Sound der Woche

Pearl Jam rufen zur Antwort auf

Reingehört haben wir auch bei den Bacon Brothers, Stefanie Schrank, Live On Mountain Stage und UB40.

18.04.2024 UPDATE: 18.04.2024 04:00 Uhr 3 Minuten

Die Band Pearl Jam. Auf ihrem neuen Album rocken Pearl Jam hart wie früher. Foto: Monkeywrench / Republic Records/dpa​

Von Daniel Schottmüller

Wild bleiben, ohne sich lächerlich zu machen; altersweise werden, ohne altklug zu wirken: Mit Herausforderungen dieser Art wird man als Rockstar irgendwann zwangsläufig konfrontiert. Bei Pearl Jam liegt die Fallhöhe besonders hoch – kraxelte Rampensau Eddie Vedder bei den schweißdurchtränkten Pogopartys seiner Band doch gerne ganz nach oben auf die Bühnenkonstruktion. Meter über der wogenden Menge schwang er dann manisch Mähne und Mikro. Kein Seil, keine Sicherung – "I hope I die before I get old ..."

Tollkühne Stunts braucht man von dem inzwischen 59 Jahre alten letzten lebendigen Helden der Seattle-Szene nicht mehr zu erwarten. Muss auch gar nicht sein. Denn ansonsten haben Vedder und Co. das Kunststück geschafft, den eigenen Markenkern zu wahren, ohne zum Auslaufmodell zu verkommen. Das zwölfte Studioalbum "Dark Matter" zeigt das mit Nachdruck. Gerade zu Beginn berserkern die Mannen aus Amerikas Nordwesten los, als hätten sie noch immer was zu beweisen. Knapp 50 Millionen verkaufte Tonträger? Da geht noch was ...

Offensichtlich ist es auch Produzentenwunderkind Andrew Watt (Lady Gaga, Elton John, Miley Cyrus, Rolling Stones uvm.) zu verdanken, dass sich Eddie Vedder (Gesang), Jeff Ament (Bass), Stone Gossard (Gitarre), Mike McCready (Gitarre) und Matt Cameron (Schlagzeug) ins Zeug gelegt haben. "Wie ein mächtiges, schnelles Pferd zu reiten", so müsse man sich die Arbeit mit dem 33-Jährigen vorstellen, wagte Vedder jüngst einen begeistert-animalischen Vergleich.

Und tatsächlich glühen gleich bei dem an The Who erinnernden Opener "Scared Of Fear" die Sporen. In "React, Respond" lässt Vedder mit seinem Sprechgesangssprudel dann kurz darauf den inneren Anthony Kiedis frei. In dem sich schrammelig öffnenden Imperativ-Chorus ruft er zum Widerstand auf: "When what you get is what you don’t want, don’t react, respond!" Botschaft angekommen.

Anlass zum Lautwerden gibt’s dieser Tage ja genug. Und mit einem Gold-Bariton à la Vedder klingt das natürlich besonders gut. Gerade bei den Tom-Petty-artigen Americana-Hymnen wie "Won’t Tell" strahlt seine Stimme wie in den frühen Neunzigern. "Upper Hand" dürfte mit seinem sphärischen Intro dagegen eher die Pink-Floyd-Fraktion abholen.

Trotz all dieser altbekannten Einflüsse – einer der elf Titel ist sogar dezidiert Stevie Wonder gewidmet – lässt sich keine Staubschicht ausmachen: Pearl Jam kommen weiter dynamisch ums Eck geprescht. Nur den lange erwarteten nächsten Hit wirft auch dieses Album nicht ab.

Info: Am 2. und 3. Juli spielen Pearl Jam auf der Berliner Waldbühne.



 Sound der Woche

The Bacon Brothers

Ballad Of The Brothers

Folk/Rock Schon wenn man Kevin Bacons Filmliste durchstöbert, haut es einen um, in welche Rollen der 65-Jährige bereits schlüpfte. Klar, "Footlose", sein Durchbruch von 1984, findet sich hier. "JFK" (1991). "Mystic River" (2003). Und vieles, vieles mehr. Aber dass der Golden-Globe-Gewinner auch musikalisch unterwegs ist: Nein, das hätte man nicht gedacht. Dabei ist auch hier die Liste lang: "Ballad Of The Brothers" ist das zwölfte Album gemeinsam mit Bruder Michael Bacon. "Forosoco" nennen die beiden ihren Stil: Folk, Rock, Soul, Country. Das Ergebnis sind elf ziemlich entspannte Songs, mal eindringlich ("Airport Bar"), mal gewitzt ("Ballad ..."), mal mit Geige, mal mit Harmoniegesang. Eine nette Entdeckung. (sös) ●●

Für Fans von: Bon Jovi

Bester Song: Ballad Of The Brothers


Stefanie Schrank

Schlachtrufe BRD

Elektropop Die Kölner Künstlerin mit Schwetzinger Wurzeln verneigt sich im Titel halb-ironisch vor einer legendären Punk-Sampler-Reihe ("Als Style nicht zu gebrauchen, aber manche Lieder war’n ... ok"). Und schiebt zum Beweis ein Synthie-Cover der Anti-Sommermärchenhymne "Dude, What The Fuck" von den Kaput Krauts hinterher. Doch dem Rest fehlt zwischen wilden Elektro-Instrumentals und einem Cover ("All Out Of Love" von Air Supply) der rote Faden. (hol)

Für Fans von: Das Paradies

Bester Song: Manda (To The Sea ...)


Live On Mountain Stage

Outlaws And Outliers

Americana Sie ist eine Institution in den USA: die Mountain-Stage-Radioshow. Seit über 40 Jahren werden aus Charleston/West Virginia Konzerte ins ganze Land gesendet. Daraus wurde nun eine CD zusammengestellt, die das Who-Is-Who der Americana-
Szene präsentiert: Gillian Welch, Steve Earle, Alison Krauss oder die Indigo Girls. 21 Künstler insgesamt. Wer Stetson und Cowboystiefel nicht erst seit Beyoncés "Cowboy Carter" kennt, kommt voll auf seine Kosten. (lex) ●●

Für Fans von: Südstaaten-Moskitos


Bester Song: Closer To Fine


UB40

UB45

Reggae Medizin gegen den Aprilwetterblues gefällig? Da hilft Mucke, die nach Karibikwärme klingt. Ja, diese wohl letzte Scheibe der Pioniere des westlichen Reggae könnte locker als Antidepressivum eingesetzt werden. "UB45" bringt brandneue Songs und aufpolierte Hits vergangener Jahrzehnte. Mit dem Album zelebriert die Band, was sie am besten kann: Songs, die sich gegen Ungerechtigkeit wenden. Das zeigt sich gleich im Eröffnungstrack "Home", der im typische UB40-Offbeat das Thema Fanatismus anprangert. Unter den 14 Titeln ist aber auch ein hübsches Remake von Bill Withers’ "Hope She’ll Be Happier". Und – hallo – "Red Red Wine" darf natürlich nicht fehlen ... (gol) ●●

Für Fans von: Big Mountain

Bester Song: Gimme Some Kinda Sign

Dieser Artikel wurde geschrieben von:
(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.