Dendemanns Rap-Liebeserklärung in der Hip-Hop-Hochburg
"Erwachsenere" Themen begeistern ausverkauftes Haus - Platten-Comeback nach neun Jahren liefert viele politische Texte

"Dende" konnte sich am Montag kaum von den Heidelbergern trennen - erst nach drei Zugaben war Schluss. Fotos: Rothe
Von Sara Wess
Heidelberg. Die Zugabe ist vorbei, die ersten Zuschauer strömen schon aus den geöffneten Türen ins Freie. Doch die "Dende!"-Rufe verstummen nicht. Minutenlang, bis der 44-Jährige mit Handtuch um den Hals auf die Bühne zurückkehrt. Man könnte meinen, die knapp zweistündige Show habe ihn außer Atem gebracht. Doch Dendemann scheint nicht zu altern.
Sein neues Album "Da nich für!" zeigt auf, was dem deutschen Hip-Hop der vergangenen Jahre öfter mal gefehlt hat. Nämlich einer, der etwas zu sagen hat, der nicht bloß über "heiße Frauen", Drogenkonsum oder eben die Liebe rappt. Und die Heidelberger wollen es hören. Die Halle 02 ist am Montagabend ausverkauft.
Mit der Heimathymne "Wo ich wech bin" thematisiert Daniel Ebel, wie Dendemann mit bürgerlichem Namen heißt, direkt zu Beginn des Konzertes seine randsauerländische Kleinstadtherkunft ("Du kriegst mich aus dem Dorf, doch das Dorf nich’ aus mir"). Dass er sich auch mit Tiefsinnigerem befasst, beweist der Track "Keine Parolen". Dendemann nimmt darin die Position des "Nicht-Raffers" ein, des Politikverdrossenen, der sich hinter einer linksgerichteten Selbstwahrnehmung vor Problemen wie Sexismus und Rassismus versteckt ("Wir fühlen uns mit uns eigentlich ganz wohl. Wir wollen keine Prinzipien, keine Parolen"). Damit trifft der Künstler auch den Nerv des Publikums: Bei "Keine Parolen" klatschen die rund 1300 Zuschauer ein bisschen länger, pfeifen ein wenig lauter. Der Wortakrobat mit der unverkennbaren Reibeisenstimme weiß sich auszudrücken.
Neun Jahre lang haben die Fans auf das Ende Januar erschienene Album warten müssen. In der Zwischenzeit hatte der 44-Jährige anderes zu tun: Gemeinsam mit seiner Band "Die freie Radikale", die ihn auch in Heidelberg begleitet, trat Dendemann zwei Jahre lang in der wöchentlichen ZDFneo-Sendung "Neo Magazin Royale", moderiert von Jan Böhmermann, auf. Die Arbeit für die satirische Late-Night-Show macht sich auch auf dem Album bemerkbar.
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In "Zeitumstellung" etwa verkündet Dendemann, es sei "endlich wieder Zeit, um Stellung zu beziehen". Dass er genug hat von "den Rechten, den Faschos, den Naziparteien", beschreibt er im Song "Müde", auf welchem die längst verstorbene Chansonsängerin Hildegard Knef mit einem Sample vertreten ist. Im Track "Zauberland" thematisiert der Rapper die Flüchtlingskrise. Man könnte sagen, Dendemann sei mit "Da nich‘ für!", erwachsen geworden - aber nicht alt.
Bei knapp 30 Songs in gut zwei Stunden bleibt wenig Zeit für Ansagen. Auch deshalb ist es etwas Besonderes, als Dendemann verkündet: "Heidelberg war eine der ersten Städte, die sie gespürt hat. Jetzt ist 2019, spürt ihr immer noch die Begeisterung?" Was mit einem Song namens "BGSTRNG" folgt, ist eine Liebeserklärung an die deutsche Rapmusik. Und wo wäre diese passender als in der Hip-Hop-Hochburg Heidelberg, in der Musiker wie Toni L. diese Musikrichtung und ihre Kultur in den 80ern mit der Combo Advanced Chemistry etablierten? Es ist also nicht verwunderlich, dass auch Rapper Torch am Montag kurz auf die Bühne kommt.
Mit einem grinsenden "Danke, ich muss los" verabschiedet sich Dendemann nach der dritten Zugabe von der Bühne. Die Fans sind erschöpft, aber glücklich. "Das war jetzt mein erstes Dende-Konzert seit Langem, ich habe ihn ganz früher mal live gesehen", erklärt Maila Danic, und fügt lächelnd hinzu: "Es war wunderbar. Die Setlist war die perfekte Mischung aus alten und neuen Songs. Dendemann hat sich weiterentwickelt, aber macht immer noch echten Hip-Hop."
Die 44-Jährige war unter den Hip-Hop-Fans der ersten Stunde in Heidelberg. Seither habe sich einiges geändert, meint sie: "Damals war Rap hier noch nicht etabliert. Die Jungs mussten noch alles selbst machen." Dendemanns erster Auftritt auf Heidelberger Boden freut die Wieblingerin: "Jeder deutsche politische Rapper sollte einmal in Heidelberg gespielt haben."