Jubel in Hoffenheim: Um 17.23 Uhr war am Samstag die Rettung gewiss

Trotz der Niederlage beim Tabellenletzten Hannover 96 feiern die Hoffenheimer den vorzeitigen Bundesligaverbleib

08.05.2016 UPDATE: 09.05.2016 06:00 Uhr 2 Minuten, 8 Sekunden

Jubel bei den Hoffenheim-Fans über den sicheren Nicht-Abstieg. Foto: dpa

Von Frank Enzenauer

Hannover. Oben auf der Haupttribüne schwitzte Alexander Rosen. "Ich musste dreimal durchrechnen", berichtete Hoffenheims Profifußball-Direktor vom Stress in der zweiten Halbzeit, als er gemeinsam mit dem Videoanalysten Benjamin Glück den Laptop zweckentfremdete.

Hintergrund

Einzelkritik

Baumann: Zwar kein Meister der Spieleröffnung, aber ein Torwart mit ausgezeichneter Strafraumbeherrschung.
Kaderabek: Deutete an, dass er in seiner zweiten Bundesliga-Saison unumstritten werden

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Einzelkritik

Baumann: Zwar kein Meister der Spieleröffnung, aber ein Torwart mit ausgezeichneter Strafraumbeherrschung.
Kaderabek: Deutete an, dass er in seiner zweiten Bundesliga-Saison unumstritten werden könnte.
Süle: Mithelfer des 1:0 durch Kiyotake und schwächer als üblich.
Bicakcic: Zuverlässiger Abräumer und auch deshalb ein Liebling der Fans.
Toljan: Zumeist aufmerksam in der Verteidigung, könnte sich aber im Vorwärtsspiel mehr zutrauen.
Polanski: Der Gelbgrätscher wurde schon nach 53 Minuten ausgewechselt.
Rudy: Begann stark als Passgeber und baute stark ab. Unerträgliche Hitze?
Amiri: Lauffreudig, jedoch viel zu eigensinnig.
Uth: Vergab zwei Chancen und musste zur Pause raus.
Kramaric: Versemmelte in der 5. Minute die größte Torchance des Sommerkicks.
Volland: Enorm fleißig, allerdings fehlerlastig.
Kuranyi: Durfte erstmals unter Nagelsmann ran und hatte nach seiner Einwechslung das 1:1 auf dem Fuß (65.).
Schwegler: Kam für Polanski, brachte keine Ordnung ins Spiel.
Ochs: Fiel nicht auf - fiel nicht ab. enze

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Ergebnisse von anderen Bundesliga-Schauplätzen wurden hektisch abgerufen, die Blitztabelle ständig aktualisiert und Klick für Klick standen die Kicks in Stuttgart und Köln unter besonderer Beobachtung.

"Das muss doch reichen, wenn’s so bleibt", sagte Glück nervös zu Rosen, ehe sich die Sitznachbarn unterm Arena-Dach strahlend umarmten und die Fäuste ballten.

Um 17.23 Uhr an diesem heißen Samstag war die Pein vorbei, die ersehnte Rettung gewiss: Die TSG 1899 Hoffenheim hat den Ligaverbleib geschafft, ungeachtet der 0:1 (0:1)-Niederlage bei Absteiger Hannover 96.

Weil auch der VfB Stuttgart daheim gegen Mainz verlor und zudem Werder Bremen nur 0:0 in Köln spielte, können sich die Hoffenheimer tiefenentspannt zur letzten Verabredung dieser Saison begeben, an Pfingsten darf das Bonusspiel gegen Schalke genossen werden.

Neben dem Klapprechner war Michael Rechner wichtigster Informant. Der Torwarttrainer überbrachte einige Minuten nach dem Abpfiff in Hannover erst seinem Chef Julian Nagelsmann die frohe Botschaft, anschließend eilte er zu Keeper Oliver Baumann.

Baumann beschlich "ein komisches Gefühl", wie er später in der Mixed Zone erzählte: "Ich hab’ mich übers schlechte Spiel aufgeregt - und dann war ich erleichtert."

Ähnlich erging es Nagelsmann. "Sie sehen nicht den glücklichsten Menschen auf Erden", sagte der junge, ehrgeizige Erfolgstrainer zu Beginn der Pressekonferenz, "ich bin total unzufrieden mit dem Auftritt und hab’ mich geärgert."

Doch dann umspielte ein Grinsen die Mundwinkel - zu viel Strenge war denn doch völlig unangebracht nach der gelungenen Mission Klassenerhalt.

Also gab Nagelsmann zu, das müde 0:1 durch den Treffer von Hiroshi Kiyotake (28. Minute), den TSG-Innenverteidiger Niklas Süle mit einem ungeschickten Abwehrversuch begünstigte, sei "selbst mir ein bissel egal" und kündigte an, sich nach der abendlichen Landung in Mannheim "ein Bierchen" zu gönnen.

Hintergrund

Die Wege zur Rettung

20. Januar: Hoffenheim leiht den kroatischen Nationalstürmer Andrej Kramaric vom späteren englischen Meister Leicester City aus. Profifußball-Direktor Alexander Rosen verzichtet in der Winterpause auf

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Die Wege zur Rettung

20. Januar: Hoffenheim leiht den kroatischen Nationalstürmer Andrej Kramaric vom späteren englischen Meister Leicester City aus. Profifußball-Direktor Alexander Rosen verzichtet in der Winterpause auf Noteinkäufe.

10. Februar: Drei Tage nach der niederschmetternden 0:2-Heimniederlage gegen Darmstadt tritt Trainer Huub Stevens, 62, zurück. Begründung: Herzrhythmusstörungen.

11. Februar: A-Juniorentrainer Julian Nagelsmann wird zum Cheftrainer befördert.

12. Februar: Erste Pressekonferenz des mit 28 Jahren jüngsten Trainers der Bundesliga-Geschichte. "Wir wollen mehr Kreativität entwickeln und Torgefahr ausstrahlen", sagt Nagelsmann.

13. Februar: Glückliches 1:1 bei Werder Bremen im ersten Nagelsmann-Spiel. Kramaric trifft für "Hoffe".

19. Februar: Nationalstürmer Kevin Volland äußert sich im RNZ-Interview erleichtert über den Trainerwechsel: "Julian Nagelsmann gibt der Mannschaft ein gutes Gefühl, seine Vorstellung vom Fußball gefällt mir."

20. Februar: Zweiter Saisonheimsieg! Beim 3:2 gegen Mainz schießt Mark Uth zwei Tore, zudem trifft Nadiem Amiri.

2. März: Morgens schreibt der angehende Fußballlehrer Julian Nagelsmann eine Prüfung, abends gewinnt "Hoffe" 2:1 gegen Augsburg durch Tore von Volland und Uth.

12. März: Eine Woche nach der 1:5-Schlappe beim VfB Stuttgart antwortet Hoffenheim mit einem 1:0 gegen Wolfsburg. Kramaric erzielt in der dritten Minute den Siegtreffer. Und in Süle, Toljan, Amiri, Ochs und Canouse stehen fünf Akteure aus der 1899-Nachwuchsakademie auf dem Platz.

19. März: Nach neun sieglosen Auswärtsspielen gewinnt die TSG durch Tore von Kramaric, Volland und Vargas mit 3:1 beim HSV und klettert auf den Relegationsplatz 16.

3. April: Nach der Länderspielpause glückt Volland gegen Köln das 1:1 in der Nachspielzeit. "Der Punkt kann am Ende noch viel bringen", erklärt Nagelsmann.

9. April: "Hoffe" schießt mit dem 2:0-Sieg in Frankfurt (Amiri und Uth treffen) die Eintracht auf den vorletzten Platz. Bundesweit wird die "Nagelsmann-Tabelle" der Spieltage 21 bis 29 veröffentlicht: Hoffenheim ist Dritter hinter Dortmund und den Bayern.

16. April: Durch das 2:1 gegen Hertha durch Tore von Schär und Uth rückt Hoffenheim auf den 13. Rang.

30. April: Wieder einen 0:1-Rückstand wettgemacht: Der 2:1-Erfolg gegen Ingolstadt (Uth und Amiri sind die Schützen) wird als entscheidender Schritt zum Ligaverbleib gefeiert.

7. Mai: Stuttgart verliert, Bremen kann nicht gewinnen, also ist Hoffenheim trotz schwachem 0:1 in Hannover gerettet. enze

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Freilich, schon auf der kurzen Busfahrt von der Arena am Maschsee zum Flughafen Hannover war die Anspannung der Freude und Lockerheit gewichen.

Fröhliche Bilder wurden auf Facebook gestellt. Bier floss und "schmierte" die Stimmbänder. "Niemals zweite Liga, niemals, niemals ...!", grölten die TSG-Profis. In der Heidelberger Altstadt, so war zu hören, soll dann die Party ihren Höhepunkt erreicht haben. Je später der Abend.

Dass die Hoffenheimer gegen Ende dieser turbulenten Spielzeit keinen Kater mit schlimmen Zweitliga-Schmerzen erleiden, ist allen voran Julian Nagelsmann zu verdanken.

In seltener Einmütigkeit lobten die Spieler den Krisenbewältiger, der im Februar den Job von Torverhinderungstaktiker Huub Stevens übernommen hatte, mit sieben Punkten Rückstand auf einen Nichtabstiegsplatz. "Wir waren so gut wie weg vom Fenster", erinnerte nach dem Hannover-Spiel Nationalstürmer Kevin Volland an die düstere Vergangenheit.

Und betonte: "Julian hat seit seiner Ankunft Ruhe reingebracht." Torwart Oliver Baumann ergänzte: "Mit Julian kam die große Wende. Sofort hat ihm jeder vertraut. Er hat klare Pläne, er hat auf unsere spielerische Klasse gesetzt."

Und Kapitän Eugen Polanski hob die rhetorischen Fähigkeiten des 28-jährigen Trainers hervor: "Julian hat uns sehr viel Mut zugesprochen. Bemerkenswert, in welcher Art und Weise er uns gepackt hat - und das ab der ersten Ansprache."

Nagelsmann musste da schmunzeln. Und wählte in Erinnerung an seine Vorstellungsrede bei den TSG-Profis einen hübschen Vergleich: "Das ist, als säße man beim Italiener und datet seine Traumfrau - da muss alles passen."

Hat’s, das Rendezvous mit Happy End.

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