Bauinnung protestiert gegen das Poller-Konzept
Mit dem Handkarren zur Baustelle? - Kritik an zu viel Bürokratie

Von Holger Buchwald
Heidelberg. Mit einem historischen Handkarren, den sie mehrmals um den Herkules-Brunnen zogen, protestierten Vertreter der Bau-Innung Rhein-Neckar gestern auf dem Marktplatz gegen das geplante Poller-Konzept für die Heidelberger Altstadt. "Für ein Bauprojekt in der Innenstadt benötigen Bauherren und Unternehmen bereits jetzt starke Nerven", kritisiert Innungsvorsitzender Markus Böll das von einem Arbeitskreis ausgearbeitete Verkehrsberuhigungskonzept. Für die Handwerker dürften keine weiteren Hürden aufgebaut werden.
"Wir wollten ein optisches Zeichen setzen, um der Kommunalpolitik zu zeigen, was die Poller für uns bedeuten würden", begründete Böll die Aktion, die unter dem Titel "Handwerk 4.0 in Heidelberg: In Zukunft mit Handkarren?" angekündigt war. Gespräche mit dem städtischen Verkehrsmanagement habe es im Vorfeld des Protestes nicht gegeben. Böll kritisierte aber, dass es jetzt schon in Heidelberg sehr viele Vorschriften und langwierige Genehmigungsverfahren gebe. "Man hat den Eindruck, das Verkehrsmanagement habe die Intention, Firmen, die einen Auftrag in der Altstadt umsetzen müssen, möglichst große Schwierigkeiten zu bereiten."
Hintergrund
Hintergrund Stadt wehrt sich gegen Vorwürfe
Nirgendwo in der Metropolregion gebe es einen Ort mit vergleichbarer historischer Bausubstanz und so extremer Nutzungsdichte wie in der Heidelberger Altstadt. Mit dieser Stellungnahme reagierte die Stadt
Hintergrund Stadt wehrt sich gegen Vorwürfe
Nirgendwo in der Metropolregion gebe es einen Ort mit vergleichbarer historischer Bausubstanz und so extremer Nutzungsdichte wie in der Heidelberger Altstadt. Mit dieser Stellungnahme reagierte die Stadt gestern auf die Vorwürfe der Bauinnung Rhein-Neckar und deren Vorsitzendem Markus Böll. "Auf diesem engen Raum kann nicht immer alles so flüssig laufen, wie mancher Nutzer sich das wünscht", sagte eine Stadtsprecherin. In der Altstadt gebe es nicht nur Wohnungen, Büros, Hörsäle und Geschäfte, sondern auch Schulen, Kitas und Spielplätze - das alles bei einem sehr engen Straßenraum, der weit vor Erfindung des Autos angelegt wurde. All das müsse man berücksichtigen. Zudem sei das Verkehrsberuhigungskonzept in einem breiten Beteiligungsprozess entwickelt worden, um eine gute Lösung für alle Nutzer zu erhalten. "Dabei wurden auch die Bedürfnisse der Gewerbetreibenden berücksichtigt. Die Erreichbarkeit der Altstadt für Lieferverkehr und Handwerk wurde stets mit in den Blick genommen. Unter anderem waren Vertreter der Handwerkskammer am Prozess beteiligt."
"Die harsche Kritik des Vorsitzenden der Bauinnung Rhein-Neckar, Markus Böll, erstaunt mich doch sehr", sagte Baubürgermeister Jürgen Odszuck auf Anfrage der RNZ: "Wir können den Vorwurf nicht stehen lassen, die Stadt habe die Intention, den Baufirmen möglichst große Schwierigkeiten zu bereiten - zumal das Gegenteil der Fall ist." Regelmäßig erteile die Stadt Genehmigungen innerhalb weniger Stunden per Fax, wenn dies möglich sei. Das heiße aber auch, dass man nicht jedem Wunsch nachkommen könne. Odszuck: "Wir müssen alle Verkehrsteilnehmer, auch die Schwächsten, im Auge haben. Dabei geht Sicherheit immer vor. Dies bezieht sich insbesondere auch auf die Freihaltung von Rettungswegen."
"Wir haben ein Interesse daran, dass Handwerker hier gut arbeiten können", so Odszuck weiter. Er betonte den tragfähigen Kompromiss, der mit dem Verkehrsberuhigungskonzept erreicht worden sei. "Wir sind immer offen für Lösungsvorschläge - allerdings in konstruktiver Art und Weise. Gerne bieten wir Herrn Böll eine echte inhaltliche Auseinandersetzung in einem persönlichen Gespräch an." (hob)
Das diskutierte Verkehrsberuhigungskonzept für die Altstadt wurde von einem Arbeitskreis erarbeitet, in dem auch Vertreter der Wirtschaft saßen - darunter auch die Kreishandwerkerschaft und die Industrie- und Handelskammer (IHK). Die Empfehlungen an den Gemeinderat, dass die Zufahrtsstraßen zur Hauptstraße nach 11 Uhr vormittags mittels versenkbarer Poller abgesperrt werden sollen, stoßen bei der Bauinnung und dem Vorsitzenden Böll jedoch auf wenig Gegenliebe. Auch wenn vonseiten der Stadt immer wieder betont wurde, dass die Poller nur die bestehenden Vorschriften durchsetzen sollen; jeder, der schon jetzt eine Durchfahrtsgenehmigung für die Fußgängerzone habe, solle diese auch in Zukunft erhalten.
Die Bauunternehmen benötigten mehr Flexibilität, fordert hingegen Böll. Jede Baustelle sei auch ein logistischer Kraftakt. Nicht immer könne im Vorfeld gesagt werden, welcher Fahrer mit welchem Fahrzeug das benötigte Material zu welchem Zeitpunkt anliefern müsse. "Mit den Pollern wird die Altstadt allmählich zu einer No-Go-Area für Handwerker", befürchtet Böll. Schon jetzt müsse jede Baufirma, die nur eine mobile Toilette auf dem Gehweg aufstellen wolle, zwei Wochen zuvor einen Antrag auf Sondernutzung öffentlicher Verkehrsfläche stellen. Böll berichtet von Fällen, in denen ihm solch eine Genehmigung verweigert wurde und dem Bauherren sogar vonseiten der Stadt empfohlen wurde, er solle die Durchführung der Arbeiten doch in die Sommerferien verlegen. Böll: "In anderen Städten, wie in Mannheim, haben wir bessere Erfahrungen gemacht." Bei der guten Auftragslage bestehe die Gefahr, dass nur noch wenige Handwerker bereit seien, Aufträge in der Heidelberger Altstadt anzunehmen.