Wie die Umgebung den Geschmackssinn beeinflusst
Wissenschaftler an der Universität Oxford untersuchen, wie Farben, Formen und Klänge unseren Geschmack beeinflussen.

Das schmackhafte Experiment veranschaulicht nur einen Ansatz von Charles Spence, der als Professor für Experimentelle Psychologie an der Universität Oxford arbeitet und derzeit für Schlagzeilen in führenden britischen Zeitungen sorgt. Zusammen mit Neurowissenschaftlern, Marketing-Experten, Musikwissenschaftlern, Designern und Küchenchefs geht er Geschmacksempfinden und Wahrnehmung beim Essen und Trinken nach.
Letztendlich beruht der Geschmack, den wir bei Salzigem, Süßem, Saurem oder Bitterem empfinden, auf nichts anderem als Impulsen, die über Nervenbahnen in unser Gehirn gelangen. Auf ähnliche Weise wird unser Gehirn durch Musik stimuliert. Vielleicht wird es also in Zukunft möglich sein, durch die Wahl des idealen Soundtracks im Hintergrund etwa auf zu viel Zucker zu verzichten?
Musik ist aber nur ein Faktor. "Geschmack wird stimuliert über die gesamte Umgebung, darunter auch den visuellen Kontext", erklärt Spence. "Beim Essen werden alle Empfindungen zusammengeführt. Der Raum, die Musik, selbst die Form und die Farbe des Geschirrs spielen dabei eine Rolle".
In einer Studie, die Spence mit dem spanischen Koch Ferran Adrià entwickelte, haben Restaurantgäste eine identische Erdbeermousse als zehn Prozent weniger süß beurteilt, wenn diese auf einem schwarzen statt weißen Teller serviert wurde. Eine andere Untersuchung zeigte, dass der Geschmack von Whisky als süß, holzig oder grasig bewertet wird, je nach Lichtverhältnissen, Duft oder Hintergrundmusik. Spence untersuchte auch, warum Tomatensaft an Beliebtheit im Flugzeug gewinnt, und warum Pommes frites besser schmecken, wenn sie sich knusprig anhören. "Schon ehe wir das Essen in den Mund führen, entscheidet das Gehirn, wie es uns schmeckt", sagt Spence. "Die Menschen kaufen einen Wein, der auf der sonnigen Terrasse im Urlaub für Begeisterung sorgte, und stellen fest, dass der gleiche Wein auf der Wohnzimmercouch furchtbar schmeckt. Eine ähnliche Erfahrung hat jeder schon gemacht".
Seine Arbeit hat sowohl die Aufmerksamkeit der akademischen Welt wie auch der großen Lebensmittelkonzerne geweckt. Kaffeegigant Starbucks hat eine Musikliste für seine Kunden entwickelt, um ihnen die Coffee Shop-Erfahrung zu Hause zu vermitteln. Nachdem der britische Süßwaren-Produzent Cadbury seine Schokotafel Dairy Milk in runder Form anbot, klagten die Kunden über veränderten Geschmack. Dabei blieb die Rezeptur gleich. Warum? Runder schmeckt süßer. Überraschenderweise machen völlig unterschiedliche Gruppen von Menschen hier die gleichen Erfahrungen.
Mit unserem Wissen über die Funktion des menschlichen Gehirns können wir viel darüber lernen, welche Formen, Farben und Klänge welchen Geschmack hervorrufen. Letztendlich kann das dazu beitragen, gesünderes und schmackhafteres Essen herzustellen. In die gleiche Richtung gehen die jüngsten Versuche des britischen Wissenschaftlers. Derzeit arbeitet er mit einem Philosophen an neuen Methoden, wie man Insekten als Fleischersatz verwendet - um in Zukunft mehr Menschen zu einer gesünderen Menüwahl zu bewegen. "Früher lag das Augenmerk auf der Verwendung neuer Methoden und Technologien in der Küche - gesehen hat man diese zwar nicht, aber man schmeckte den Unterschied", sagt Spence. Im Lauf der Zeit werde man wohl mehr nützliche mobile Technologie direkt am Tisch der Gäste sehen. Restaurants sind die perfekte Spielwiese für Menü-Innovationen. Wenn man die Küchenchefs überzeugt, dass die Farbe der Teller für den Gast eine Rolle spielt, könnten sie ihre Menükarte täglich entsprechend anpassen - quasi mit einem Fingerschnippen.