Die Ikone kehrt zurück

Dave Stewart macht gerne verrückte Sachen

Achtziger-Ikone Dave Stewart kehrt zurück auf der Bühne. Dieses Mal an seiner Seite: Vanessa Amorosi.

05.06.2025 UPDATE: 05.06.2025 04:00 Uhr 4 Minuten, 2 Sekunden
Foto: dpa​

Von Olaf Neumann

Die Eurythmics definierten musikalisch und visuell die Ästhetik der Achtziger. Ihre tiefgründigen Synth-Pop-Songs wie "Love Is A Stranger, "Sweet Dreams" oder "Here Comes The Rain Again" wirken bis heute nach. Dave Stewart, 72, Songschreiber und Mitbegründer der Briten, kehrt im Sommer auf die Bühne zurück – warum erzählt er Olaf Neumann.

Dave Stewart, Sie haben für Ihr Eurythmics-Projekt ausschließlich Musikerinnen rekrutiert. Die Australierin Vanessa Amorosi interpretiert jetzt die Hits, die ursprünglich Annie Lennox gesungen hat. Wie kam es dazu?

Dave Stewart: Ich traf Vanessa zum ersten Mal 2011 oder 2012. Sie war nach Amerika gezogen und kannte niemanden, hatte auch noch nie dort gespielt. Jemand schlug ihr vor, mich zu treffen, weil ich ein Studio namens The Idea Factory und viele Dinge am Laufen hatte. Und wir haben uns einfach angefreundet. Zu der Zeit trat ich alle drei, vier Monate unter dem Motto Dave Stewart and Friends im Troubadour Club auf. Also fragte ich Vanessa, ob sie zu mir auf die Bühne kommen und singen wolle. Ich hatte gerade einen neuen Song namens "What’s Wrong With Me" geschrieben und einen kleinen Gospelchor auf der Bühne sowie ein paar tolle Musiker. Sie war ein bisschen nervös, weil im Publikum oft Musiker und Künstler waren. Aber sie hat die Bude total zerlegt!

Haben Sie das Gefühl, dass diese Oldies wieder gut in die Zeit passen?

Die Eurythmics sind seit 1999 nicht mehr auf Tournee gegangen, und ich habe diese Songs seit 20 Jahren nicht mehr am Stück gespielt. Es ist also sehr aufregend, wenn ich sie performe. Ich darf das auch, weil ich sie produziert und zusammen mit Annie Lennox geschrieben habe. Ich hatte keine Angst, dass die Leute denken könnten, dass das altmodische Musik ist. Ich dachte nur: Wie kann ich diese Songs am ergreifendsten und intensivsten gestalten und dabei mithilfe der Band ein großartiges Gefühl entstehen lassen.

Warum haben Sie sich für eine reine Frauen-Begleitband entschieden?

Weil mir klar wurde: "Okay, ich werde das ohne Annie machen, aber Annie und ich haben alles zusammengeschrieben". Ich wollte deshalb eine starke weibliche Präsenz, und es funktioniert wirklich. Wir haben verschiedene Altersgruppen, wenn ich mir das Publikum ansehe: 60-Jährige, 40-Jährige und auch 20-Jährige. Es ist ziemlich toll zu sehen, wie einige der Jüngeren bei bestimmten Songs durchdrehen, während hinter ihnen ihre Eltern sitzen.

Die Debüt-Alben von The Tourists und den Eurythmics wurden von dem Krautrock-Pionier Conny Plank in dessen Kölner Studio produziert. Welche Bedeutung hatte Plank für Ihre Karriere?

Nun, für mich persönlich war Conny ungemein wichtig, denn ich war immer sehr an der Produktions- und Aufnahmeseite interessiert. In Großbritannien hatte ich schon vor den Tourists in einer Band gespielt. Damals durfte man als Musiker nie in die Nähe des Mischpults kommen. Da waren der Produzent und der Tontechniker, und du hast versucht, ihnen zu verklickern, wie du es haben willst. Das hat uns immer sehr frustriert. Aber als ich Conny begegnete, sagte er einfach: "Hey, Dave, es gibt bei mir keine Regeln. Komm rein und spiel mit dem hier rum!" Und als ich auch Holger Czukay kennenlernte und wir Freunde wurden, sagte der: "Hey, pass mal auf. Wir machen eine Bandschleife, die durch den Raum geht, und wir nehmen einen Bleistift, um sie herauszuziehen". Ich mochte solche verrückten Sachen.

Und wie wurden Sie selbst Produzent?

Ich habe mich einfach immer mehr für diese Seite interessiert und war davon begeistert. Durch Connys Arbeit am ersten Eurythmics-Album begriff ich: Wenn ich mir 5000 Pfund leihen könnte, um das entsprechende gebrauchte Equipment zu kaufen, könnte ich mit Annie eine Aufnahme machen und wir bräuchten niemanden mehr, der uns erklärt, wie man Platten produziert. Auch wenn es vorerst nur das Raumecho, ein 8-Spur-Tonbandgerät und ein billiges Mischpult waren - das Gleiche übrigens, was ich da drüben habe.

Einige der letzten Arbeiten von Conny Plank, bevor er 1987 an Kehlkopfkrebs starb, waren die Aufnahme von Konzerten der Revenge-Tour der Eurythmics. Sollen die eines Tages veröffentlicht werden?

Sie sind mit einem Film verbunden. Es war wirklich traurig, weil Conny nach Japan kam, um uns dort eine Zeit lang spielen zu sehen. Conny und ich gingen in die Berge oder in einen Bambuswald und nahmen kleine Tonbandgeräte mit. Wir klopften zum Beispiel auf Bambuszweige. Das war der Anfang von so etwas wie Sampling. All diese Klänge sind auf unserem "Savage"-Album zu hören. Ich konnte sehen, dass es Conny nicht gut ging, aber ich glaube, er hatte da noch nicht alle Untersuchungen hinter sich. Im Februar 1987 drehten wir den Eurythmics-Konzertfilm "Revenge" in Australien. Conny mischte den Ton. Im Studio wurde er richtig krank und musste sich hinlegen. Er wusste immer noch nicht, was mit ihm los war, bis er schließlich die Untersuchungsergebnisse bekam. Danach ging es mit ihm ziemlich schnell bergab, und so kam er nie dazu, die Filmmusik fertigzustellen. Ich bin dann mit jemand anderem ins Studio gegangen, um die letzten Abmischungen zu machen.

Neben Eurythmics-Klassikern präsentieren Sie bei der Tour auch Songs aus Ihrem neuen Unplugged-Album "Dave Does Dylan" – eine Hommage an Ihren alten Freund Bob Dylan. Nach welchen Kriterien haben Sie diese Songs ausgewählt?

Ich habe eine ganz persönliche Geschichte mit Bob. Als ich jung war, besaß mein fünf Jahre älterer Bruder ein paar Dylan-Alben, "Another Side Of Bob Dylan" oder ‚The Free Wheelin‘ Bob Dylan". Jedenfalls hatte ich einige dieser Songs gelernt. Das erste Mal, dass ich in einem Club live spielte, war mit Bob-Dylan-Songs auf der Akustikgitarre, ich war da etwa 12 Jahre alt. Ich habe nicht geplant, dass ich ein Dylan-Album machen würde. Ich bin einfach oft in Hotelzimmern und habe irgendwann angefangen, mein iPhone auf einen Stick zu legen und die Videotaste zu drücken: "Hey, das ist ein Song, den ich in Folk-Clubs gespielt habe, als ich 15 war". Ich hatte ein gutes Mikrofon, das mit einem Laptop verbunden war, und dann habe ich die Aufnahmen auf Instagram oder Facebook gepostet.

Wie waren die Reaktionen?

Sie waren unglaublich! Das Album besteht aus diesen Videoaufnahmen. Bei jedem Song kann man das iPhone und den Stick sehen und wie ich singe und spiele. Viele der ausgewählten Titel habe ich schon als Teenager gespielt. Es sind auch Songs dabei, die ich hörte, als ich nach London kam und von Chris Blackwell bei Island Music unter Vertrag genommen wurde. Mit 19 holte ich mir die Alben "Blonde on Blonde" und "Bringing it all back Home", saß in meiner Wohnung und lernte Songs wie "Sad Eyed Lady of the Lowlands" zu spielen.