NABU, BUND: Naturschutzverbände rennen immer häufiger gegen Windräder an
Der Wind hat sich gedreht: Nabu und BUND kritisieren Vielzahl an Genehmigungen für Windkraftanlagen zum Jahresende 2016 - Gericht stoppt ZEAG-Windrad in Braunsbach

Das Thema Artenschutz muss beim Bau von Windrädern stärker berücksichtigt werden, fordern Nabu und BUND. Foto: Rüdiger Busch
Von Rüdiger Busch
Neckar-Odenwald-Kreis. Der Wind hat sich gedreht: Die Naturschutzverbände Nabu, BUND und LNV machen immer häufiger gegen Windkraftprojekte mobil. Dieser Tage hat das Verwaltungsgerichts Stuttgart einer Klage von Nabu und LNV gegen den Betrieb einer Anlage in Braunsbach (Landkreis Schwäbisch Hall) stattgegeben. Der Grund heißt Rotmilan. Besonders pikant: Betreiber und Gutachter sind die gleichen wie beim Projekt "Kornberg" der Gemeinden Hardheim und Höpfingen. Außerdem haben Nabu und BUND bekanntgegeben, dass sie die artenschutzrechtlichen Gutachten überprüfen möchten, auf deren Basis Ende 2016 weit über 100 Anlagen im Land genehmigt wurden. Auch der Neckar-Odenwald-Kreis ist davon betroffen.
BUND und Nabu betonen, dass sie dem Ausbau der Windenergie grundsätzlich positiv gegenüberstehen, sofern er naturverträglich erfolgt. 2016 wurden in Baden-Württemberg 194 Anlagen genehmigt, 120 gingen in Betrieb. Damit liefen zum Jahreswechsel 2016/2017 insgesamt 563 Anlagen "Dass der Windenergieausbau nun Fahrt aufnimmt, ist eine gute Nachricht. Dass jedoch alleine im Dezember 123 Anlagen genehmigt wurden, zeigt, dass die Behörden unter gewaltigem Druck standen. Sie wollten - oder sollten - die Anlagen noch vor Jahresende genehmigen, weil sich ab Januar die Vergütungsregelungen geändert haben. Dieser Druck darf natürlich nicht dazu führen, dass unsauber gearbeitet wird", fordern die Verbandsspitzen.
"Wir haben in der Vergangenheit wiederholt unzureichende Gutachten ausgemacht und kritisiert. Jetzt wollen wir feststellen, ob das nur bedauerliche Ausreißer sind oder ob es da einen grundlegenden Fehler im System gibt", sagten die beiden Vorsitzenden Johannes Enssle (Nabu) und Brigitte Dahlbender (BUND). Dazu haben BUND und Nabu 15 Landratsämter angeschrieben und auf Basis des Umweltinformationsgesetzes beantragt, die Artenschutzgutachten zu den im November und Dezember genehmigten Windenergieanlagen zu erhalten.
Entsprechende Post hat auch das Landratsamt in Mosbach erhalten. Im Neckar-Odenwald-Kreis wurde im fraglichen Zeitraum nur ein Projekt genehmigt, wie der Geschäftsbereichsleiter im Landratsamt, Axel Krahl, gegenüber der RNZ erklärte: der Windpark Gerichtstetten. Der angekündigten Prüfung der Genehmigung durch die Naturschutzverbände sieht Krahl gelassen entgegen, da die Organisationen bereits während des Verfahrensverlaufs mit einbezogen gewesen seien. So seien - als Reaktion auf Einwände des Naturschutzes - Standorte in Gerichtstetten gestrichen oder verschoben worden.
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Das Thema Artenschutz wird im Mosbacher Landratsamt bei der Genehmigung von Winkraftanlagen also genau geprüft. Anders war es wohl im Landkreis Schwäbisch Hall: Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat gerade entschieden, dass ein bereits errichtetes und in Betrieb genommenes Windrad in Braunsbach-Jungholzhausen nicht länger laufen darf. Die Begründung: Das Landratsamt habe den Artenschutz im Genehmigungsverfahren zu wenig berücksichtigt. Hintergrund ist die mögliche Gefährdung von Rotmilanen.
Nabu und LNV hatten bereits vor dem Bau der Anlage Widerspruch eingelegt, auf den die Behörden jedoch nicht reagiert hatte. Die Naturschützer hatten argumentiert, dass die Anlage mitten in den Brutrevieren von vier streng geschützten, windkraftsensiblen Greifvogelarten steht - unter anderem in einem Dichtezentrum des Rotmilans. Wie es mit der gestoppten Anlage nun weitergeht, ist noch unklar. Erst muss nachträglich eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden.
Betreiber des Windparks in Braunsbach ist die ZEAG Energie AG, die - wie auch in Hardheim - artenschutzrechtliche Untersuchungen in Auftrag gegeben hatte. Laut ZEAG gebe es im betroffenen Gebiet bei Braunsbach "keine Hinweise auf einen aktuellen Ruhe- oder Nistplatz eines Rotmilans".
Wer hat recht? Das werden am Ende wohl die Gerichte entscheiden müssen. Für die Gegner des Windparks "Kornberg", welche die Aussagekraft des artenschutzrechtlichen Gutachtens des Büros Beck (Darmstadt) immer in Zweifel gezogen haben, ist sowohl die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Stuttgart als auch der jüngste Vorstoß der Naturschutzverbände Wasser auf die Mühlen. Hardheims Bürgermeister Volker Rohm sieht jedoch keinen Grund, an der Integrität des Gutachters zu zweifeln: Derartige Untersuchungen in der Natur seien immer nur Momentaufnahmen. Ein Jahr später könnte ein Gutachten schon wieder andere Ergebnisse zeitigen.
So oder so: Bis zu einer möglichen Genehmigung des Windparks "Kornberg" wird noch einige Zeit ins Land ziehen. Zunächst müssen bekanntlich Beschlüsse des Gemeinderats und des Gemeindeverwaltungsverbands wiederholt werden, da sich inzwischen Standorte verändert haben. Und auch das Thema "Flugsicherheit" schwebt weiter wie ein Damoklesschwert über dem Projekt.