In der Kreissporthalle in Wiesloch werden ab August bis zu 200 Flüchtlinge untergebracht. Foto: Pfeifer
Von Stefan Hagen
Rhein-Neckar. "Wir müssen vermeiden, dass öffentliche Einrichtungen wie Sporthallen für die Unterbringung von Flüchtlingen genutzt werden. Wenn Vereins- oder Schulsport ausfällt, wird die Akzeptanz deutlich abnehmen. Das kann - im Sinne der Menschen, die hier Schutz und Hilfe suchen - niemand wollen." Mit deutlichen Worten hat Bundestagsabgeordneter Lars Castellucci (SPD) auf die Nachricht reagiert, dass der Rhein-Neckar-Kreis ab dem 3. August in der Wieslocher Kreissporthalle Flüchtlinge unterbringen wird.
Die Turnhalle war aufgrund der prognostizierten Zugangszahlen für den August ins Blickfeld des Landratsamtes geraten. Ordnungsamtsleiter Stefan Becker rechnet mit rund 600 Flüchtlingen, die dem Kreis neu zugewiesen werden - 200 von ihnen sollen in der Kreissporthalle untergebracht werden.
Bereits ab kommendem Montag, 27. Juli, wird die Halle für den Schul- und Vereinssport nicht mehr zur Verfügung stehen. Normalerweise finden hier wöchentlich 107 Schulsportstunden statt. Dazu trainieren in der Halle täglich (ohne Wochenende) von 17 bis 22 Uhr verschiedene Sportvereine. Man werde versuchen, dass die Halle ab November für sportliche Aktivitäten wieder zur Verfügung stehe, hatte Becker gestern mitgeteilt. In Wiesloch ist man allerdings skeptisch. "Wenn der Zuzug abnehmen würde, könnte man das schaffen. Aber wenn sich der Anstieg so fortsetzt, wird man die Halle nicht kurzfristig wieder aufgeben können", vermutet Oberbürgermeister Franz Schaidhammer.
Betroffen ist unter anderem Wieslochs größter Sportverein, die TSG, die mit ihren Abteilungen Handball, Basketball und Skigymnastik wöchentlich 36,5 Stunden in der Kreissporthalle belegt hat. "Wir müssen die Entscheidung akzeptieren", betont Vorsitzender Manfred Walter, "aber sie trifft uns bis ins Mark." Denn es herrsche ja ohnehin schon Sporthallennot.
Außer in Wiesloch hat der Kreis auch in Weinheim, Schwetzingen und Sinsheim eigene Turnhallen bei den Berufsschulzentren. Wie würden die Oberbürgermeister dieser drei Städte reagieren, wenn diese Hallen vom Kreis mit Flüchtlingen belegt würden?
"Ich wäre überrascht, wenn der Kreis die Sporthalle ins Auge fasst", sagt Jörg Albrecht, Oberbürgermeister von Sinsheim. Natürlich könne man sich nicht verweigern, wenn sich die Lage weiter zuspitzen würde. Aber Sinsheim habe seit Jahren im Kreis mit die meisten Asylbewerber untergebracht, da müsse das Landratsamt erst einmal andere Alternativen prüfen.
Auch wenn die Solidarität in der Stadt groß sei, sieht Albrecht die Unterbringung in Turnhallen skeptisch. "Also mir würde das Herz bluten, wenn einer Seniorensportgruppe ihre Sportstunde gestrichen wird." So etwas dürfe nicht sein. Auch Schwetzingens Oberbürgermeister René Pöltl kann sich nicht vorstellen, dass der Kreis die Halle in der Spargelstadt mit Flüchtlingen belegen wird. "Wir haben ja schon fast 500 Flüchtlinge in der Stadt." Zudem verfüge man theoretisch noch über kleine Kapazitäten. Aber was schulpflichtige Kinder von Flüchtlingen angehe, sei man an einer Grenze angelangt. "Wir sind nicht in der Lage, weitere Kinder zu beschulen", sagt Pöltl.
In Weinheim wäre man mit einer Belegung der Kreissporthalle überhaupt nicht einverstanden. Die Stadt habe sich in den vergangenen Monaten sehr kooperativ gezeigt, sagt Oberbürgermeister Heiner Bernhard. "Es entstehen in den nächsten eineinhalb Jahren drei Unterkünfte für jeweils 80 Flüchtlinge. Dafür haben wir beispielhafte Bürgerbeteiligungsprozesse in Gang gesetzt, und die ehrenamtliche Motivation der Bürger ist erfreulich hoch."
Mit der Belegung der Kreissporthalle würde man diese ehrenamtlichen Helfer und im schlimmsten Fall auch ihre vermittelnde Wirkung in der Stadtgesellschaft klar überstrapazieren, zumal eine der geplanten Unterkünfte fast in der Nachbarschaft der Kreissporthalle entstehen soll. "Das darf nicht passieren, wenn man die gerade wachsende Willkommenskultur nicht schädigen will und wenn man insbesondere vermeiden will, dass politische Versäumnisse irgendwann auf dem Rücken der Flüchtlinge ausgetragen werden", appelliert Bernhard.
Er habe aber natürlich Verständnis dafür, dass der Kreis alles unternehme, um die Flüchtlinge und Asylbewerber menschenwürdig unterzubringen. "Mein Verständnis sinkt hingegen für die politischen Rahmenbedingungen, die den Kreis und die Kommunen in diese Lage bringen. Bundes- und Landespolitik sind dringend aufgerufen, nach Lösungen zu suchen."