"Wie in der A-Jugend"
Und noch ein TSG-Eigengewächs in der Bundesliga: Baris Atik
Von Christoph Ziemer
Sinsheim. Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne. Das ist nicht nur bei Hermann Hesse so, sondern auch bei Baris Atik. Als der Deutschtürke in der 60. Minute zum ersten Mal Bundesliga-Luft schnuppern darf, besteht dieser Zauber gleich aus einem Hackentrick. Auch wenn dieser erst einmal misslingt und später noch der eine oder andere Fehlpass hinzu kommt, ist die Botschaft klar: Hier kommt jemand, der sich nicht verstecken will. In der 79. Minute tanzt der 21-jährige Frankenthaler den Kölner Konstantin Rausch aus, das Stadion applaudiert.
Schon nach seiner ersten halben Stunde in der Fußball-Bundesliga scheint damit klar, dass Atik seine Kabinettstückchen auch keinesfalls in der höchsten deutschen Spielklasse verstecken will. Und trotzdem geht das Bundesligadebüt auch an Atik nicht spurlos vorbei. Emotional sei es gewesen, berichtet Trainer Julian Nagelsmann, es sei auch die eine oder andere Träne geflossen. Nach dem Spiel ist davon allerdings kaum etwas zu sehen. Der 1,69 Meter kleine Linksaußen betrachtet grinsend mit einem Freund ein Video auf dessen Smartphone, die Stimmung ist nach dem höchsten Hinrunden-Sieg der TSG ohnehin gelöst. "Das musst du mir aber schicken"; sagt Atik. Interviews dürfe er keine geben, heißt es. Vereinspolitik.
Dafür reden andere. "Dass Baris heute ran durfte, freut mich für den Jungen", gibt Jeremy Toljan zu. "Im Training macht er seine Sache gut, das ist jetzt seine Belohnung." Philipp Ochs, der gegen Köln wieder einmal ein paar Minuten auf dem Platz stehen durfte, fühlte sich zwischenzeitlich "wie in der A-Jugend". Denn als Ochs neun Minuten vor Schluss eingewechselt wurde, standen mit Süle, Toljan, Amiri, Atik und Ochs gleich fünf Hoffenheimer Eigengewächse auf dem Platz. Eine Tatsache, die auch TSG-Manager Alexander Rosen froh stimmt: "Ich habe Baris ja noch als Nachwuchsleiter vom Waldhof geholt. Wir haben in unserer Jugend jedes Jahr mindestens einen, der sich durchbeißt." Denn das sei ja das Schöne an der hauseigenen Nachwuchsarbeit: "Wir erzählen nicht nur, sondern wir machen es auch."
Nun also Baris Atik. Früher hat er mit seinem sieben Jahre älteren Bruder Burak regelmäßig auf dem Vierfelderplatz gekickt - in Frankenthal ein ideales Gehege für Straßenkicker. Die Gegenspieler, gegen die sich Atik dabei durchsetzen musste, waren fast immer deutlich älter. Auch beim SV Waldhof kickte der ehemalige türkische Junioren-Nationalspieler immer in älteren Jahrgängen mit - gemeinsam mit Hakan Calhanoglu, mittlerweile Champions-League-Akteur in Leverkusen. Der Kampf, sich gegen die Älteren durchzusetzen, hat dem Ronaldinho-Fan, dessen Tricks er als Jugendlicher stundenlang kopierte, bislang nicht geschadet. Ebenso wenig wie die Tatsache, dass ihn sein ehemaliger U19-Trainer Julian Nagelsmann bestens kennt.
Glaubt man Transfermarkt.de, beträgt sein aktueller Martwert 125 000 Euro. Er dürfte schon bald steigen.