Rituale des Oliver Baumann: Vor dem badischen Derby gegen Freiburg

Der TSG-Profi über sein Torwartspiel und seine alte Vereinsliebe.

13.10.2016 UPDATE: 14.10.2016 06:00 Uhr 2 Minuten, 36 Sekunden

Feilt ständig an seinen Abwehrtechniken: Hoffenheims Torhüter Oliver Baumann, hier bei einer Übung mit Tennisbällen. Foto: APF

Von Joachim Klaehn

Zuzenhausen. Oliver Baumann ist eher ein Mann der Tat statt der Worte. Das gehört als Torhüter zu seinem beruflichen Anforderungsprofil. Ruhig und konzentriert sitzt er beim RNZ-Gespräch im Trainingszentrum da, er weiß natürlich, dass er gerade vor dem badischen Bundesliga-Derby zwischen der TSG 1899 Hoffenheim und dem SC Freiburg (Samstag, 15.30 Uhr/Sky) ein gefragter Gesprächspartner ist. Baumann ist ein Spross der Fußball-Akademie des Sportclubs, der sich als Aufsteiger und Absteiger immer mal wieder neu aufstellen muss.

Julian Nagelsmann. Foto: APF

Im zweiten D-Jugendjahr wechselte Oli vom FC Bad Krozingen in die Breisgau-Metropole und blieb dort bis zum Sommer 2014, ehe ihn der Weg in den Kraichgau führte. "Es ist doch kein normales Bundesliga-Spiel", sagt Baumann unprätentiös, "das werde ich aber auf dem Platz dann ausblenden."

In der Länderspielpause verbrachte die Nummer eins der TSG das Wochenende in und um Freiburg, "um Familie und Freunde zu sehen, sonst bleibt ja wenig Zeit für sie", verweist er auf die Gesetzmäßigkeiten seines Metiers. Im Sommer hatte der gebürtige Breisacher seine langjährige Lebensgefährtin Charlotte geheiratet. Auch zu Co-, Torwarttrainer oder zu Sportvorstand Jochen Saier bestehen unverändert Kontakte. "Ich hatte ja nie ein schlechtes Verhältnis zum SC Freiburg, es war immer offen und ehrlich", stellt er rückblickend fest.

Hintergrund

Zuzenhausen. (jog) Die TSG 1899 Hoffenheim ist nach sechs Spieltagen als eines von vier Bundesliga-Teams immer noch ungeschlagen - und will diese Positivserie gegen das Streich-Orchester am Samstag fortsetzen. TSG-Cheftrainer Julian Nagelsmann (29) sagt über

[+] Lesen Sie mehr

Zuzenhausen. (jog) Die TSG 1899 Hoffenheim ist nach sechs Spieltagen als eines von vier Bundesliga-Teams immer noch ungeschlagen - und will diese Positivserie gegen das Streich-Orchester am Samstag fortsetzen. TSG-Cheftrainer Julian Nagelsmann (29) sagt über ...

> ... die heißen Freiburger: "Es ist eine sehr, sehr giftige Mannschaft. Sie sind jung und willig, spielen mit sehr viel Leidenschaft und haben ein ordentliches Tempo in den vorderen Reihen. Gegen Dortmund haben sie auch aggressiv gepresst. Sie bringen das auf den Rasen, was der Trainer am Spielfeldrand vorlebt."

> ... seinen Kollegen Christian Streich: "Da muss ich als Trainer auf Emotionen vorbereitet sein. Die Spieler entscheiden aber darüber, wer am Samstag gewinnt. Letztlich ist das kein Spiel Streich gegen Nagelsmann. Ich werde mich auf kein Duell an der Seitenlinie einlassen. Er war in der Entwicklung des gesamten Klubs federführend. Ich kenne ihn schon seit meiner Jugendzeit bei 1860 München."

> ... den Ex-Hoffenheimer Vincenzo Grifo: "Es ist normal, dass Spieler ihre Perspektiven woanders suchen. Er ist stets gefährlich - und ein Freigeist auf dem Feld. Nach ihm müssen wir gucken und ihn in seiner Spielfreude zügeln."

> ... das eigene Personal: "Alle Spieler, die auf Länderspielreise waren, sind gesund zu uns zurückgekommen. Eduardo Vargas hat eine 22-stündige Reise in den Knochen und sicherlich mit Jetlag zu kämpfen. Ich bin mir nicht sicher, ob es bei ihm gehen wird."

> ... Marco Terrazzino: "Er hat sehr große Konkurrenz auf seiner Position. Isoliert betrachtet macht es Marco gut, aber die anderen waren in den letzten Wochen einen Tick stabiler und haben außerdem mehr Erfahrung in der ersten Liga. Es ist ähnlich wie zuletzt bei Benjamin Hübner. Geduld ist gefragt."

[-] Weniger anzeigen

Es ist nicht Baumanns Ding, eine ohnehin brisante Partie anzuheizen. Er kennt die intensive und emotionale Spielweise der SC-Akteure, die maßgeblich mit dem Temperamentsbolzen Christian Streich (51) zusammenhängt, der seit fünf Jahren die sportlichen Geschicke der Profis leitet. Zuvor hatte der hemdsärmlige Metzgerssohn Streich, der ein Lehramtsstudium (Germanistik, Geschichte und Sport) vorzuweisen hat, Strukturen in der SC-Jugend aufgebaut. Streich und Baumann kennen sich aus dem Effeff, holten 2008 gemeinsam mit der A-Jugend den deutschen Meistertitel. "Klar, für Herrn Streich war es damals nicht erfreulich, dass ich gehe. Aber er hat mir immer seine Hilfe angeboten - für junge Spieler ist er wie eine Vaterfigur im Fußball", meint Baumann und in seiner Aussage schwingt Respekt mit.

Seit Baumann (Vertrag bis 2018 bei der TSG) zu "Hoffe" wechselte, hat er unermüdlich an seinem Torwartspiel gefeilt, seine "Techniken erweitert, Bälle zu halten." Zwischendurch wird auch mal mit einem Tennisball oder Rugby-Ei geübt. "Man kann sich das ganz gut wie ein Schubladensystem vorstellen. Bewegt sich das Spiel außerhalb des Sechzehners, stehe ich dreieinhalb Meter vor dem Tor. Kommt der Spieler in den Sechzehner, stehe ich automatisch noch weiter vorne. Je nach Distanz wende ich also verschiedene Dinge, sogenannte Schubladen, an", erklärt Baumann seine Herangehensweise. Für seine Trainingspartner und Konkurrenten Alexander Stolz (33) und Gregor Kobel (18) sowie Torwarttrainer Michael Rechner (36) hat Baumann viel Lob übrig. Sie seien eine kleine Gruppe im TSG-Team, die ein harmonisches Miteinander pflegen würde. "Es passt von den Charakteren her", erzählt Baumann, "ich habe mit Michael Rechner einen überragenden Trainer, der auch immer wieder neue Impulse setzt und viel ausprobiert."

Verbesserungsbedarf sieht Hoffenheims Rückhalt zuvorderst bei sich selbst - speziell in der mentalen Verarbeitung. "Ich muss nach den Spielen einfach schneller runterkommen. Stattdessen kann ich nach einer Partie erst sehr spät einschlafen." Er habe gemerkt, dass er andererseits während der 90 Minuten genau diesen Druck brauche, "nur eben nach dem Spiel dann nicht mehr", schmunzelt Baumann über die Widersprüche seiner Arbeitshaltung, die nicht leicht für den Außenstehenden zu verstehen sind.

Der TSG-Schlussmann schwört auf seine Rituale, um fokussiert zu sein und den eigenen Radarschirm permanent und unerbittlich auf den Gegner gerichtet zu haben. Vor dem Anpfiff hört er Musik - und lässt Spielszenen im Kopf durchlaufen. "Ich gehe direkt in die Kabine und ziehe mich um. Andere lesen vielleicht noch im Stadionmagazin oder gehen umher. Ich mag das nicht", sagt Baumann.

Gegen seinen Ex-Klub, den kultigen Sportclub, wird es morgen intensiv und anstrengend. "Es werden die Funken sprühen", glaubt beispielsweise Hoffenheims Manager Alexander Rosen. Baumann hingegen wird das alles wegpacken - in seinem Torwarttunnel bleiben. Trotz einiger ehemaliger Weggefährten, trotz des Seitenlinienmotors Streich, trotz der alten Vereinsliebe.

Am Mittwoch probierte Baumann bei einem Pressetermin mit Adler-Goalie Dennis Endras für das Winter Game der Mannheimer am 7. Januar in Sinsheim mal etwas anderes. Eine willkommene Abwechslung war’s, eine kleine Horizonterweiterung - und Entspannung vor der Anspannung am Samstag.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.