Die bittere Wahrheit für 1899 Hoffenheim

Mark Uth rettet 1899 Hoffenheim ein spätes 1:1 in Ingolstadt - Stevens: "Fußballerisch stelle ich mir etwas anderes vor"

06.12.2015 UPDATE: 07.12.2015 06:00 Uhr 2 Minuten, 7 Sekunden

In Sorge um "seine" TSG: : Dietmar Hopp auf der Haupttribüne im Audi-Sportpark. Foto: APF

Von Achim Wittich

Ingolstadt. Am frühen Samstagabend um 17.23 Uhr kehrte ein kleines Stück Fußball-Glück zurück nach Hoffenheim. In der sechsten (!) Minute der Nachspielzeit stellte sich Ingolstadts Roger im eigenen Strafraum derart töricht an, dass selbst ein E-Jugend-Trainer aus der Haut gefahren wäre. Mark Uth, in der 78. Minute für den weiter auf Formsuche befindlichen Kevin Volland eingewechselt, sagte "Dankeschön" und schob den Ball am ehemaligen Hoffenheimer Torwart Ramazan "Rambo" Özcan zum 1:1-Ausgleich ins Netz der Audi-Städter. Es passte irgendwie zum unansehnlichen und fehlerhaften Kick, dass ausgerechnet Roger - Freistoßschütze des 1:0 (66. Minute) - mit einem derartigen Schnitzer den kriselnden Kraichgauern wenigstens einen Punkt zum Nikolaus bescherte.

Hintergrund

Hoffenheim und die Medien

In Bedrängnis geraten ist die TSG Hoffenheim auch abseits des Rasens. Noch bevor die ARD-Sportschau am Samstag Ausschnitte der Partie des Tabellenletzten beim FC Ingolstadt zeigte, hatte Moderator Reinhold Beckmann das

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Hoffenheim und die Medien

In Bedrängnis geraten ist die TSG Hoffenheim auch abseits des Rasens. Noch bevor die ARD-Sportschau am Samstag Ausschnitte der Partie des Tabellenletzten beim FC Ingolstadt zeigte, hatte Moderator Reinhold Beckmann das Verhalten von TSG-Trainer Huub Stevens als "Herrenmenschgehabe" getadelt. Beckmann bezog sich auf Stevens’ Angriffe der Vorwoche, als er auf der Pressekonferenz nach dem Spiel gegen Gladbach (3:3) heftigst gegen RNZ-Sportchef Joachim Klaehn gewütet hatte ("Manchmal muss man draufhauen, bei Bestimmten ... Du bist es eigentlich nicht wert, Junge"  - hier der Bericht des Sportsenders Sport1). In seltener Einigkeit werteten Medien Stevens’ Reaktion auf eine harmlose Frage als ungeheuerlich. "Rabauke Stevens grätscht einen Reporter verbal um", schrieb die Stuttgarter Zeitung. "Stevens vergreift sich im Ton", befand die Frankfurter Allgemeine Zeitung und erklärte: "Wutanfälle als Strategie sind das eine", doch diesmal "ging der erfahrene Trainer zu weit." Und während das Magazin 11 Freunde eine Satire auf den "ewigen Knurrer" schrieb ("Durch den Tag mit Huub Stevens"), verteidigte der Chefredakteur der Heilbronner Stimme in einer Kolumne die Kollegen aus Heidelberg und meinte: "Von den Verantwortlichen des Kraichgau-Klubs hätte man gerne ein klares Wort in dieser Sache gehört - aber sie passen sich dem Niveau der sportlichen Leistungen ihrer Kicker leider an."

Hoffenheim reagiert auf seine Weise: Ein für Dienstag vereinbartes Interview der RNZ mit TSG-Sportdirektor Alexander Rosen wurde abgesagt - wegen unbotmäßiger Berichterstattung. (enze)

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Dietmar Hopp, der bereits seinen Platz auf der Tribüne verlassen hatte, kehrte noch einmal zurück und durfte sich ein paar Augenblicke später ein bisschen darüber freuen, dass "seine" TSG endlich selbst einen späten Nadelstich setzen konnte. Zuvor nämlich hatten der ebenfalls schwache Kapitän Pirmin Schwegler und seine Mitspieler gegen Bayern (90.), Bremen (90. und 90.+3.), Stuttgart (90.), Hamburg (88.) und beim letzen Heimspiel gegen Gladbach (87.) gleich fünfmal kurz vor Schluss wertvolle Punkte verschenkt. Die Überlänge war übrigens vollauf gerechtfertigt, weil Ingolstadts Benjamin Hübner nach einem Zweikampf mit Volland fünf Minuten lang flach lag. Hübners spuckte gar Blut, der Verdacht auf eine innere Verletzung bestätigte sich zum Glück aber nicht.

1899-Trainer Huub Stevens, der auch in seinem fünften Spiel seit seinem Amtsantritt beim weiterhin Tabellenletzten keinen "Dreier" bejubeln durfte, teilte den mitgereisten regionalen Medienvertretern nachher in kleiner Runde mit, was er über ein Fußballspiel berichten würde, das problemlos unter der Überschrift "Not gegen Elend" zusammenzufassen ist: "Ich würde die Wahrheit schreiben", so der Tipp für den Kollegen vom 62-jährigen Holländer. Wir wollen das gerne versuchen.

Nach wenigen guten Anfangsminuten präsentierten sich die tief gestürzten Kraichgauer in einem erschreckend labilen und schwachen Zustand, kreierten bis auf Vollands Pfostenknaller (43.) keine Torchancen und konnten sich einzig eine ordentliche kämpferische Schulnote gutschreiben lassen. "Wir haben Qualität", hatte Stevens noch am vergangenen Donnerstag erneut wiederholt und musste nun eingestehen: "Ich habe ein schlechtes Spiel gesehen. Fußballerisch stelle ich mir in der Bundesliga etwas anderes vor." Ein bisschen Sarkasmus darf beim "Knurrer von Kerkrade" nie fehlen. "Ganz weit, wir stehen immer noch unten", beantwortete er die Frage nach dem Entwicklungsstand seiner Mannschaft.

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Kein Blatt Papier vor den Mund nahm auch Innenverteidiger Fabian Schär. "Wir spielen von hinten heraus schlecht und bewegen uns im Mittelfeld nicht gut." Tobi Strobl sah es nicht anders: "Unsere fußballerische Linie hat nachgelassen."

Tiefe Verunsicherung prägen die Aktionen, selbst das beachtliche 3:3 gegen die Bayern-Bezwinger aus Mönchengladbach hat keine Erleichterung gebracht. Fast schon bezeichnend, dass Jungspund Nadiem Amiri (19) der Einzige war, der wenigstens hin und wieder über eine überraschende Idee verfügte.

In einer hektischen Partie, in der die Ingolstädter auffällig oft den Bodenkontakt pflegten, ließen sich die TSG-Profis von der allgemeinen Hektik anstecken und bekamen einen Gegner nicht zu fassen, dessen Vorgehen von hoch und weit geschlagenen Bällen gekennzeichnet ist - bedenklich.

Auch am nächsten Samstag (15.30 Uhr) wird es in der Rhein-Neckar-Arena gegen Hannover 96 keinen Augenschmaus für den heimischen Fußballfreund geben. "Das wird ein Drecksspiel, da hilft uns nichts anderes als ein Sieg", kündigte Strobl schon mal an. "Hoffe" kurz vor Weihnachten 2016: Das ist Überlebenskampf und weit weg von der eigenen Philosophie vom erfrischenden und attraktiven Fußball.

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