Hintergrund Studentenkrawalle gegen Emil Julius Gumbel 1930/31

24.04.2018 UPDATE: 24.04.2018 06:00 Uhr 1 Minute, 1 Sekunde

Studentenkrawalle gegen Emil Julius Gumbel 1930/31

hö. Eine der schlimmsten antisemitischen Ausschreitungen in Heidelberg datiert vom Ende der Weimarer Republik: Als der Jude Emil Julius Gumbel zum Professor ernannt wurde, kam es um die Jahreswende 1930/31 zu mehrtägigen Krawallen in der Stadt, sodass zeitweise der Lehrbetrieb eingestellt werden musste; die Polizei räumte die von Studenten besetzte Universität. Die Proteste waren vom Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund angezettelt worden und trafen bei der deutschnationalen Professorenschaft auf Wohlwollen.

Denn Gumbel, der zudem Sozialist und Pazifist war, galt ihnen als Feindbild: Ein Jahr, bevor er nach Heidelberg kam, hatte der Mathematiker 1922 eine Statistik über den Terror in der Zeit von 1918 an veröffentlicht: Demnach begingen Linksextreme 22 politische Morde (die mit zehn Hinrichtungen und insgesamt 254 Jahren Zuchthaus bestraft wurden), die Rechtsextremen hingegen 354 (keine Hinrichtung, insgesamt 90 Jahren Zuchthaus).

Immer wieder legte er sich mit den akademischen Autoritäten an, ab 1924 wurden mehrere Landesverratsverfahren gegen ihn angestrengt, weil er öffentlich die Schlachtfelder des Ersten Weltkriegs "Felder der Unehre" nannte. Später kamen zwei weitere Disziplinarverfahren gegen den damaligen Privatdozenten hinzu.

Als er 1930 vom badischen Kultusministerium zum außerordentlichen Professor ernannt wurde, kam es zu den Krawallen. Doch noch hatte man nichts gegen ihn in der Hand. Als Gumbel auf einer internen Sitzung der Heidelberger Sozialistischen Studentenschaft in Erinnerung an die Hungertoten des Kohlrübenwinters 1917 davon sprach, dass eine Kohlrübe sich besser als Kriegerdenkmal eigne als eine leicht bekleidete Jungfrau, wurde ihm die Lehrberechtigung entzogen. Nach der Machtübernahme der Nazis 1933 wurde gegen Gumbel Haftbefehl erlassen, sein Haus in der Beethovenstraße beschlagnahmt, sein Geldvermögen eingezogen. Er emigrierte erst nach Frankreich, dann in die USA. Dort starb er 1966 mit 75 Jahren - ohne je Heidelberg wiedergesehen zu haben.

Hintergrund

Mindestens sechs antisemitische Verbalattacken in einem Monat

hö. Zwar sind in Heidelberg bisher keine körperlichen Angriffe auf Juden wie in Berlin gemeldet worden, aber es gibt verbale Attacken, die jedoch statistisch nicht erfasst werden. Seit

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Mindestens sechs antisemitische Verbalattacken in einem Monat

hö. Zwar sind in Heidelberg bisher keine körperlichen Angriffe auf Juden wie in Berlin gemeldet worden, aber es gibt verbale Attacken, die jedoch statistisch nicht erfasst werden. Seit einem Monat gibt es ein spezielles Beratungsangebot des Antidiskriminierungsnetzwerks, für das Ethem Ebrem arbeitet.

Der Heidelberger mit türkisch-kurdisch-armenischen Wurzeln erfuhr von sechs antisemitischen und auch vier antimuslimischen Äußerungen. Das fing mit dem Ausruf "Du Jude!" an, ging über eine Dämonisierung Israels, das von der Landkarte getilgt werden sollte, und endete damit, dass Lehrer keine Stunde zum Nahostkonflikt abhalten können, weil die Emotionen zu hoch schlugen.

Das scheint aber nur die Spitze des Eisbergs zu sein, die Dunkelziffer ist hoch, weil sich die Betroffenen in aller Regel nicht zu Wort melden.

Auf diese Entwicklungen reagiert das Netzwerk mit Gesprächen und Aktionen in der Schule, wie einem Planspiel, in dem ein Inselstaat simuliert wird und die Mitspieler sich zu den zentralen Werten des Miteinanders Regeln geben müssen.

Wer sind diejenigen, die sich antisemitisch geäußert haben? Drei waren muslimische Schüler, die sich dann aber mit ihren christlichen Kameraden hochschaukelten. Bei den Vorfällen waren alle Schultypen vertreten, Gymnasiasten sind davor gefeit. Insofern sei Heidelberg ein Abbild der deutschen Gesellschaft.

Doch eines läuft für Ebrem gerade in Heidelberg gut: "Unser Antidiskriminierungsnetzwerk ist landesweit einmalig und arbeitet an Lösungen. Wir stellen uns dem Problem und gehen es früh an."

Info: Wer sich diskriminiert fühlt oder beleidigt wurde, kann sich per E-Mail an "Mosaik Deutschland" wenden, E-Mail: krieger@mosaik-deutschland.de.

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