Bäckerei Kress ist Weinheims einzige inhabergeführte Bäckerei
Kein Job für Langschläfer: Michael Kress stellte der RNZ seinen Beruf vor

Michael Kress (42) und sein Vater stehen Morgen für Morgen zwischen 2 und 2.30 Uhr auf. Bis zwei, halb drei Uhr nachmittags wird in der Backstube produziert. Foto: Kreutzer
Von Philipp Weber
Weinheim. Michael Kress (42) und sein Vater Wolfgang stehen Morgen für Morgen zwischen 2 und 2.30 Uhr auf. "Dann gehen wir runter in die Backstube und fangen an, die Teige von Hand aufzubereiten." Um 4 Uhr rücken die ersten Mitarbeiter an.
Zwei Stunden später öffnet die Bäckerei Kress in der Königsberger Straße. Bis dahin müssen die Teige - größtenteils von Hand - verwogen und zu Brötchen, Broten oder Baguettes geformt werden. "Bis zwei, halb drei Uhr nachmittags wird produziert. Abends hat man dann schon ein paar Kilo bewegt", so der Konditor- und Bäckermeister sowie dreifache Familienvater.

Elfriede Kress steht im Verkaufsraum. Zehn Mitarbeiter zählt der Betrieb. Foto: Kreutzer
Sein Betrieb zählt zehn Mitarbeiter. Er ist Weinheims letzte inhabergeführte Bäckerei. Das Klein-Unternehmen hält sich augenscheinlich sehr gut, obwohl andere Backstuben in Weinheim und Umgebung schließen mussten. Wenn man Michael Kress durch das Geschäft und die Produktionsräume folgt, wird es schnell klar: Eine Erfolgsformel für funktionierende Kleinbäckereien gibt es nicht. Gefragt ist eine gesunde Mischung aus Vielseitigkeit auf der einen und Unverwechselbarkeit auf der anderen Seite.
Ein Aspekt, den die Kundschaft immer ernster nehme, sei die Zusammensetzung der Zutaten, so der Bäckermeister. "Es gibt immer mehr Konsumenten, die über Unverträglichkeiten klagen", sagt er: "Dadurch werden Ur-Getreide-Arten wie etwa Dinkel wieder populärer." Auch Traditionsbrote mit vergleichsweise wenigen Zutaten gewinnen an Beliebtheit. Gerade in Sachen "Brot" nutzt die Bäckerei das Internet, um Transparenz herzustellen. Auf den Webseiten des Betriebs können Interessierte Zusammensetzungen und Zutaten der Brote studieren. Online führt Kress’ Frau - eine Betriebswirtin in Elternzeit - die Regie.
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Michael Kress hat 1998 die Meisterprüfung an der Bundesfachschule in Weinheim (heute: Bundesakademie Deutsches Bäckerhandwerk) bestanden - als seinerzeit jüngster Absolvent. Offenbar lernt er bis heute gerne dazu: "Zuletzt haben wir eine Produktionsschiene entwickelt, die sich Steinofen-Brötchen nennt", erklärt er: "Wir machen dabei eine lange Teigführung mit wenig Hefe, diese wird im Ofen dann auf Stein gebacken." Fürs Wochenende kann die Kundschaft die Brötchen in halb aufgebackenem Zustand kaufen und im eigenen Backofen verzehrfertig machen.

Die Bäckerei Kress produziert nur so viel, wie sie verkaufen kann. Foto: Kreutzer
Denn da gibt es eine Besonderheit: Samstagnachmittags und sonntags haben Kress und seine Mitarbeiter frei - abgesehen von der Vorbereitung auf den Betrieb am Montag. Allgemein gilt, dass der Betrieb nur so viel produziert, wie er auch verkaufen kann. Im Klartext: Einige Produkte sind zu bestimmten Uhrzeiten vergriffen. Denn Familie Kress will ausdrücklich keine Lebensmittelvernichtung betreiben. Wenn etwas übrig bleibt, profitieren der Mittagstisch, ein Ziegenbesitzer und ein Jäger. Genauso wenig ist ein Einstieg ins Filialen- oder Lieferanten-Geschäft geplant.
Hintergrund
Bäckerei Kress in Weinheim
> Die Anfänge: 1924 eröffnete die Bäckerei - in der Postgasse. Die ersten Inhaber waren Georg Johann Kress und seine Ehefrau Margarete.
> Der Umzug: Bereits fünf Jahre später, 1929, erfolgte der Umzug in die
Bäckerei Kress in Weinheim
> Die Anfänge: 1924 eröffnete die Bäckerei - in der Postgasse. Die ersten Inhaber waren Georg Johann Kress und seine Ehefrau Margarete.
> Der Umzug: Bereits fünf Jahre später, 1929, erfolgte der Umzug in die Stahlbadstraße. Der damalige Bäckerei-Standort befindet sich heute in der Mannheimer Straße.
> Jeder Straßenzug, ein Bäcker: Der heutige Betriebschef Michael Kress und seine Frau haben Unterlagen der früheren Weinheimer Bäckerinnung studiert. Demnach verzeichnete die Innung am 31. September 1934 exakt 89 Bäckerei-Betriebe. Einige unmittelbar benachbarte Bäcker sollen einander zu früher Morgenstunden kollegial und von Fenster zu Fenster zugewunken haben.
> Der zweite Umzug: Der nächste größere betriebliche Einschnitt kommt im Jahr 1965. Die Bäckerei Kress zieht in das zuvor eigens errichtete Betriebsgebäude in der Königsberger Straße ein.
> Die Renovierung: 1982 gönnt sich die Bäckerei eine Pause, um das Gebäude sanieren zu lassen.
> Die junge Generation: Michael Kress entscheidet sich für den Bäckerberuf. 1998 legt er die Meisterprüfung ab. (web)
Vorbei an Stein- und Stikkenofen führen die Eheleute Kress ihre Besucher in die Konditorei. Hier zeigt sich, wie sehr auch kleine Betriebe ihre Angebote ausbauen müssen. "Ich habe mich vor etwa fünf Jahren in das Thema eingearbeitet", so Michael Kress. Inzwischen bekommt er etwa 500 Bestellungen im Jahr, sogar Hochzeitspaare aus dem Raum Heidelberg wenden sich an ihn.
Als er durch den Raum führt, wartet bereits eine Torte mit Kindermotiven auf ihre Abnehmer: Aus der Aufschrift geht hervor, dass Amelie vier Jahre alt wird. Auch hier laufen Bestellungen und Kundeninformation verstärkt via Internet. Im selben Raum steht ein Vakuummixer, der 10.000 Umdrehungen pro Minute schafft. Hier werden Pralinen produziert, ebenfalls eine Spezialität des Hauses.
In den Sommermonaten bestücken Kress und seine Mitarbeiter darüber hinaus eine Eistheke. "Wir verwenden dabei nur echte Zutaten", so der Konditor und Bäckermeister. Denn auch darauf achte die Kundschaft zunehmend. Ebenfalls ein Hingucker: die Schokoladen-Theke, wo es Produkte aus ursprünglichen Kakao-Sorten gibt.
Auch Michael Kress bedauert, dass die Zahl der inhabergeführten Bäckereien kleiner wird. "Je weniger Betriebe es werden, desto weniger junge Leute können das Handwerk von der Pike auf und anhand überlieferter Rezepte lernen." Letztlich leide am Ende nicht die Zahl der Verkaufsstellen, sondern die Vielfalt.
Er arbeitet gerne hier. Trotz Sechs-Tage-Woche, ungewöhnlicher Schlafzeiten, körperlicher Anstrengungen, einer beinahe abstinenten Lebensführung und nur drei Wochen Betriebsferien im Jahr. "Es macht einen richtig stolz, wenn die Kinder nach und nach mitbekommen, was der Papa macht", sagt er und lächelt. Manchmal nimmt er sie schon mit in die Backstube. Und wer weiß: Vielleicht kommt in der Betriebshistorie ja noch eine fünfte Bäcker-Generation hinzu.
Für Liebhaber alter Geschichten aus der Weststadt: Wer sich erinnern kann, wie die ganze Königsberger Straße einst nach Marmelade duftete, darf sich freuen. Die Füllung der Berliner wird in der Bäckerei Kress bis heute selbst gemacht.



