Keiner will AKW-Bauschutt - Minister: Marktplatz strahlt mehr
Den Abriss der Atomkraftwerke im Land wollen viele, den Schutt von dort will keiner. Auch nicht, wenn er laut Umweltministerium unbedenklicher ist als ein Sack Kunstdünger aus dem Baumarkt.

Ein Schiff mit leeren Castor-Behältern fährt am 28. Februar 2017 bei einer Testfahrt auf dem Neckar bei Neckarwestheim. Foto: Alfred Drossel/dpa
Stuttgart. (dpa) Der Bauschutt aus dem Abriss der Atomkraftwerke in Obrigheim und Neckarwestheim sorgt für Streit. Die grün-schwarze Regierung müsse es vermeiden, die Ablagerung auf Kreisgebiet gegen die Sorgen und Ängste der Menschen zu erzwingen, bat Achim Brötel, Landrat des Neckar-Odenwald-Kreises, Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Umweltminister Franz Untersteller. Brötel ist sich sicher: Es gibt "alternative Entsorgungsszenarien" für die sogenannten freigemessenen Abfälle aus dem Rückbau der Kraftwerke.
Untersteller hatte neulich wenig Verständnis geäußert. Eine Granitplatte in der Küche oder ein Sack Kunstdünger aus dem Baumarkt strahlten stärker als der Müll, der beim Abbruch der Kraftwerke nach Messungen aus dem Atomgesetz fallen und auf Deponien der Kreise entsorgt werden müssten. Sarkastisch fügte er hinzu: Der mit Granit ausgelegte Marktplatz von Schwieberdingen, auf dem jüngst gegen die Ablagerung von freigemessenem Schutt aus dem Atomkraftwerk Neckarwestheim demonstriert wurde, strahle mehr als die Deponie, um die es gehe.
Doch auch die Abfallwirtschaftsgesellschaft des Neckar-Odenwald-Kreises AWN stellt sich quer. Man halte es "derzeit weder für sinnvoll noch für politisch verantwortbar" Abfälle aus dem Rückbau des Kraftwerks Obrigheim bei Buchen einzulagern, legte der Aufsichtsrat fest, dessen Chef Landrat Brötel ist. Dieser wurde beauftragt, das Land aufzufordern, in einen Dialog einzutreten.
Das Land ärgerte sich vor allem über eine ältere Äußerung Brötels, die Annahme freigemessener Abfälle aus dem Rückbau in Obrigheim generell zurückzuweisen. Nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz des Bundes seien die jeweiligen Landkreise zur Entsorgung verpflichtet, schrieb das Ministerium. Mit der Deponie Sensenhecken verfüge der Neckar-Odenwald-Kreis über eine geeignete zugelassene Deponie. Rund 3000 Tonnen Betonmüll aus Obrigheim sollen dort entsorgt werden. Ein Zurückweisen sei ein Verstoß gegen das Gesetz, hieß es. Brötel müsse dafür sorgen, dass der Kreis seiner Pflicht nachkomme.
Beim Streit geht es um die Abfälle, die nach Messungen aus der strahlenschutzrechtlichen Überwachung entlassen werden. Das sind laut Ministerium jene Reststoffe aus nuklearer Nutzung, deren Radioaktivität gegenüber der natürlichen Radioaktivität praktisch keine Rolle spiele. "Es ist internationaler Konsens unter Strahlenschutzexperten und -medizinern, dass eine Strahlenexposition, die im Bereich von 10 Mikrosievert pro Jahr liegt, zu vernachlässigen ist", sagt Untersteller. Jeder Mensch sei in Deutschland natürlicher Strahlung von durchschnittlich 2100 Mikosievert im Jahr ausgesetzt.
"Das geltende 10-Mikrosievert-Konzept gewährleistet den Schutz der Bürger", sagte der Präsident der Landesärztekammer, Ulrich Clever, bereits im Januar und stärkte damit Untersteller den Rücken. Das Freigabeverfahren in Obrigheim und Neckarwestheim sei "gesundheitlich verantwortbar". Bürgerinitiativen wie die "IG Deponien Schwieberdingen" halten das Freigabeverfahren für "spekulativ, veraltet und nicht kontrollierbar". Das Restrisiko dürfe nicht vernachlässigt werden.
Hintergrund
Buchen. (Wd) Erwartungsgemäß hat auch der Aufsichtsrat der Abfallwirtschaftsgesellschaft des Neckar-Odenwald-Kreises (AWN) am Dienstag die "Entsorgung freigemessener Abfälle" aus dem im Rückbau befindlichen Kernkraftwerk Obrigheim abgelehnt. Wie die AWN am Mittwoch in einer
Buchen. (Wd) Erwartungsgemäß hat auch der Aufsichtsrat der Abfallwirtschaftsgesellschaft des Neckar-Odenwald-Kreises (AWN) am Dienstag die "Entsorgung freigemessener Abfälle" aus dem im Rückbau befindlichen Kernkraftwerk Obrigheim abgelehnt. Wie die AWN am Mittwoch in einer Pressemitteilung bekannt gab, wurde der Beschluss "nach intensiver Diskussion ohne Gegenstimme bei einer Enthaltung" gefasst.
Der Aufsichtsrat der AWN hält es demnach "derzeit weder für sinnvoll noch für politisch verantwortbar", freigemessene Abfälle aus dem Rückbau des Kernkraftwerks Obrigheim (KWO) im Zentrum für Entsorgung und Umwelttechnologie Sansenhecken in Buchen einzulagern und fordert die Landesregierung auf, unter der Moderation des zuständigen Ministeriums und unter Einbeziehung aller betroffenen Landkreise in einen Dialog über die Entsorgung freigemessener Abfälle einzutreten.
Landrat Dr. Achim Brötel wurde beauftragt, in seiner Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender der AWN entsprechende Schreiben an den Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann und Minister Franz Untersteller zu richten.
Damit wird vom Aufsichtsrat der AWN die Auffassung von Landrat Dr. Brötel gestützt, der zuvor die kreiseigene Gesellschaft gebeten hatte, "bis zur Klärung sämtlicher offener Fragen (..) etwaige Anfragen zur Annahme freigemessener Abfälle aus dem Rückbau des Kernkraftwerks Obrigheim generell zurückzuweisen". Der Landrat hatte sich mit seinen Bedenken heftiger Kritik des Umweltministeriums in Stuttgart ausgesetzt. In einem Schreiben vom 16. Juni verweist der Amtschef des Ministeriums, Helmfried Meinel, auf die Verpflichtung der Landkreise, diese freigemessenen Abfälle auf geeigneten Deponien wie Sansenhecken zu entsorgen. Sollte der Landkreis seiner Entsorgungspflicht nicht nachkommen, sei dies ein Verstoß gegen das Kreislaufwirtschaftsgesetz.
Dr. Brötel stützt sich ungeachtet "seiner persönlichen Einschätzung zur objektiven Harmlosigkeit des freigemessenen Rückbaumaterials" auf Entschließungen von Landesärztekammer und des Deutschen Ärztetages, die ausdrücklich vor gesundheitlichen Gefahren durch die Deponierung von freigemessenem Material für die Bevölkerung warnen. Auch das Land könne die Bedenken der Gremien der Ärzteschaft "nicht einfach mit einem Federstrich zur Seite wischen", so Dr. Brötel, sondern müsse sämtliche offene Fragen klären.
Im Aufsichtsratsgremium der AWN hat die CDU sechs Sitze, die SPD drei, die Freien Wähler zwei und die Grünen haben einen Sitz. Einen weiteren festen Sitz hat die Stadt Buchen als Eigentümer des Geländes von Sansenhecken.
Bemerkenswert: Obwohl die Kreistagsfraktion der Grünen das Verhalten des Landrats öffentlich kritisiert und sich demonstrativ hinter Umweltminister Untersteller gestellt haben, stimmte ihre Vertreterin in der AWN-Sitzung hinter verschlossenen Türen nicht mit "Nein".
Am Freitag letzter Woche hat der Ludwigsburger Kreistag die Deponierung von AKW-Bauschutt mit großer Mehrheit abgelehnt. Auch der Ludwigsburger Landrat Rainer Haas strebt nun ein Gespräch mit Ministerpräsident Kretschmann an.
Hintergrund
Buchen. (HF) Zur Vorbereitung auf die kommende Kreistagssitzung traf sich die Fraktion der Freien Wähler im Zentrum für Entsorgung und Umwelttechnologie Sansenhecken (Z.E.U.S.) in Buchen. Anlass war nicht etwa die Frage der
Buchen. (HF) Zur Vorbereitung auf die kommende Kreistagssitzung traf sich die Fraktion der Freien Wähler im Zentrum für Entsorgung und Umwelttechnologie Sansenhecken (Z.E.U.S.) in Buchen. Anlass war nicht etwa die Frage der Verbringung von Bauschutt vom Kernkraftwerk Obrigheim auf die Kreismülldeponie, welche ja in den letzten Wochen immer wieder für Schlagzeilen gesorgt hatte, sondern die aktuellen Überlegungen zur Gründung einer Anstalt des öffentlichen Rechts.
Eine Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR) ist eine mit einer öffentlichen Aufgabe betraute Institution, deren Tätigkeitsfeld ihr gesetzlich oder satzungsmäßig zugewiesen wird. In Baden-Württemberg wurde diese Körperschaftsform erst im Dezember 2015 neu geschaffen, während man in Bayern mit der AöR schon seit Jahren gute Erfahrungen macht. AWN-Geschäftsführer Dr. Mathias Ginter erläuterte die rechtlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen einer AöR, welche schon kraft ihres hoheitlichen Charakters eng an die Vorgaben des jeweiligen Hauptorgans, also hier des Kreistags, gebunden ist. Der Aufsichtsrat der AWN, der zuständige Ausschuss und der Kreistag werden sich intensiv mit dieser Thematik befassen. Seitens der Fraktion signalisierte man Bereitschaft, dieses Ansinnen aufgeschlossen zu begleiten.
Ohne Dr. Ginter trat man in die eigentliche Fraktionsarbeit ein, wobei das Thema Entsorgung und Verbringung des Betonschutts aus dem Kernkraftwerk Obrigheim auf die Kreismülldeponie nicht außen vor bleiben konnte. Zunächst wurde festgestellt, dass der jahrzehntelange Betrieb des Kernkraftwerks Obrigheim nicht nur der Standortgemeinde und dem Neckar-Odenwald-Kreis, sondern ganz Süddeutschland viele Vorteile gebracht habe. Konkret sei mit ihm eine hohe Wertschöpfung einhergegangen und es konnten viele Arbeitsplätze geschaffen werden. Doch wo die Allgemeinheit den Nutzen hat, muss die Allgemeinheit auch die Lasten tragen und kann diese nicht einseitig auf den kleinen und ländlichen Neckar-Odenwald-Kreis abwälzen. Sich mit der Aufarbeitung der Hinterlassenschaften dieses Meilers zu befassen, ist also eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
Insbesondere muss bei der Deponierung des anfallenden Betonschutts garantiert sein, dass davon keinerlei Gefahren für die Bevölkerung ausgehen. Solange es hierzu ernsthafte Bedenken gibt, so wie sie zuletzt aus der Ärzteschaft geäußert wurden, stehen die Freien Wähler hinter der Entscheidung des Landrats, die Annahme dieses Abfalls auf der Deponie Sansenhecken zu verweigern. Insofern verstehen die Freien Wähler auch nicht die Reaktion der Kreisgrünen, die sich den Argumenten des grünen Umweltministers anschließen, statt die Interessen der Kreisbevölkerung, von der sie gewählt wurden, wahrzunehmen. Die Freien Wähler müssen sich dem Vorwurf der Hörigkeit gegenüber der Landesregierung jedenfalls nicht aussetzen.
Schließlich wurde noch die am Montag stattfindende Kreistagssitzung besprochen. Kritik kam auf, dass der Haushaltszwischenbericht zwar vorgetragen wird, man aber keine schriftlichen Unterlagen zur Verfügung gestellt bekommt.
Eine gezielte Vorbereitung oder die Abgabe einer fundierten Stellungnahme ist damit kaum möglich. Dies sollte künftig der Fall sein, so der Wunsch.
Hintergrund
Neckar-Odenwald/Ludwigsburg. (Wd) Mit einer überraschend deutlichen Entscheidung hat es der Kreistag in Ludwigsburg am gestrigen Freitag auf Antrag der Freien Wähler und der FDP abgelehnt, dass Atomschutt aus Neckarwestheim im Kreis Ludwigsburg eingelagert wird.
Neckar-Odenwald/Ludwigsburg. (Wd) Mit einer überraschend deutlichen Entscheidung hat es der Kreistag in Ludwigsburg am gestrigen Freitag auf Antrag der Freien Wähler und der FDP abgelehnt, dass Atomschutt aus Neckarwestheim im Kreis Ludwigsburg eingelagert wird. Damit hat auch der Landrat des Neckar-Odenwald-Kreises, Dr. Achim Brötel, politische Schützenhilfe erhalten, der die Deponierung sogenannter freigemessener Abfälle aus dem im Rückbau befindlichen Kernkraftwerk Obrigheim auf der Kreismülldeponie Sansenhecken zurückweist.
Landrat Brötel verweist hierbei auf Entschließungen von Landesärztekammer und des Deutschen Ärztetages. Diese warnen vor einer Verharmlosung möglicher Strahlenschäden durch die geplante Verteilung von gering radioaktivem AKW-Restmüll aus den Kernkraftwerken Neckarwestheim, Obrigheim und Phillippsburg sowie den Karlsruher Kernkraftanlagen auf die Mülldeponien der Landkreise Ludwigsburg, Neckar-Odenwald und der Stadt Heilbronn. Der Deutsche Ärztetag erklärt in seiner Entschließung im Mai, "durch die sogenannte Freigabe gering radioaktiven Restmülls in die allgemeine Wiederverwertung und der Lagerung auf normalen Mülldeponien wird die Bevölkerung in den kommenden Jahrzehnten völlig unnötig und vermeidbar zusätzlichen Strahlenbelastungen ausgesetzt."
Zwischenzeitlich haben sich die Kreistagsfraktionen von CDU und Freien Wählern hinter Landrat Dr. Brötel gestellt, während sich die Grünen im Neckar-Odenwald-Kreis ausdrücklich dem grünen Umweltminister Franz Untersteller den Rücken stärken. Das Umweltministerium hat auf die Haltung von Landrat Brötel mit "Überraschung und Unverständnis" reagiert und pocht auf die Entsorgungspflicht des Neckar-Odenwald-Kreises auf Sansenhecken in Buchen.
Das sei eine geeignete zugelassene Deponie für diese Abfälle. Ein generelles Zurückweisen der Abfälle sei nach geltendem Recht nicht möglich und wäre als Verstoß gegen das Kreislaufwirtschaftsgesetz einzuordnen.
Nach monatelangen Diskussionen und Demonstrationen wie am Montag, an dem auch die Buchener Bürgerinitiative gegen Müllgeschäfte (Bigmüg) teilnahm, ist im Kreistag Ludwigsburg abgelehnt worden, dass so genannter "freigemessener", also nicht strahlender Schutt, des abgerissenen Kernkraftwerkes Neckarwestheim auf die Deponie Froschgraben nach Schwieberdingen kommt. In der Sitzung hatte der Ludwigsburger Landrat Rainer Haas sich noch bis zuletzt in der Pflicht gesehen, das Gesetz zu erfüllen und keine Gefahr für die Gesundheit erkannt. Atomkraftgegner und Anhänger der Bürgerinitiative in Schwieberdingen sahen das anders. Jetzt will Haas mit Ministerpräsident Kretschmann reden.
Am Montag Nachmittag ist Kreistagssitzung des Neckar-Odenwaldes in Mudau. Über die Thematik Betonmüll aus Obrigheim steht nichts auf der Tagesordnung. Es ist aber schwer zu glauben, dass dieses Thema nach der neuesten Entwicklung auch in Ludwigsburg außen vor bleiben wird.
Hintergrund
Buchen/Schwieberdingen. (RNZ) Gestern stimmte der Ludwigsburger Kreistag über die Annahme freigemessenen schwachadioaktiven Bauschutts aus Philippsburg und Karlsruhe auf der kreiseigenen Deponie ab.
Buchen/Schwieberdingen. (RNZ) Gestern stimmte der Ludwigsburger Kreistag über die Annahme freigemessenen schwachadioaktiven Bauschutts aus Philippsburg und Karlsruhe auf der kreiseigenen Deponie ab. Letzte Woche wurde bekannt, dass Landrat Dr. Achim Brötel die geplante Deponierung von freigemessenem Bauschutt aus dem Kernkraft werk Obrigheim auf der Kreisdeponie Sansenhecken in Buchen verweigert, sehr zur Verärgerung von Landesumweltminister Franz Untersteller.
Dr. Brötel verweist auf entsprechende Entschließungen von Landesärztekammer und des Deutschen Ärztetages, die vor Verharmlosungen möglicher Strahlenschäden durch die geplante Verteilung von gering radioaktivem Restmüll aus dem Abriss von Kernkraftwerken warnen.
Die Bürgerinitiative gegen Müllgeschäfte Buchen beteiligte sich gestern an der Demonstration in Schwieberdingen. Die dortige Bürgerinitiative veranstaltete unter dem Motto "AKW´s sicher entsorgen - kein Rückbau-Müll auf unsere Deponien!" eine Demonstration gegen die geplanten Maßnahmen.