"Schaleluja" in Sinsheim

Der Trikot-Stoff, aus dem echte Fan-Träume sind

Silas Lindenau aus Sulzfeld besitzt das Trikot des Phantomtorschützen Stefan Kießling und freut sich über die erste Meisterschaft von Bayer Leverkusen.

17.04.2024 UPDATE: 17.04.2024 04:00 Uhr 4 Minuten, 25 Sekunden
Ansprechendes Plakat: Mit diesem Transparent ergatterte sich Silas Lindenau das Trikot des Phantomtorschützen Stefan Kießling. Foto: privat

Von Eric Schmidt

Sinsheim. Mit dem 5:0-Triumph am Sonntag gegen Werder Bremen hat sich Bayer 04 Leverkusen zum ersten Mal in seiner 120-jährigen Vereinsgeschichte die Meisterschale geholt. Auch die Fußballfans im Kraichgau feiern den großen Coup – unter anderem Silas Lindenau vom FVS Sulzfeld. Der 19-Jährige, der vor kurzem auf dem Sportplatz einem Mitspieler das Leben rettete, ist seit 2009 Bayer-Fan und kann ein besonderes Bayer-Souvenir sein Eigen nennen. Unser "Nachschuss" weiß Näheres.

> Großer Feiertag: Das Trikot, in dem Stefan Kießling sein berühmtes Phantomtor gegen die TSG Hoffenheim erzielte: Silas Lindenau hat es. Es liegt bei ihm zu Hause im Schrank. Als Bayer 04 Leverkusen am 18. Oktober 2013 in der Sinsheimer Arena auf Torejagd ging und 2:1 gewann, saß der damals Neunjährige ganz vorne in Reihe eins. Nach dem Schlusspfiff hielt seine Mama ein Plakat in die Höhe mit der Aufschrift: "Stefan Kießling. Ich hätte soooo gern dein Trikot. Dein größter Fan Silas". Und siehe da: Kießling machte sich auf den Weg in Richtung Tribüne. "Er ist zu uns gekommen und hat mir das Trikot gegeben", sagt Lindenau, der inzwischen 19 ist und für den FVS Sulzfeld in der Kreisklasse A um Punkte kickt.

Stefan Kießling (40) spielt nicht mehr. Nun ist Alejandro Grimaldo Lindenaus großes Vorbild – und der ist mit Bayer 04 erstmals deutscher Fußballmeister geworden. Nein, es ist keine Phantommeisterschaft, die der Phantomtorklub feiern darf, die Meisterschaft ist echt. Mit dem 5:0 am Sonntag gegen Werder Bremen machte die Mannschaft von Trainer Xabi Alonso den Titel perfekt. Lindenau, seit der Herbstmeisterschaft 2009/10 Bayer-Fan, hat den großen Triumph im kleinen Format miterlebt. Bei einer Freundin verfolgte er das Festspiel via Smartphone und genoss jeden Moment. Wie Victor Boniface seinem Team per Foulelfmeter zum 1:0 (25.) verhalf. Wie Granit Xhaka mit einem fabelhaften Fernschuss das 2:0 (60.) folgen ließ. Und wie Florian Wirtz mit einem herrlichen Hattrick (68./83./90.) die Gala krönte.

Nein, er habe keine Angst gehabt, dass etwas schiefgehen könnte. "Ich war nicht nervös. Es war Vorfreude. Im Prinzip war seit dem 3:0 gegen den FC Bayern klar, dass es klappt mit der Meisterschaft", sagt Lindenau und verspürt eine gewisse Genugtuung: "Jetzt kann man sagen: Das lange Warten hat sich gelohnt. Das ist schon cool." Was musste er sich alles anhören in den vergangenen Jahren. "Ewiger Zweiter". "Vizekusen". Nun hat Bayer den Bayern im wahrsten Sinne des Wortes den Rang abgelaufen und Platz eins als Stammplatz besetzt. 16 Punkte beträgt der Vorsprung, die Konkurrenz hechelt meilenweit hinterher und benötigt inzwischen ein Fernglas, um die Eliteeinheit aus dem Rheinland zu sehen.

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Fußballspiele mit Bayer sind Sehenswürdigkeiten. Das 5:0 gegen Werder fasste in 90 Minuten die ganze Saison zusammen. Geduld und Beharrlichkeit, spielerischer Glanz und geniale Momente – dazu ein klarer Plan. Die Chemie stimmt. "Die Mannschaft spielt einen geilen Fußball. Es macht richtig Spaß zuzuschauen", sagt Lindenau und ergänzt: "Ich hatte schon vor der Saison das Gefühl, dass es gut werden kann. Die Transfers haben gepasst, und die Spieler passen zur Spielidee des Trainers." Seit 43 Spielen ist die Werkself nun ungeschlagen – Silas Lindenau kann sich vorstellen, dass die Serie der Unverwundbarkeit bis zum Saisonende anhält.

Schaleluja: Xabi Alonso und seine Spieler krallen sich eine Pappversion der Meisterschale – die echte gibt’s am letzten Spieltag. Foto: dpa

Wie stark Bayer ist, konnte er selbst live bestaunen. Bei mehreren Auswärtsspielen schaute er der Mannschaft zu. Beim 3:2 in Hoffenheim. Beim 2:0 bei Darmstadt 98. Und in der zweiten Runde des DFB-Pokals, als sich Bayer mit 5:2 beim SV Sandhausen durchsetzte. Sein Ziel ist es, beim Saisonfinale am 18. Mai gegen den FC Augsburg live mit von der Partie zu sein. Allerdings: "Es ist mittlerweile schwer, an Karten zu kommen. Wenn es nicht klappt, möchte ich auf jeden Fall in der Nähe des Stadions sein", erzählt der junge Fußballer. So schnell kann es gehen: Jahrzehntelang war der Verein unterm Bayer-Kreuz als Pillen- und Plastikklub verspottet worden, nun rennen ihm die Leute die BayArena ein.

Was die "blöden Sprüche" betrifft, so hat sich Silas Lindenau ein dickes Fell zugelegt. "Ich habe sie ignoriert. Bayer Leverkusen spielt seit 45 Jahren ununterbrochen in der Bundesliga. Es ist ein Arbeiterverein, der 1904 von Arbeitern gegründet worden ist. Das kann man mit RB Leipzig nicht vergleichen." Nun kann er in der Kabine des FVS, bei dem es etliche Bayern-Fans gibt, auch mal sticheln und frotzeln. Und wer weiß: Vielleicht werden es am Ende ja drei Titel, die Bayer 04 Leverkusen feiern darf – das Triple aus Bundesliga, DFB-Pokal und Europa League. Silas Lindenau traut dem Team alles zu.

Der heute 19-Jährige hält das Trikot des Phantomtorschützen Stefan Kießling in Ehren. Foto: privat

Wie es eigentlich ist, das Stefan-Kießling-Phantomtor-Trikot im Privatbesitz zu haben? Ob es hin und wieder im Training zum Einsatz kommt? Lindenau schüttelt den Kopf. Das rote Leibchen mit der Nummer 11 ist und bleibt ein Ausstellungsstück. "Es ist ungewaschen. Man sieht sogar noch die Rasenflecken von damals drauf", erklärt der 19-Jährige und grinst: "Einmal habe ich es anprobiert. Aber es war mir zu groß. Stefan Kießling ist 1,90 Meter, ich bin 1,70 Meter. Das passt nicht."

> Revanche: Fußball kann Extremsport sein. Mal läuft es extrem gut, mal läuft es extrem schlecht. Manchmal sind die Extreme innerhalb von drei Stunden auf ein und demselben Sportplatz zu beobachten. Wie für Jochen Rebel. Der Vorsitzende des FC Badenia Rohrbach sah am Sonntag zunächst einen 5:1-Heimsieg der zweiten Mannschaft gegen den TSV Kürnbach II, um direkt im Anschluss eine 1:5-Heimniederlage der ersten Mannschaft gegen den TSV Kürnbach I mitzuerleben. "Ganz ehrlich: Umgekehrt wäre es mir lieber gewesen", sagt Rebel mit Blick auf die Tabelle der Kreisliga Sinsheim.

So kurios es klingen mag: Das 5:1 und 1:5 waren nicht die einzigen spiegelverkehrten Ergebnisse am vergangenen Wochenende. Der TSV Neckarbischofsheim II verlor in der B2 mit 0:3 gegen den TSV Helmstadt II, ehe im Spiel danach der TSV Neckarbischofsheim I gegen den TSV Helmstadt I den Spieß umdrehte und 3:0 gewann. Eindrucksvoll auch der TSV Obergimpern, der mit dem 4:0 gegen den VfL Mühlbach das 0:5 der zweiten Mannschaft gegen den VfL Mühlbach II konterte. Der SV Treschklingen wiederum machte mit dem 3:1 gegen den FC Eschelbronn das 2:3 der SpG Treschklingen II/Babstadt II gegen den FC Eschelbronn II wett.

Ob die ersten Mannschaften jeweils Revanche nahmen für das Schicksal der zweiten Mannschaften? "Revanche kann man nicht sagen. Wenn es eine Revanche war, dann für das Hinspiel. Da haben wir auf unserem Trainingsplatz gespielt und 1:3 verloren", sagt Aydin Genc, der Abteilungsleiter des TSV Kürnbach, und stellt klar: "Mir ist es am liebsten, wenn beide Mannschaften gewinnen." Das sieht man beim TSV Neckarbischofsheim ähnlich. Die zweite Mannschaft indes leidet immer wieder unter personellen Engpässen. "Bei ihr kann man nie so richtig sagen, wie es wird. Sie spielt Woche für Woche mit einer anderen Aufstellung. Und in einer englischen Woche ist es dann besonders schwer", sagt Trainer Neso Duric. Umso mehr gefällt dem 57-Jährigen, wie es bei der "Ersten" in der Kreisliga läuft. Seit zehn Spielen ist sie ungeschlagen, in den acht Spielen in diesem Jahr hat sie erst drei Gegentore kassiert. "Wir sind in der Rückrunde sehr viel stabiler geworden", so Duric.

Ach ja: Die Revanche für Niederlagen der zweiten Mannschaften glückte nicht überall. Der SV Adelshofen verlor seine beiden Vergleiche gegen den SV Rohrbach mit 2:3 bzw. 2:4, der 1. FC Stebbach alias SpG Stebbach/Richen hatte gegen den VfB Epfenbach mit 0:1 bzw. 1:4 das Nachsehen.

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