Stoppt der Rotmilan das Vorhaben?
Erste Auszüge aus dem Gutachten der Bürgerinitiative liegen vor: Neuen Horst entdeckt - Dichtezentrum am Kornberg vermutet

Symbolfoto: dpa
Von Rüdiger Busch
Hardheim/Höpfingen. Seit zweieinhalb Jahren versuchen die Gegner des Windparks "Kornberg", den geplanten Bau der sechs Anlagen auf den Gemarkungen Hardheim und Höpfingen zu verhindern. Ob Unterschriftenaktion, Leserbriefe oder der Hinweis auf Beeinträchtigungen für Mensch und Natur - alles war bislang erfolglos. Doch nun hat die Bürgerinitiative für Gesundheit und Naturschutz (BGN) neue Fakten zusammengetragen, die möglicherweise das Aus für die Pläne der ZEAG Energie (Heilbronn) und der Gemeinden Hardheim und Höpfingen bedeuten. Das von der BGN in Auftrag gegebene Gutachten liefere nämlich, so die BGN, den Nachweis für ein sogenanntes Dichtezentrum des Rotmilans sowie für einen weiteren Horst, so dass insgesamt vier der sechs aktuellen Standorte aus artenschutzrechtlichen Gründen nicht genehmigungsfähig wären. Rechtsanwalt Thomas Jäger (Baumann-Rechtsanwälte, Würzburg) teilte die neuen Erkenntnisse gestern dem Landratsamt in Mosbach mit. Auf Nachfrage gewährte er auch der RNZ Einblick in das Schreiben.
Hintergrund
Wie kann es sein, dass die beiden Gutachten zu völlig unterschiedlichen Schlussfolgerungen kommen? Während das im Auftrag des Betreibers ZEAG vom Büro Beck (Darmstadt) angefertigte Gutachten keine artenschutzrechtlichen Konflikte hinsichtlich des Rotmilan-Vorkommens sieht und
Wie kann es sein, dass die beiden Gutachten zu völlig unterschiedlichen Schlussfolgerungen kommen? Während das im Auftrag des Betreibers ZEAG vom Büro Beck (Darmstadt) angefertigte Gutachten keine artenschutzrechtlichen Konflikte hinsichtlich des Rotmilan-Vorkommens sieht und eine signifikante Erhöhung des Verletzungs- oder Tötungsrisikos ausschließt, kommt der Gutachter der Bürgerinitiative zu einem völlig anderen Ergebnis. Die BGN kritisiert eine "nachlässige Vorgehensweise" und den Einsatz studentischer Hilfskräfte, die eine "Scheuwirkung" auf Greifvögel erzielt hätten. Ist das der Beweis dafür, dass der von der BGN schon seit längerem geäußerte Vorwurf stimmt, das Büro Beck habe im Sinne des Auftraggebers ein Gefälligkeitsgutachten erstellt? Wer hat recht? Eindeutig lässt sich diese Frage nicht beantworten, zumal die im dichten Gehölz versteckten Horste durchaus auch ohne bösen Willen übersehen werden können und das Brutverhalten von Greifvögeln zu einem bestimmten Zeitpunkt anders aussieht als im Folgejahr.
Nichtsdestotrotz erhebt Walter Müller vom Landesverband der Bürgerinitiativen gegen Windkraft schwere Vorwürfe gegen die ZEAG und ihren Gutachter: So seien die Ergebnisse der artenschutzrechtlichen Untersuchungen bei allen Windparkprojekten in Baden-Württemberg immer identisch: "Kein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko für seltene Arten!" Die Gutachten würden gegen Berufsgrundsätze und allgemein gültige Maßstäbe verstoßen, in dem Dinge verschwiegen würden, so Müllers Vorwurf. "Wir akzeptieren derartiges Schindluder nicht", sagte Müller. Deshalb habe der Landesverband die Bürgerinitiativen vor Ort um die Zusendung von Anhaltspunkten und Beweisen für das vermeintlich unsaubere Arbeiten von Gutachtern gebeten. Erste Gruppen hätten dem Landesverband bereits Material überlassen.
Gutachter Peter C. Beck hatte sich vor einem Jahr im RNZ-Interview zum Vorwurf von Gefälligkeitsgutachten wie folgt geäußert: "Das könnten wir uns gar nicht erlauben, schließlich geht es nicht nur um unseren Ruf, sondern auch um viel Geld. Das Schlimmste, was uns passieren könnte, wäre, dass die Genehmigungsbehörde unser Gutachten nicht akzeptieren würde, weil wir die vorgegebenen Erfassungsstandards nicht berücksichtigt hätten. Dann wäre das Projekt im schlimmsten Fall gekippt, und der Investor könnte Schadensersatz von uns fordern. Die Ergebnisse ließen sich - selbst wenn wir es wollten - nicht einfach unter den Teppich kehren. Und zudem: Wir werden für unsere Arbeit bezahlt, und nicht für die Windräder, die am Ende tatsächlich gebaut werden."
Darin weist Jäger die zuständige Genehmigungsbehörde auf folgende Inhalte des im Auftrag der BGN erstellten artenschutzrechtlichen Gutachtens hin:
> 1. Vorliegen eines sogenannten Dichtezentrums des Rotmilans: Ein Dichtezentrum liege vor, wenn die Siedlungsdichte der Rotmilane in einem 3,3-Kilometer-Radius um eine Windkraftanlage mehr als drei Revierpaare betrage. Dies sei im Bereich der Anlagenstandorte Höpfingen 2 und Hardheim 4 der Fall. Laut Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW) gebe es in unmittelbarer Nähe drei Brutplätze, die nach intensiver Beobachtung durch Mitglieder der Bürgerinitiative auch genutzt werden. Zudem habe die BGN gegenüber der Unteren Naturschutzbehörde beim Landratsamt im Jahr 2016 einen weiteren Rotmilanhorst gemeldet. Der Horst sowie das Vorhandensein eines weiteren Revierpaars seien sodann von der Unteren Naturschutzbehörde bestätigt worden. Somit sei davon auszugehen, dass ein Dichtezentrum vorliege.
> 2. Signifikant erhöhtes Tötungsrisiko innerhalb eines Radius von 1000 Meter um den Horst: Laut LUBW sei innerhalb eines Radius von 1000 Meter um den Horst sowie in den regelmäßig frequentierten Nahrungshabitaten und Flugkorridoren durch den Betrieb von Windenergieanlagen ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko gegeben, es sei denn eine Flugkartierung belege, dass betroffenen Bereiche nicht oder nicht regelmäßig genutzt werden. Von Seiten der BGN sei eine umfassende Analyse der Flugrouten der Rotmilane im dortigen Gebiet vorgenommen worden. Das Ergebnis: Der komplette Bereich um die geplanten Anlagen Hardheim 1 und 2 würde als regelmäßig frequentierte Nahrungshabitate und Flugkorridore genutzt. Nach dem Ergebnis der umfangreichen Beobachtungen könne davon ausgegangen werden, dass die geplanten Standorte von Aktivitäten des Rotmilans sprichwörtlich "übersät" seien. Daraus ergebe sich, dass die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung vom Tötungsverbot nicht in Betracht komme und somit auch diese geplanten Anlagen nicht genehmigungsfähig seien.
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Zudem weist der Anwalt darauf hin, dass nach aktuellen Empfehlungen der Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten der Mindestabstand zu Rotmilan-Horsten 1500 Meter betrage. Legt man dies zu Grunde, seien sogar fünf der sechs geplanten Standorte nicht genehmigungsfähig.
> 3. Vorkommen von Schwarzstorch, Kolkrabe, Uhu und Wespenbussard: Die Auswertung der von der LUBW zur Verfügung gestellten Daten sowie die eigenen Bestandsermittlungen ergäben ferner, dass im Vorhabengebiet unter anderem auch der Schwarzstorch, Kolkrabe, Uhu und Wespenbussard vorkommen, wobei in Bezug auf den Uhu und Kolkrabe sogar die Horststandorte bekannt seien.
Falls die Genehmigungsbehörde den Erkenntnissen des BGN-Gutachters folgt und sie sich den entsprechenden Schlussfolgerungen von Anwalt Jäger anschließt, dann würde sich bewahrheiten, was die Aktiven der BGN gebetsmühlenartig wiederholt haben: Der Wald am Kornberg und die dort lebenden Tiere müssen geschützt werden.
"Wenn die beiden Anlagen tatsächlich in einem Dichtezentrum stehen, dann geht definitiv nichts mehr", bestätigte gestern auch Axel Krahl, zuständiger Geschäftsbereichsleiter im Landratsamt, auf Nachfrage der RNZ. Allerdings sei die Bestimmung eines solchen Zentrums eine kleine Wissenschaft für sich. Es komme dabei vor allem auf die Frage an, wann die Kartierung erfolgt sei. "Das werden wir aber zu gegebener Zeit - wenn der Antrag und die Informationen der BGN bei uns eingehen - in enger Abstimmung mit der LUBW prüfen."