15.05.2022 UPDATE: 16.05.2022 06:00 Uhr 2 Minuten
Thomas Kutschaty
Der SPD-Spitzenkandidat Thomas Kutschaty hat nach der Landtagswahl Gesprächsbereitschaft für eine Regierungsbildung signalisiert.

Von Gernot Heller, RNZ Berlin

Berlin. CDU und Grüne sind die klaren Gewinner der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen vom Sonntag. Dass die beiden Parteien eine gemeinsame Regierung bilden werden, sei jedoch nicht ausgemacht, sagt der Politologe Jürgen Falter im RNZ-Interview. Der 78-Jährige ist seit seiner Emeritierung 2012 Senior-Forschungsprofessor an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Studiert hat der gebürtige Heppenheimer an der Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg.

Herr Falter, gibt es einen großen Gewinner der Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen?

Das sind ganz eindeutig die Grünen mit ihren massiven Zugewinnen. Eine Fast-Verdreifachung des Ergebnisses, das ist ein glänzender Erfolg. Das deutet darauf hin, dass es auf Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen hinauslaufen könnte, wenn es reicht. Das aber ist noch unsicher.

Und wie sieht es mit der FDP als großem Verlierer aus?

Die wird jetzt zum dritten Mal nach dem Saarland und Schleswig-Holstein abgestraft. Ich erwarte daher, dass die FDP versuchen wird, innerhalb der Ampel-Koalition stärker als bisher Profil zu zeigen. Das erscheint mir unabdingbar für sie zu sein. Im Augenblick geht sie in Verbindung mit der Debatte über den Ukraine-Krieg und seine Folgen etwas unter. Zudem muss Lindner momentan massiv Schulden aufnehmen, ganz im Gegensatz zu dem, was er ursprünglich angekündigt hatte.

Und was heißt das Ergebnis für die Arbeit der Ampel-Koalition in Berlin?

Eine deutliche Bestätigung der Ampel-Koalition auf Bundesebene kann man aus dem Ergebnis sicher nicht herauslesen angesichts der Verluste für die SPD, vor allem aber die FDP. Leichter wird es für sie wegen der sehr unterschiedlichen Ergebnisse der Partner nicht werden.

Was bedeutet das doch enttäuschende SPD-Ergebnis für den Bundeskanzler Olaf Scholz?

Es ist ein weiteres Zeichen, wie wir es schon in Schleswig-Holstein gesehen haben, dass Olaf Scholz in der Wählerschaft momentan auf erhebliche Vorbehalte stößt, was sicherlich mit seinem sehr zurückhaltenden Kurs in der Ukraine-Politik und mit seiner nicht immer ganz glücklichen Kommunikation darüber zu tun hat.

Welche Rolle hat der Ukraine-Krieg überhaupt bei der NRW-Wahl gespielt?

Diese scheint erneut von eminenter Bedeutung gewesen zu sein. Die enormen Grünen-Gewinne lassen sich meiner Auffassung nach durch den großen Imagegewinn erklären, den ihre beiden Front-Figuren in der Regierung, Annalena Baerbock und Robert Habeck, in Verbindung mit der Ukraine-Krise verbuchen konnten.

Stellt das starke Ergebnis in Nordrhein-Westfalen, seinem Heimatbundesland, auch einen Befreiungsschlag für CDU-Chef Merz dar?

Seine Position ist eher gestärkt worden. Ein massiver Stimmenrückgang der CDU wäre als Absage an Merz verstanden worden. Das aber ist nicht geschehen. Vielmehr macht das NRW-Ergebnis deutlich, dass die Christdemokraten sich stabilisiert haben. Das hat sicher auch damit zu tun, dass sie unter Friedrich Merz als Parteichef wieder einen klareren Kurs fahren.

Wäre es nicht für die Grünen verlockend, um sich auch bundespolitisch für die Zukunft möglichst viele Koalitionsoptionen offen zu halten, in Düsseldorf mit den Christdemokraten eine Regierung zu bilden?

Wenn die Grünen allein strategisch handeln würden, machte das sicherlich Sinn. Aber das gilt nicht durchgängig für die ganze Partei. Es gibt bei den Grünen unterschiedliche politische Präferenzen und traditionelle Vorlieben. Und die sprechen, das gilt gerade auch für die NRW-Grünen, stärker für ein rot-grünes Bündnis, sofern das möglich wird.

Jürgen Falter. Foto: dpa
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