Zulassung, Zeitplan, Kritik

Die Hintergründe zur Corona-Impfdebatte

Europäische Behörde zieht Entscheidung über Impfstoff vor - Auch nach der Zulassung geht die Prüfung weiter - Impfverordnung Ende der Woche

15.12.2020 UPDATE: 16.12.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 5 Sekunden
Testlauf: In einem Brandenburger Seniorenheim simuliert DRK-Kreisverbandsarzt Ullrich Fleck die Impfung. Foto: Jens Kalaene/dpa

Von Annette Birschel und Andreas Herholz, RNZ Berlin

Berlin. Die Nachricht kommt wie auf Bestellung: Am 21. Dezember will die europäische Arzneimittelaufsicht EMA über die Freigabe eines Covid-Impfstoffes entscheiden. Schon war der Ruf nach einer schnellen nationalen Notfallzulassung laut geworden. Aufatmen auch beim Gesundheitsminister. Jens Spahn verteidigte am Dienstag das europäische Vorgehen und eine "ordentliche Zulassung durch die europäische Arzneimittelbehörde". Nationale Alleingänge lehne er weiter ab. "Ich wundere mich schon über manche Tonlage", erklärte er. Hintergründe zur Impfdebatte:

> Der Prüfmaßstab: Die Vorteile eines Impfstoffes müssen weitaus größer sein als alle Nebenwirkungen oder potenziellen Risiken. Der zuständige Ausschuss beurteilt die Daten und Ergebnisse der klinischen Tests der Hersteller – zu Wirksamkeit, Nebenwirkungen oder Risiken. Die eingehenden Daten wurden zum Teil noch vor dem vollständigen Antrag geprüft.

> Bedingte Zulassung: Die USA und Großbritannien erteilten bereits eine Not-Zulassung für den Impfstoff von Biontech/Pfizer. Dafür müssen viel weniger Daten geprüft werden. In der EU aber geht es um eine bedingte Marktzulassung mit einem deutlich umfassenderen Verfahren. Sie ist vorerst für ein Jahr gültig und verpflichtet die Hersteller, weiterhin Daten zu liefern – etwa zur langfristigen Wirksamkeit des Impfstoffes. Damit sei "gewährleistet, dass Covid-19-Impfstoffe die EU-Standards für alle Impfstoffe und Arzneimittel erfüllen", sagt EMA-Chefin Emer Cooke. Auch werden mögliche Nebenwirkungen und Daten zu Herstellung, Lagerung und Anwendung weiter geprüft.

> Eine Woche gewonnen: Biontech/Pfizer legte am Montagabend Daten vor, die die EMA angefordert hatte. Daraufhin konnte die Sitzung des Ausschusses vom 29. auf den 21. Dezember vorverlegt werden. Bei der Sicherheit würden keine Abstriche gemacht, betont die EMA.

> Zeitplan für Deutschland: Ziel sei es, noch vor dem Jahreswechsel mit den Impfungen anzufangen, sagte Spahn am Dienstag. Bund und Länder hatten grundsätzlich angepeilt, mit allen Vorbereitungen Mitte Dezember fertig zu sein. Ein zentrales Lager für die Verteilung des Impfstoffes sei einsatzbereit, sagte die Bundeswehr am Dienstag in einer Telefon-Pressekonferenz. Zunächst soll es spezielle Impfzentren geben sowie mobile Teams für Heime und Kliniken. Später soll es dezentral in Arztpraxen weitergehen. Wann, das ist offen.

> Der Reihe nach: Ende der Woche will Spahn anordnen, in welcher Reihenfolge geimpft wird. Zuvor soll die Ständige Impfkommission ihre finale Empfehlung vorlegen und der Bundestag darüber diskutieren. Menschen mit Risiko für schwere Krankheitsverläufe, Personal im Gesundheitswesen und Beschäftigte in wichtigen Bereichen der Daseinsvorsorge sollen vorrangig geimpft werden. Aus der Opposition gibt es die Forderung, die Details in einem Gesetz festzulegen.

> Spahn in der Kritik: "Wir werden in ein paar Monaten wahrscheinlich viel einander verzeihen müssen", hatte Spahn bereits vor Monaten erklärt. Jetzt gerät er wegen seines Krisenmanagements in der Pandemie in die Kritik. Gleich zu Beginn der ersten Welle haperte es mächtig bei der Beschaffung von Masken. Bis heute lässt die flächendeckende Ausstattung von Alten- und Pflegeheimen mit FFP2-Masken auf sich warten. Erst Mitte November begann die Auslieferung. Weiter fehlt es an Schnelltests. Auch bei Impfstoffen hakt es: Die Bundesregierung habe sich 300 Millionen Impfstoffdosen gesichert, sagte Spahn vor Monaten. Inzwischen hat er eingeräumt, dass bis Januar nur drei bis vier Millionen Dosen verfügbar sein dürften. Und Anfang September sagte er, mit heutigem Wissen würde man keine Friseure und keinen Einzelhandel mehr schließen. "Das wird nicht noch einmal passieren". Ab Mittwoch ist es wieder der Fall.