Frankreich bangt um den Eiffelturm
Das Pariser Wahrzeichen droht zu verrosten. Oder ist alles doch nicht so schlimm?

Von Katharina Schröder
Paris. Er ist mehr als 300 Meter hoch, er wiegt über 10.100 Tonnen und er wird von zweieinhalb Millionen Nieten zusammengehalten: der Eiffelturm. Grande Nation, großes Gebäude. Das Wahrzeichen ist weltweit zum Symbol für die französische Hauptstadt geworden, es gibt nur wenige Gebäude mit einer derartigen Bekanntheit. Paris ohne Eiffelturm – unvorstellbar.
Doch der Lack ist ab, und das im wahrsten Sinne des Wortes. "Wir haben Notre-Dame brennen sehen, werden wir den Eiffelturm fallen sehen?", fragt das französische Magazin "Marianne" in einem kürzlich erschienenen Artikel – und bezieht sich auf vertrauliche Berichte. Demnach ist das Wahrzeichen der Nation in äußerst schlechtem Zustand, der Rost setzt ihm zu, schon seit dem Jahr 2010 sei – vertraulich – vor dem wahren Ausmaß der Schäden gewarnt worden.
Die Reaktion der Betreibergesellschaft? Stets dieselbe: Statt einer aufwändigen Reparatur bekam der Turm immer wieder einen neuen Anstrich. Vor den nahenden Olympischen Sommerspielen 2024 in Paris wird der Turm erneut fein herausgeputzt. Er erhält seinen 20. Anstrich. Übereinander! Kostenpunkt: rund 80 Millionen Euro.
Das ewige Überlackieren anstelle einer Komplettsanierung dürfte auch mit den Einnahmeeinbußen für die Dauer einer Sanierung zusammenhängen. Denn schon seit den 1960er Jahren besichtigen massenweise Touristen das Wahrzeichen. In den vergangenen Jahren waren es rund sieben Millionen Besucher aus aller Welt jährlich. Die Eintrittskarten kosten zwischen 17 und 27 Euro. Mehr als 50 Millionen Euro Einnahmen werden allein aus dem Ticketverkauf für die Sehenswürdigkeit generiert. Plus Tantiemen für Souvenirs.
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Der Turm war von Anfang ein Aufreger. Errichtet anlässlich der Weltausstellung in Paris 1889 ist das außergewöhnliche Gebäude nach seinem Erbauer Gustave Eiffel benannt. Schon der hat damals laut "Marianne" vor Rost gewarnt, und das, obwohl das Gebäude ursprünglich nur für eine Dauer von 20 Jahren konzipiert war. Das wichtigste sei, so zitiert das Magazin den Ingenieur, das Ansetzen von Rost zu verhindern. Das schlug wohl fehl.
Professor Dietmar Hüser, Inhaber des Lehrstuhls für Europäische Zeitgeschichte der Universität des Saarlands mit Schwerpunkt Frankreich, relativiert: "Die Diskussion um den Zustand des Eiffelturms ist keine neue. Es gibt auch Berichte, die sagen, dass die Lage nicht so dramatisch ist." Außerdem sei diese Diskussion auch immer eine politische. Nach ihrem schlechten Abschneiden bei der Präsidentschaftswahl stehe die Bürgermeisterin von Paris, Anne Hidalgo, unter Druck. Die Betreibergesellschaft des Eiffelturms gehört zu 99 Prozent der Stadt Paris. Hidalgo ist schon seit 2014 Bürgermeisterin, trägt demnach also Mitverantwortung für den schlechten Zustand des Nationalsymbols.
Und eine politische Dimension hatte der Eiffelturm laut Hüser von Beginn an. "Es ist ein ungewöhnliches Gebäude, und es war eine große Kraftanstrengung, so etwas in ein paar Jahren zu bauen." Mit der Eröffnung des Gebäudes zur Weltausstellung sei er "gewissermaßen eine Antwort an die Weltausstellung in Großbritannien 1851" gewesen. "Man wollte zeigen: Auch Frankreich ist jetzt in der technischen Moderne angekommen." Denn eigentlich stand Großbritannien für die industrielle Revolution. Frankreich "war stolz auf das, was man geleistet hat."
Hinzu komme, dass 1889 nicht irgendein Jahr war. Die Französische Revolution jährte sich zum 100. Mal. "Der Eiffelturm ist ein Symbol für die etablierte Republik, dafür, dass sie sich gegen die Kräfte der extremen Linken und extremen Rechten durchgesetzt hat", erklärt der Historiker. Dieses Bewusstsein gebe es in Frankreich unter den politischen Akteuren und geschichtsbewussten Menschen noch immer, meint Hüser. "Ein Einsturz des Eiffelturms wäre hoch politisch."